Apodiktische Erklärung über das Buch Irrtum und Wahrheit
Louis Claude de Saint Martin (1789)
Von nachstehenden Briefen ist vorläufig weiter nichts zu sagen, als dass sie echt, das heißt, wirklich zwischen zween Freunden, deren einer in, der andere außerhalb Deutschland lebte, gewechselt worden sind. Dies fand der Herausgeber für nöthig zu sagen, weil gegenwärtig so viel Broschüren in Briefform zum Vorschein kommen, die die Verfasser nur darum wählten, weil sie die unterhaltende ist, und die Materien auch, die sie dem Publikum vorlegen wollten, sich nach derselben ohne Zwang in eine natürliche und leichte Ordnung bringen lassen. Bei den gegenwärtigen Briefen aber kommt, wie uns dünkt, viel darauf an, dass man wisse, sie sind wirklich so, wie sie da liegen, von verschiedenen Personen geschrieben worden. Sie wurden uns von einem ihrer Verfasser mitgetheilet, und wir hielten sie für wichtig genug, ihnen die Publizität zu verschaffen, wozu wir auch die Erlaubnis erhielten. Das Publikum hat an dem, was uns von mehreren Schriftstellern über Katholizismus und Jesuitismus gesagt worden ist, und an den Belegen, die sie zu ihren Behauptungen vom Verfasser des Buchs: Irthum und Wahrheit, von Starken, Lavatern und andern hernahmen, so wie an den jetzigen magnetistischen Bewegungen zu großen Antheil genommen, als dass wir ihm diese Briefe, die davon handeln, vorenthalten könnten. Wir hoffen nicht weniger deutschen Männern, vorzüglich aber denen mit ihrer Herausgabe einen Dienst zu erweisen, die durch so dreiste Behauptungen, dass sich unsere protestantische Kirche jetzt mehr als jemals in Gefahr befände, beunruhiget wurden. Man wird in diesen Briefen manchen nicht ganz unwichtigen Aufschluss über die Sache finden, und sich überzeugen, dass die Antikatholischen Warnungen mit ihren Belegen größtentheils aus der Luft gegriffen waren, und wir, statt auf Gegenanstalten zu denken, Ursach haben Gott für unsre protestantische Sicherheit zu danken. Dies darzuthun, war hierbei unsre Absicht, und wir werden für die scheelen Mienen, die viel unsrer Schriftsteller bei Erblickung dieser Briefe machen dürften, vollkommne Schadloshaltung darin finden, wenn nur einige unserer Leser sie nicht uninteressant finden. Im Christmonat 1788.
Erster Brief
London den 10ten Otbr. 1787.
Gestern, mein Bruder, sprach ich hier einen Deutschen, den Grafen von H – welcher vor kurzem aus unserm gemeinschaftlichen Vaterlande angekommen war, und ließ mir von ihm die merkwürdigsten Neuigkeiten erzählen, mit welchen man sich dort in der gelehrten Republik jetzt trägt. Unter allem, was er sagte, war mir nichts so auffallend, als die Nachricht, die er mir von der Gährung gab, welche seit einiger Zeit in Deutschland und besonders in den brandenburgischen Landen unter vielen Gelehrten, die wenigstens den Namen hätten, über die geheimen Orden entstanden sei. Man beschuldige sie nach seiner Versicherung ganz laut des Katholizismus und Jesuitismus, oder eines heimlichen Bestrebens und sehr künstlich angelegter Machinationen, den Protestantismus unvermerkt zu verdrängen und die katholische Religionsform überall wieder einzuführen, besonders aber den gesunkenen Jesuiterorden herzustellen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass unsre deutschen Gelehrte so inkonsequent sein sollten, allen geheimen Orden solche Absichten zur Last zu legen, da es doch jetzt allgemein bekannt ist, dass die Mitglieder einer sehr ansehnlichen und zahlreichen Ordensgesellschaft und mehrerer andrer, die mit ihr in Verbindung stehen, gleich bei ihrem Eintritt durch den strengsten Eid zu solchen Pflichten, die weder der Religion, noch dem Staat, noch den guten Sitten nachtheilig sind, verbunden werden, auch am Tage liegt, dass jene Gesellschaft zu edlern, heilsamern und menschenfreundlichern Endzwecken arbeitet, als die sein kann, den Protestantismus heimlich zu untergraben. Das hieße doch, gesetzt auch, dass die Ordensglieder von dem Vorzug der papistischen Religion