Vorrede
Immanuel Kant (1781)
Warum diese Kritik nicht eine Kritik der reinen praktischen, sondern schlechthin der praktischen Vernunft überhaupt betitelt wird, obgleich der Parallelismus derselben mit der spekulativen das Erstere zu erfordern scheint, darüber gibt diese Abhandlung hinreichenden Aufschluss. Sie soll bloß dartun, dass es reine praktische Vernunft gebe, und kritisiert in dieser Absicht ihr ganzes praktisches Vermögen. Wenn es ihr hiermit gelingt, so bedarf sie das reine Vermögen selbst nicht zu kritisieren, um zu sehen, ob sich die Vernunft mit einem solchen, als einer bloßen Anmaßung, nicht übersteige (wie es wohl mit der spekulativen geschieht). Denn wenn sie, als reine Vernunft, wirklich praktisch ist, so beweist sie ihre und ihrer Begriffe Realität durch die Tat, und alles Vernünfteln wider die Möglichkeit, es zu sein, ist vergeblich.
Mit diesem Vermögen steht auch die transzendentale Freiheit nunmehr fest, und zwar in derjenigen absoluten Bedeutung genommen, worin die spekulative Vernunft beim Gebrauch des Begriffs der Kausalität ihrer bedurfte, um sich wider die Antinomie zu retten, darin sie unvermeidlich gerät, wenn sie in der Reihe der Kausalverbindung sich das Unbedingte denken will, welchen Begriff sie aber nur problematisch, als nicht unmöglich zu denken, aufstellen konnte, ohne ihm seine objektive Realität zu sichern, sondern allein, um nicht durch vorgebliche Unmöglichkeit dessen, was sie doch wenigstens als denkbar gelten lassen muss, in ihrem Wesen angefochten und in einen Abgrund des Skeptizismus gestürzt zu werden.
Der Begriff der Freiheit, sofern dessen Realität durch ein apodiktisches Gesetz der praktischen Vernunft bewiesen ist, macht nun den Schlussstein von dem ganzen Gebäude eines Systems der reinen, selbst der spekulativen Vernunft aus, und alle andere Begriffe (die von Gott und Unsterblichkeit), welche, als bloße Ideen, in dieser ohne Haltung bleiben, schließen sich nun an ihn an, und bekommen mit ihm und durch ihn Bestand und objektive Realität, d.h. die Möglichkeit derselben wird dadurch bewiesen, dass Freiheit wirklich ist; denn diese Idee offenbart sich durchs moralische Gesetz.
Freiheit ist aber auch die einzige unter allen Ideen der spekulativen Vernunft, wovon wir die Möglichkeit a priori wissen, ohne sie doch einzusehen, weil sie die Bedingung des moralischen Gesetzes ist, welches wir wissen. Die Ideen von Gott und Unsterblichkeit sind aber nicht Bedingungen des moralischen Gesetzes, sondern nur Bedingungen des notwendigen Objekts eines durch dieses Gesetz bestimmten Willens, d.h. des bloß praktischen Gebrauchs unserer reinen Vernunft; also können wir von jenen Ideen auch, ich will nicht bloß sagen, nicht die Wirklichkeit, sondern auch nicht einmal die Möglichkeit zu erkennen und einzusehen behaupten.
Gleichwohl aber sind sie die Bedingungen der Anwendung des moralisch bestimmten Willens auf sein ihm a priori gegebenes Objekt (das höchste Gut). Folglich kann und muss ihre Möglichkeit in dieser praktischen Beziehung angenommen werden, ohne sie doch theoretisch zu erkennen und einzusehen. Für die letztere Forderung ist in praktischer Absicht genug, dass sie keine innere Unmöglichkeit (Widerspruch) enthalten. Hier ist nun ein, im Vergleich mit der spekulativen Vernunft, bloß subjektiver Grund des Fürwahrhaltens, der doch mit einer ebenso reinen, aber praktischen Vernunft objektiv gültig ist, dadurch den Ideen von Gott und Unsterblichkeit mittels des Begriffs der Freiheit eine objektive Realität und Befugnis, ja subjektive Notwendigkeit (Bedürfnis der reinen Vernunft) sie anzunehmen verschafft, ohne dass dadurch doch die Vernunft um theoretische Erkenntnisse erweitert, sondern nur die Möglichkeit, die vorher nur Problem war, hier Assertion wird, und so der praktische Gebrauch der Vernunft mit den Elementen des Theoretischen verknüpft wird.
Und dieses Bedürfnis ist nicht etwa ein hypothetisches, einer beliebigen Absicht der Spekulation, dass man etwas annehmen müsse, wenn man zur Vollendung des Vernunftgebrauchs in der Spekulation hinaufsteigen will, sondern ein gesetzliches, etwas anzunehmen, ohne welches nicht geschehen kann, was man sich zur Absicht seines Tuns und Lassens unerlässlich setzen soll.
Es wäre allerdings befriedigender für unsere spekulative Vernunft, ohne diese Umschweife jene Aufgaben für sich aufzulösen, und sie als Einsicht zum praktischen Gebrauch aufzubewahren. Allein es ist einmal mit unserem Vermögen der Spekulation nicht so gut bestellt. Diejenigen, welche sich solcher hohen Erkenntnisse rühmen, sollten damit nicht zurückhalten, sondern sie öffentlich zur Prüfung und Hochschätzung darstellen. Sie wollen beweisen. Wohlan, so mögen sie denn beweisen, und die Kritik legt ihnen, als Siegern, ihre ganze Rüstung zu Füßen.
Quid statis? Nolint. Atqui licet esse beatis. Da sie also in der Tat nicht wollen, vermutlich weil sie nicht können, so müssen wir jene doch nur wiederum zur Hand nehmen, um die Begriffe von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, für welche die Spekulation nicht hinreichende Gewährleistung ihrer Möglichkeit findet, in moralischem Gebrauch der Vernunft zu suchen und auf demselben zu gründen. Hier erklärt sich auch allererst das Rätsel der Kritik, wie man dem übersinnlichen Gebrauch der Kategorien in der Spekulation objektive Realität absprechen, und ihnen doch, in Ansehung der Objekte der reinen praktischen Vernunft, diese Realität zugestehen könne; denn vorher muss dieses notwendig inkonsequent aussehen, solange man einen solchen praktischen Gebrauch nur dem Namen nach kennt.
Wird man aber jetzt durch eine vollständige Zergliederung der letzteren inne, dass gedachte Realität hier gar auf keine theoretische Bestimmung der Kategorien und Erweiterung des Erkenntnisses zum Übersinnlichen hinausgehe, sondern nur hierdurch gemeint sei, dass ihnen in dieser Beziehung überall ein Objekt zukomme; weil sie entweder in der notwendigen Willensbestimmung a priori enthalten, oder mit dem Gegenstand derselben unzertrennlich verbunden sind, so verschwindet jene Inkonsequenz; weil man einen anderen Gebrauch von jenen Begriffen macht, als spekulative Vernunft bedarf. Dagegen eröffnet sich nun eine vorher kaum zu erwartende und sehr befriedigende Bestätigung der konsequenten Denkart der spekulativen Kritik darin, dass, da diese die Gegenstände der Erfahrung, als solche, und darunter selbst unser eigenes Subjekt, nur für Erscheinungen gelten zu lassen, ihnen aber gleichwohl Dinge an sich selbst zum Grunde zu legen, also nicht alles Übersinnliche für Erdichtung und dessen Begriff für leer an Inhalt zu halten, einschärfte. Praktische Vernunft jetzt für sich selbst, und ohne mit der spekulativen Verabredung getroffen zu haben, einem übersinnlichen dem Gegenstand der Kategorie der Kausalität, nämlich der Freiheit, Realität verschafft (obgleich, als praktischem Begriff , auch nur zum praktischen Gebrauch), also dasjenige, was dort bloß gedacht werden konnte, durch ein Faktum bestätigt.