für sich überzeugt wären, welches doch offenbar der Fall nicht ist, Unruhen in protestantischen Staaten veranlassen, und somit seinem einmal geleisteten Eide geradehin zuwider handeln. Ich sagte meinem Landsmann also, dass vielleicht sonst eine geheime Gesellschaft, deren erste und vorzüglichste Trieb- und Springfedern die Jesuiten sein möchten, in unserm Vaterlande existiere, die durch ihr Benehmen unsern protestantischen Gelehrten Anlass zu obigem Verdacht gegeben hätte, und mithin von der bei ihnen die Rede wäre. Allein wie groß war mein Befremden, da er mich durch mehrere Stellen eines gewissen Journals, das er aus der Tasche zog, überzeugte, dass man bei jenem antikatholischen Geschrei nicht nur von den geheimen Orden im allgemeinen spreche, und keinen einzigen von jenen Beschuldigungen namentlich ausnehme, sondern auch Männer mit in den Streit ziehe, die sich’s nie in den Sinn haben kommen lassen, ein Wort zu Gunsten des Katholizismus zu sprechen. Ich erstaunte, da ich bei flüchtiger Durchsicht des Journals fand, dass man geradehin behauptete, auch der Verfasser des Buchs des erreurs & de la verité sei ein arglistiger Jesuit, der nichts anders intendire, als seinen Orden herzustellen. Da wir beide das Buch verstanden, so konnte es freilich nicht fehlen, dass uns diese Behauptung zwang, herzlich zu lachen, und die Urheber derselben zu bedauern. Dann sagte mir mein Landsmann auch von einem Processe, der zwischen einem gewissen Stark und einigen Journalisten sogar vor den weltlichen Gerichten des Katholizismus halber öffentlich geführt würde, konnte mir aber, da er’s selbst nur von Hörensagen hatte, nichts vollständiges und zuverlässiges davon erzählen. Ich bitte Dich daher, mein Bruder, da ich Deine Aufmerksamkeit auf alles, was im Fache der Literatur und der Religion vorgeht, kenne, mir über diesen Punkt, so wie über alle damit in Verbindung stehenden Bewegungen, die ohnfehlbar manchen echten Protestanten, und besonders das lutherische Zion beunruhigen, mehr Auskunft zu geben. Ich will Dich dafür durch Auflösung manches Knotens, der Dir bisher noch zu schaffen machte, gern lohnen. Ich werde noch eine Zeitlang hier bleiben und bin willens, übermorgen aufs Land zu gehen. Schreibe mir unter der Adresse chez Mr. Herries & Comp. á Londres, dann trifft mich dein Brief gewiss, und schreibe bald.
Zweeter Brief
Deutschland, den 19. Dembr. 1787.
Nichts konnte mir angenehmer sein, Bruder, als dass Du mich selbst zu einem Briefwechsel über solche Angelegenheiten unsers Vaterlandes aufforderst, die mir sehr am Herzen liegen, und die seit geraumer Zeit einen wichtigen Theil meines Privatstudiums und meiner Correspondenz mit meinen hiesigen und auswärtigen Freunden ausmachen. Mit Dir will ich unter allen am liebsten von dem, was geheime Gesellschaften, Katholizismus, Jesuitismus, Schwärmerei, Magie, Magnetismus u. s. w. betrifft, mich unterhalten, denn ich weiß nicht nur auf der einen Seite, dass Du selbst ein Mitglied der wichtigsten geheimen Orden bist, dass die sogenannten unbekannten Obern Deine genauesten Freunde sind und Du Gelegenheit hattest, den Geheimnissen bis auf ihren ersten Ursprung nachzugehen, und alles im Detail zu beschauen, und mithin von allen Bescheid geben kannst, sondern ich weiß auch auf der andern Seite, dass Du von langen Zeiten her ein Freund der Wahrheit bist, und dabei – welches hier hauptsächlich in Betrachtung kommt – dass Dich Deine große Erfahrung und ausgebreitete Welt- und Menschenkenntnis vor aller Täuschung sichert. Wer sich so wie Du an allen Höfen umgesehen und mit den Gelehrten erster Größe durch ganz Europa seit mehr als Jahren gehandelt hat, auf alles, was vorging aufmerksam war, und weder Zeit, noch Arbeit und Kosten scheuete, alles genau kennen zu lernen, mit dem lässt sich‘s schon ohne Zeitverderb über solche Sachen sprechen. Es soll mir lieb sein, wenn Du Rede steht. Ich will Dir sagen, was ich weiß. Es hat seine volle Richtigkeit mit dem, was Dir Dein