Hierbei erhält nun zugleich die befremdliche, obzwar unstreitige Behauptung der spekulativen Kritik, dass sogar das denkende Subjekt ihm selbst, in der inneren Anschauung, bloß Erscheinung sei, in der Kritik der praktischen Vernunft auch ihre volle Bestätigung, so gut, dass man auf sie kommen muss, wenn die erstere diesen Satz auch gar nicht bewiesen hätte. Hierdurch verstehe ich auch, warum die erheblichsten Einwürfe wider die Kritik, die mir bisher noch vorgekommen sind, sich gerade um diese zwei Angel drehen, nämlich, einerseits, im theoretischen Erkenntnis geleugnete und im praktischen behauptete objektive Realität der auf Noumena angewandten Kategorien, andererseits die paradoxe Forderung, sich als Subjekt der Freiheit zum Noumen, zugleich aber auch in Absicht auf die Natur zum Phänomen in seinem eigenen empirischen Bewusstsein zu machen. Denn, so lange man sich noch keine bestimmten Begriffe von Sittlichkeit und Freiheit machte, konnte man nicht erraten, was man einerseits der vorgeblichen Erscheinung als Noumen zum Grunde legen wolle, und andererseits, ob es überall auch möglich sei, sich noch von ihm einen Begriff zu machen, wenn man vorher alle Begriffe des reinen Verstandes im theoretischen Gebrauch schon ausschließungsweise den bloßen Erscheinungen gewidmet hätte. Nur eine ausführliche Kritik der praktischen Vernunft kann alle diese Missdeutung heben, und die konsequente Denkart, welche eben ihren größten Vorzug ausmacht, in ein helles Licht setzen.
So viel zur Rechtfertigung, warum in diesem Werk die Begriffe und Grundsätze der reinen spekulativen Vernunft, welche doch ihre besondere Kritik schon erlitten haben, hier hin und wieder nochmals der Prüfung unterworfen werden, welches dem systematischen Gang einer zu errichtenden Wissenschaft sonst nicht wohl geziemt (da abgeurteilte Sachen billig nur angeführt und nicht wiederum in Anregung gebracht werden müssen), doch hier erlaubt, ja nötig war; weil die Vernunft mit jenen Begriffen im Übergang zu einem ganz anderen Gebrauch betrachtet wird, als den sie dort von ihnen machte. Ein solcher Übergang macht aber eine Vergleichung des älteren mit dem neuern Gebrauch notwendig, um das neue Gleis von dem vorigen wohl zu unterscheiden und zugleich den Zusammenhang derselben bemerken zu lassen. Man wird also Betrachtungen dieser Art, unter anderem diejenige, welche nochmals auf den Begriff der Freiheit, aber im praktischen Gebrauch der reinen Vernunft, gerichtet worden, nicht wie Einschiebsel betrachten, die etwa nur dazu dienen sollen, um Lücken des kritischen Systems der spekulativen Vernunft auszufüllen (denn dieses ist in seiner Absicht vollständig), und, wie es bei einem übereilten Bau herzugehen pflegt, hintennach noch Stützen und Strebepfeiler anzubringen, sondern als wahre Glieder, die den Zusammenhang des Systems bemerklich machen, und Begriffe, die dort nur problematisch vorgestellt werden konnten, jetzt in ihrer realen Darstellung einsehen zu lassen.
Diese Erinnerung geht vornehmlich den Begriff der Freiheit an, von dem man mit Befremdung bemerken muss, dass noch so viele ihn ganz wohl einzusehen und die Möglichkeit derselben erklären zu können sich rühmen, indem sie ihn bloß in psychologischer Beziehung betrachten, indessen dass, wenn sie ihn vorher in transzendentaler genau erwogen hätten, sie sowohl seine Unentbehrlichkeit, als problematischen Begriffs, in vollständigem Gebrauch der spekulativen Vernunft, als auch die völlige Unbegreiflichkeit desselben hätten erkennen, und, wenn sie nachher mit ihm zum praktischen Gebrauch gingen, gerade auf die nämliche Bestimmung des letzteren in Ansehung seiner Grundsätze von selbst hätten kommen müssen, zu welcher sie sich sonst so ungern verstehen wollen.
Der Begriff der Freiheit ist der Stein des Anstoßes für alle Empiristen, aber auch der Schlüssel zu den erhabensten praktischen Grundsätzen für kritische Moralisten, die dadurch einsehen, dass sie notwendig rational verfahren müssen. Um deswillen ersuche ich den Leser, das, was zum Schlusse der Analytik über diesen Begriff gesagt wird, nicht mit flüchtigem Auge zu übersehen.
Ob ein solches System, als hier von der reinen praktischen Vernunft aus der Kritik der letzteren entwickelt wird, viel oder wenig Mühe gemacht habe, um vornehmlich den rechten Gesichtspunkt, aus dem das Ganze derselben richtig vorgezeichnet werden kann, nicht zu verfehlen, muss ich den Kennern einer dergleichen Arbeit zu beurteilen überlassen. Es setzt zwar die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten voraus, aber nur insofern, als diese mit dem Prinzip der Pflicht vorläufige Bekanntschaft macht und eine bestimmte Formel derselben angibt und rechtfertigt; sonst besteht es durch sich selbst. Dass die Einteilung aller praktischen Wissenschaften zur Vollständigkeit nicht mit beigefügt wurde wie es die Kritik der spekulativen Vernunft leistete, dazu ist auch ein gültiger Grund in der Beschaffenheit dieses praktischen Vernunftvermögens anzutreffen. Denn die besondere Bestimmung der Pflichten als Menschenpflichten, um sie einzuteilen, ist nur möglich, wenn vorher das Subjekt dieser Bestimmung (der Mensch), nach der Beschaffenheit, mit der er wirklich ist, obzwar nur so viel als in Beziehung auf Pflicht überhaupt nötig ist, erkannt wurde; diese aber gehört nicht in eine Kritik der praktischen Vernunft überhaupt, die nur die Prinzipien ihrer Möglichkeit, ihres Umfanges und Grenzen vollständig ohne besondere Beziehung auf die menschliche Natur angeben soll. Die Einteilung gehört also hier zum System der Wissenschaft, nicht zum System der Kritik.
Ich habe einem gewissen, wahrheitsliebenden und scharfen, dabei also doch immer achtungswürdigen Rezensenten jener Grundlegung zur Met. d. S. auf seinen Einwurf, dass der Begriff des Guten dort nicht (wie es seiner Meinung nach nötig gewesen wäre) vor dem moralischen Prinzip festgesetzt wurde, in dem zweiten Hauptstück der Analytik, wie ich hoffe, genüge getan; ebenso auch auf manche andere Einwürfe Rücksicht genommen, die mir von Männern zu Händen gekommen sind, die den Willen blicken lassen, dass die Wahrheit auszumitteln ihnen am Herzen liegt (denn die, so nur ihr altes System vor Augen haben, und bei denen schon vorher beschlossen ist, was gebilligt oder missbilligt werden soll, verlangen doch keine Erörterung, die ihrer Privatabsicht im Wege sein könnte); und so werde ich es auch fernerhin halten.
Wenn es um die Bestimmung eines besonderen Vermögens der menschlichen Seele nach seinen Quellen, Inhalten und Grenzen zu tun ist, so kann man zwar nach der Natur des menschlichen Erkenntnisses nicht anders, als von den Teilen derselben ihrer genauen und (so viel als nach der jetzigen Lage unserer schon erworbenen Elemente derselben möglich ist) vollständigen Darstellung anfangen. Aber es ist noch eine zweite Aufmerksamkeit, die mehr philosophisch und architektonisch ist, nämlich die Idee des Ganzen richtig zu fassen und aus derselben alle jene Teile in ihrer wechselseitigen Beziehung aufeinander, vermittelst der Ableitung derselben von dem Begriffe jenes Ganzen, in einem reinen Vernunftvermögen ins Auge zu fassen. Diese Prüfung und Gewährleistung ist nur durch die innigste Bekanntschaft mit dem System möglich, und die, welche in Ansehung der ersteren Nachforschung verdrossen gewesen, also diese Bekanntschaft zu erwerben nicht der Mühe wert geachtet haben, gelangen nicht zur zweiten Stufe, nämlich der Übersicht, welche eine synthetische Wiederkehr zu demjenigen ist, was vorher analytisch gegeben wurde und es ist kein Wunder, wenn sie allerwärts Inkonsequenzen finden, obgleich die Lücken, die diese vermuten lassen, nicht im System selbst, sondern bloß in ihrem eigenen unzusammenhängenden Gedankengange anzutreffen sind.