Landsmann in London erzählet hat. Es haben sich seit einigen Jahren mehrere Ganz und Halbgelehrte Deutschlands damit abgegeben, erst über Schwärmerei, und dann über Katholizismus, Lärm zu blasen und ein Geschrei zu erheben, als wenn die ganze protestantische Kirche in Gefahr wäre. Besonders haben sich Gedicke, Biester und Nikolai in Berlin zu Zionswächtern aufgeworfen, und die beiden erstern in einer Monatsschrift, an der sie gemeinschaftlich arbeiten, letzterer aber in der aus mehreren Bänden bestehenden Beschreibung einer von ihm unternommenen ziemlich unbedeutenden Reise so viel Anekdoten und Historietten von geheimen und gefährlichen Anstalten der Jesuiten zur Verdrängung des protestantischen Religionsbekentnisses dem Publiko vorgelegt, dass Du Dir davon im Auslande, da Du den Kram nicht gelesen hast, schwerlich einen Begriff machen wirst. Den Monatsschriftlern glückte es, dass der vortreffliche Garve die Sache einiger Aufmerksamkeit würdigte, und ihnen die Ehre anthat, sich darüber mit ihnen in Briefwechsel einzulassen, den sie zwar in der Absicht, um ihrem Journal Wichtigkeit zu verschaffen, aber eben nicht zu ihrer Ehre mit abdrucken ließen. Garve demonstrierte ihnen aus den einleuchtendsten historischen und philosophischen Gründen, dass die Zeiten vorbei wären, in denen die Protestanten vom Papst und seinem Anhange etwas zu fürchten hätten; und gesetzt auch, dass hier und da einige Jesuiten dahin arbeiteten, den Katholizismus und ihren Orden zum Schaden der Protestanten wieder aufzurichten, so würde es ihnen doch durch die Fortschritte, welche Wissenschaft, Philosophie und Sprachkenntnis, besonders aber die Cultur des menschlichen Verstandes in unsern Zeiten gemacht hätten, immer unmöglich bleiben, etwas auszurichten. Man müsste die Leute erst wieder so dumm machen, als sie vor Luthers Zeiten waren, ehe jene wieder festen Fuß fassen könnten. Kurz, alles was er darüber mit der ihm eigenen Präzision sagte, war mir wie aus der Seele gestohlen, und musste jedem unbefangenen Leser einleuchten; aber es fehlete nicht viel, dass ihn Biester und Gedicke darüber selbst zum geheimen Emissar der Jesuiten gemacht hätten. Sie waren so indiskret, dem Herrn Garve, der ihnen doch an Kopf und Kräften unbeschreiblich überlegen ist, ins Angesicht zu sagen, dass ihm die Breslauer Patres, mit denen er freundschaftlich lebe, schon einen blauen Dunst vorgemacht und den rechten Gesichtspunkt verschoben hätten. Jeder unpartheische Leser ärgerte sich über die Impertinenz dieser Männer, die doch offenbar nur zwo Stimmen im Publiko haben, zu behaupten, dass sie den einzigen wahren Gesichtspunkt gefasst hätten, und alles übersähen, jeden andern aber, der nicht in ihr Horn mit stoßen wollte, selbst einen Garve, als einen Verblendeten und Kurzsichtigen auszuschreien. Der Philosoph hatte sich so etwas nicht versehen, brach deshalb ab, und hat bis hierher kein Wort wieder darüber öffentlich verloren. Indes erreichten doch jene durch das Interesse, welches Garve an der Sache genommen hatte, die Absicht, ihrem Lärmblasen den Anstrich von Wichtigkeit zu geben und die Neugierde des deutschen Publikums noch mehr zu reizen. Nun sammelten sie Anekdoten über Anekdoten, sprachen von katholischen Schulseminariis, die heimlich unter den Protestanten existieren, von jesuitischen Emissarien, die in Uniform und Federhüten an protestantischen Häfen ihr Werk treiben sollten, und Gott weiß, was sie alles noch mehr anzuführen wussten. Jede Erscheinung musste nun in ihren Kram passen. Bemerkten sie irgendwo einen Mann von einiger Bedeutung, der‘s nicht für gut fand, seine Bestimmung einem jeden Journalisten auf die Nase zu hängen, so war‘s ein heimlicher Jesuit; fanden sie ein Buch, das sie nicht verstanden, so musste’s ein Werkzeug der Jesuiten sein, den Protestanten den Katholizismus appetitlich zu machen. Darfst Du Dich da wohl wundern, Bruder, wenn der Verfasser des erreurs x. hier hauptsächlich mit im censum kam. Von diesem behaupten sie geradezu und machen sich anheischig, es mit unwidersprechlichen datis zu beweisen, dass er ein Jesuit sei, und mit jenem Buche sowohl als mit dem: Tableau naturel des rapports, qui existent entre Dieu, l‘homme & l’univers zu dem Zweck arbeite, uns arme sorglose Protestanten wieder in den Schoß der lieben Mutter zurückzuführen. Ich kann nicht leugnen, mein Bruder, dass diese so zuversichtlich gethane Behauptung mich selbst äußerst stutzig macht. Denn schon seit geraumer Zeit haben obige Bücher einen großen Antheil an meinem Privatstudium, und da meine angewandte Bemühung in das System derselben einzudringen nicht ganz fruchtlos blieb, so war mir‘s schon immer etwas auffallend und schmerzlich, wenn man diese Schriften für puren platten Unsinn ausgab. Indes gedachte ich der vorigen Zeiten und fand bei genauer Untersuchung der Genealogie meiner Kenntniss, dass mir’s weiland ebenso würde gegangen und ich vor 7. 8. Jahren auch noch in dem Fall gewesen sein, so etwas für Unsinn zu halten. Denn der Mensch im Ganzen genommen ist nur gar zu geneigt, das was Er nicht versteht, geradehin für unverständlich, und für etwas, das nahe daran grenzt, für Unsinn zu halten. So söhnte ich mich auf meiner Studierstube immer bald wieder mit denen aus, die das Buch von der Seite angriffen, und mir damit selbst in den Weg traten. Aber so versöhnlich bin ich nicht, wenn man den Verfasser boshafter Absichten beschuldigt. Denn ich kenne ihn ja, und habe die evidentesten Beweise, dass er ein Freund der Wahrheit ist. Gleichwohl bin ich nicht vermögend ihn gegen jene Beschuldigung der Berliner Geribenten öffentlich zu rechtfertigen. So gewiss ich auch seine Schriften gegen alle jesuitischen Kunstgriffe vertheidigen kann, so wenig bin ich doch Rechenschaft zu geben im Stande, ob er selbst nicht einst zum Jesuiterorden gehöret habe? Denn wenn man einen Mann von Kopf und Herzen kennen, genauer kennen lernt, und ihn liebgewinnt, hat man auch nur den Gedanken, zu fragen „bist Du einst ein Jesuit gewesen?“ Aber nun da man dies dreist und öffentlich behauptet, will ich‘s wissen, um zu erfahren, ob vielleicht jesuitische Grundsätze auf seinen Vortrag Einfluss gehabt, und er wider seinen Willen bei Leuten, die scharfsichtiger, denn ich wären, den Verdacht des Jesuitismus erweckt habe? Mir ist‘s also lieb, mein Bruder, dass Du mich selbst auf das Kapitel bringst. Ehe ich Dir nun Deine Frage wegen des Injurien- und Ketzerprocesses beantworte, welches in meinen künftigen Briefen geschehen soll, bitte ich Dich recht angelegentlich, mir über die Frage „ob der Verfasser des obbenanten Buchs ein Jesuit gewesen, oder actu noch sei?“ Auskunft zu geben, oder welches mir und allen meinen hiesigen Freunden lieber wäre, ihn, da Du fast stets mit ihm lebst, zu veranlassen, dass er sich gegen die ihm desfalls gemachten Beschuldigungen selbst rechtfertige. Ja, mein Bruder, sage diesem Deinem Busenfreunde in meinem Namen, dass sein Buch, welches ich für meinen Theil nie ohne Ehrerbietung zur Hand nähme, in den deutschen Journalen als der gräulichste Unsinn herunter gemacht, und er erstaunen würde, wenn er alle die horrenden und entehrenden Urtheile darüber lesen sollte, wobei denn der gute biedere Claudius, als sein Übersetzer, allezeit schrecklich mit herhalten müsste; ich ersuchte ihn deshalb einen Knüttel unter die Hunde zu werfen und darzuthun, dass er nicht Katholizismus predige, sondern dass er von wichtigen – den Menschen als Menschen betreffenden – Wahrheiten spreche. Ob er ein Eriesuit sei (welches besonders Nikolai in Berlin durch seine weitläufige Correspondenz herausgebracht haben will) oder nicht, darauf kommt meines Erachtens nicht viel an. Indes: wenn‘s nicht wäre, und jene so zuversichtlich gethane Behauptung apodiktisch widerlegt werden könnte, dann würde auch vieles andre fade Geschwätz von selbst übern Haufen fallen. So viel also für heute. Ich wünsche Dir unter der Bedingung, dass Du mir bald antwortest, recht wohl zu leben.