Ich besorge in Ansehung dieser Abhandlung nichts von dem Vorwurfe, eine neue Sprache einführen zu wollen, weil die Erkenntnisart sich hier von selbst der Popularität nähert. Dieser Vorwurf konnte auch niemanden in Ansehung der ersteren Kritik beifallen, der sie nicht bloß durchgeblättert, sondern durchgedacht hatte. Neue Worte zu künsteln, wo die Sprache schon so an Ausdrücken für gegebene Begriffe keinen Mangel hat, ist eine kindische Bemühung, sich unter der Menge, wenn nicht durch neue und wahre Gedanken, doch durch einen neuen Lappen auf dem alten Kleide auszuzeichnen. Wenn daher die Leser jener Schrift populärere Ausdrücke wissen, die doch dem Gedanken ebenso angemessen sind, als mir jene zu sein scheinen oder etwa die Nichtigkeit dieser Gedanken selbst, mithin zugleich jedes Ausdrucks, der ihn bezeichnet, darzutun sich getrauen, so würden sie mich durch das Erstere sehr verbinden, denn ich will nur verstanden sein; in Ansehung des Zweiten aber sich einen Verdienst um die Philosophie erwerben. So lange aber jene Gedanken noch stehen, zweifele ich sehr, dass von ihnen noch gangbarere Ausdrücke dazu aufgefunden werden dürften. Auf diese Weise wären denn nunmehr die Prinzipien a priori zweier Vermögen des Gemüts, des Erkenntnis- und Begehrungsvermögens ausgemittelt, und, nach den Bedingungen, dem Umfange und Grenzen ihres Gebrauchs, bestimmt, hierdurch aber zu einer systematischen, theoretischen sowohl als praktischen Philosophie, als Wissenschaft, sicherer Grund gelegt.
Was Schlimmeres könnte aber diesen Bemühungen wohl nicht begegnen, als wenn jemand die unerwartete Entdeckung machte, dass es überall gar kein Erkenntnis a priori gebe, noch geben könne. Allein es hat hiermit keine Not. Es wäre ebenso viel, als ob jemand durch Vernunft beweisen wollte, dass es keine Vernunft gebe. Denn wir sagen nur, dass wir etwas durch Vernunft erkennen, wenn wir uns bewusst sind, dass wir es auch hätten wissen können, wenn es uns auch nicht so in der Erfahrung vorgekommen wäre; mithin ist Vernunfterkenntnis und Erkenntnis a priori einerlei. Aus einem Erfahrungssatze Notwendigkeit (ex pumice aquam) auspressen wollen und mit dieser auch wahre Allgemeinheit (ohne welche kein Vernunftschluss, mithin auch nicht der Schluss aus der Analogie, welche eine wenigstens präsumierte Allgemeinheit und objektive Notwendigkeit ist, und diese also doch immer voraussetzt) einem Urteile verschaffen wollen, ist gerader Widerspruch.
Subjektive Notwendigkeit, d.h. Gewohnheit, statt der objektiven, die nur in Urteilen a priori stattfindet, unterschieben, heißt der Vernunft das Vermögen absprechen, über den Gegenstand zu urteilen, d.h. ihn, und was ihm zukomme, zu erkennen, und z. B. von dem, was öfters und immer auf einen gewissen vorhergehenden Zustand folgte, nicht sagen, dass man aus diesem auf jenes schließen könne (denn das würde objektive Notwendigkeit und Begriff von einer Verbindung a priori bedeuten), sondern nur ähnliche Fälle (mit den Tieren auf ähnliche Art) erwarten dürfe, d.h. den Begriff der Ursache im Grunde als falsch und bloßen Gedankenbetrug verwerfen.