Dritter Brief
Kensington, den 12. Febr. 1788.
Dein letzter Brief, mein lieber Bruder, hat mir Gelegenheit gegeben, mit meinem alten Freund und Sub-Rektor (denn wir kennen und bekennen beide unser aller Herrn und Meister) eine weitläufige Unterredung über Wahrheit und Irthümer, Freimaurerei, Proselytismus und Jesuitismus zu halten. Ich hatte auf meiner letzten Reise von Moskau über Wien nach Venedig 2 Bücher aufgefangen, in denen ich ganz sonderbare Deutungen des Buchs des erreurs & x. gefunden habe. Das eine ist: Enthüllung des Systems der Weltbürger Republik. Rom 1786. Das zweite: Vorläufige Darstellung des heutigen Jesuitismus, Rosenkreuzerei, Proselytenmacherei und Religionsvereinigung. Deutschland, 1786. und in London hatte ich, wie ich Dir vorigesmal schrieb, durch den Grafen H – Gelegenheit, einige Stücke des Berliner Journals zu sehen. Einige Stellen zeichnete ich aus, und gab sie dem Freunde zur Erbauung. Er glaubte, dass ich ihn damit zum Besten haben und mir einige frohe Augenblicke auf seine Unkosten machen wollte. Dann übersetzte ich ihm die Stelle aus Deinem Briefe, die zur obigen Erklärung einstimmt, und versicherte ihm mit einem Warlich, dass verschiedene gelehrte Männer meines Vaterlandes einen jesuitischen Sinn in seinen zwey Büchern fänden. Vor wenigen Tagen gab er mir einen Brief, den er im Namen eines Freundes, des Verfassers dieser Bücher aufgesetzt hatte, mit der Erlaubnis, damit zu machen, was ich wollte. Ich schicke Dir solchen hierbei. Mache ihn auf eine Art, die Du selbst für gut findest, öffentlich bekannt. Vielleicht macht er Eindruck auf einen verleiteten Theil des deutschen Publikums. Der Inhalt des Briefs ist wichtig, und jeder, der der Sache nur etwas kundig ist, wird den Verfasser leicht fühlen. Der wackere Mann hat mich gestern Abend verlassen und ist nach einem zweimonatlichen Aufenthalt nach – zurückgegangen. Ich erinnere aber, dass die Abschrift des Briefs von jemandem besorgt werden muss, der die französische Sprache vorzüglich versteht und insbesondere die Rechtschreibung weiß. Ein einzigs falsch geschriebenes Wort bringt oft Unsinn mit sich, und der ist hier schlechterdings zu vermeiden. Melde mir dann den Erfolg davon. Für heute will ich Dir nur noch einige Auskunft über die Bücher meines Freundes en générel mittheilen. Das Buch des erreurs soll eigentlich kein corpus doctrinae arcanae sein; es ist nur in die Welt geschickt, um die Menschen aufzuwecken, und auf ihre eigenen Angelegenheiten aufmerksam zu machen. So groß und wichtig die Wahrheiten sind, die der Verfasser darin anzeigt, so sicher ist auch der Weg, dazu zu gelangen, und er ist in der letzten Zeile des Buchs enthalten. Das andre: Tableau naturel enthält (einige dem Verfasser eigene Meinungen in geringer Anzahl ausgenommen) wichtige Aufschlüsse großer Wahrheiten, die größtentheils nur in der Gesellschaft, zu der er gehört, und die ich das Glück habe, genau zu kennen, entwickelt werden. Das was darin hebräische Literatur und Erklärungen sind, ist zwischen ihm und mir diskutieret worden. Das TP-O in der bekannten Stelle Hiobs von der Auferstehung hat uns beinah eine halbe Nacht beschäftigt. Bis an mein Ende wird‘ ich mich mit Freuden der glücklichen Stunden erinnern, die ich mit diesem weisen Mann im Schoß der Freundschaft und des innigsten Zutrauens verlebt habe. Meine Zeit ist heute sehr eingeschränkt, daher weiter nichts mehr, als dies, dass es mit meiner Gesundheit, die, wie du aus meinen vormaligen Briefen weißt, durch die beständigen und auf solchen Reisen nicht zu vermeidenden Abwechselungen des Klimas und der Diät einen großen Stoß bekam, täglich besser geht. Lebe wohl!