Diesem Mangel der objektiven und daraus folgenden allgemeinen Gültigkeit dadurch abhelfen wollen, dass man doch keinen Grund sähe, anderen vernünftigen Wesen eine andere Vorstellungsart beizulegen, wenn das einen gültigen Schluss abgäbe, so würde uns unsere Unwissenheit mehr Dienste zu Erweiterung unserer Erkenntnis leisten, als alles Nachdenken. Denn bloß deswegen, weil wir andere vernünftige Wesen außer dem Menschen nicht kennen, würden wir ein Recht haben, sie als so beschaffen anzunehmen, wie wir uns erkennen, d.h. wir würden sie wirklich kennen. Ich erwähne hier nicht einmal, dass nicht die Allgemeinheit des Fürwahrhaltens die objektive Gültigkeit eines Urteils (d.h. die Gültigkeit desselben als Erkenntnisses) beweise, sondern, wenn jene auch zufälliger Weise zuträfe, dieses doch noch nicht einen Beweis der Übereinstimmung mit dem Objekt abgeben könne; vielmehr die objektive Gültigkeit allein den Grund einer notwendigen allgemeinen Einstimmung ausmache.
Hume würde sich bei diesem System des allgemeinen Empirismus in Grundsätzen auch sehr wohl befinden; denn er verlangte, wie bekannt, nichts mehr, als dass, statt aller objektiven Bedeutung der Notwendigkeit im Begriffe der Ursache, eine bloß subjektive, nämlich Gewohnheit, angenommen werde, um der Vernunft alles Urteil über Gott, Freiheit und Unsterblichkeit abzusprechen; und er verstand sich gewiss sehr gut darauf, um, wenn man ihm nur die Prinzipien zugestand, Schlüsse mit aller logischen Bündigkeit daraus zu folgern. Aber so allgemein hat selbst Hume den Empirismus nicht gemacht, um auch die Mathematik darin einzuschließen. Er hielt ihre Sätze für analytisch, und, wenn das seine Richtigkeit hätte, würden sie in der Tat auch apodiktisch sein, gleichwohl aber daraus kein Schluss auf ein Vermögen der Vernunft, auch in der Philosophie apodiktische Urteile, nämlich solche, die synthetisch wären (wie der Satz der Kausalität), zu fällen, gezogen werden können. Nähme man aber den Empirismus der Prinzipien allgemein an, so wäre auch Mathematik damit eingeflochten.
Wenn nun diese mit der Vernunft, die bloß empirische Grundsätze zulässt, in Widerstreit gerät, wie dieses in der Antinomie, da Mathematik die unendliche Teilbarkeit des Raumes unwidersprechlich beweist, der Empirismus aber sie nicht verstatten kann, unvermeidlich ist, so ist die größte mögliche Evidenz der Demonstration, mit den vorgeblichen Schlüssen aus Erfahrungsprinzipien, in offenbarem Widerspruch, und nun muss man, wie der Blinde des Cheselden fragen: Was betrügt mich, das Gesicht oder Gefühl? (Denn der Empirismus gründet sich auf einer gefühlten, der Rationalismus aber auf einer eingesehenen Notwendigkeit.) Und so offenbart sich der allgemeine Empirismus als der echte Skeptizismus, den man dem Hume fälschlich in so unbeschränkter Bedeutung beilegte, da er wenigstens einen sicheren Probierstein der Erfahrung an der Mathematik übrig ließ, statt dass jener schlechterdings keinen Probierstein derselben (der immer nur in Prinzipien a priori angetroffen werden kann) verstattet, obzwar diese doch nicht aus bloßen Gefühlen, sondern auch aus Urteilen besteht. Doch, da es in diesem philosophischen und kritischen Zeitalter schwerlich mit jenem Empirismus Ernst sein kann, und er vermutlich nur zur Übung der Urteilskraft, und, um durch den Kontrast die Notwendigkeit rationaler Prinzipien a priori in ein helleres Licht zu setzen, aufgestellt wird, so kann man es denen doch Dank wissen, die sich mit dieser sonst eben nicht belehrenden Arbeit bemühen wollen.