Kopie des Briefs vom Verfasser der Bücher des erreurs & x. und Tableau naturel & x.
Nein, mein Herr, weder in dem Buche über Irthum und Wahrheit, noch in dem, das den Titel führt, natürliches Verhältnis u. ist die Rede von Wiederherstellung des Jesuiterordens. Ich kann Ihnen davon Rechenschaft geben, da ich mit dem Verfasser in der genauesten Verbindung stehe. Ebenso kann ich bezeugen, dass er in seinem Leben nie mit den Gliedern dieser Gesellschaft in dem geringsten Verhältnisse gestanden, auch nicht einmal ihre Schriften gelesen hat. Ohne Zweifel hat er sich wohl nicht schmeicheln können, dass die Werke, welche er herausgab, allezeit in ihrem wahren Sinne würden genommen werden; aber unter allen Auslegungen, die darüber entstehen konnten, war gewiss diejenige, von der Sie reden, die letzte, die er sich würde haben einbilden können.
In der That konnte er wohl, da er von dem Ursprung der Dinge, von der Würde des Menschen in seinem Ursprung, von der Endursache aller Wesen, mit einem Worte, von allen den Wundern, deren der menschliche Verstand empfänglich ist, handelt – konnte er, sage ich, bei der Auseinandersetzung dieser und ähnlicher Gegenstände wohl erwarten, dass man hier die Jesuiten sehen würde? Warum bemerkte man nicht, dass der Sinn ebenso weit unter seiner Allegorie sein würde, als er sich über sie erheben sollte, so wie ein Gebäude sich über das Gerüst erhebt, das zu seiner Erbauung diente? Das Projekt, welches einige meinem Freunde andichten, könnte man eben sowohl allen denen Schuld geben, die viele Jahrhunderte vor ihm das nämliche Subjekt bearbeiteten. So müsste auch Orpheus, wenn er in seinen erhabnen Hymnen die Würde der Götter, und die Geheimnisse, welche die Hierophanten ihren Eingeweiheten anvertraueten, besingt, auf die Jesuiten ein Absehen gerichtet haben. So müsste Pythagoras, wenn er seinen Schülern die Gesetze der Zahlen erklärte und die Geheimnisse der Natur enthüllete, die Jesuiten im Gesicht gehabt, und Virgilius ebenfalls von ihnen geredet haben, wenn er seinen Helden in die Hölle führt und ihn dort durch die Sibylle über die Götterlehre der Alten und über den thätigen und allgemeinen Einfluss des höchsten Prinzipiums auf alle Welten unterrichten lässt. Ohne meinen Freund mit jenen großen Männern in eine Reihe zu stellen, kann ich doch betheuern, dass seine Schriften den nämlichen Zweck haben, und die nämlichen Wahrheiten wiederholen, die man bei jedem Schritt in den ihrigen findet. Er hat sich überall auf den wichtigen Unterschied des physischen und intellektuellen Menschen, woraus gegenwärtig unser Dasein besteht, gestützt, weil er lebhaft durch die Kränkungen gerührt wurde, welche die neuere Philosophie dem Adel unsers denkenden Wesens zufügt, indem sie es mit den bloß thierischen Wesen vermengt, und er hat gezeigt, dass man der Philosophie zugeben könne, dass wir unsere Gedanken durch die Werkzeuge der Sinne erhalten, ohne ihr deswegen eingestehen zu müssen, dass unsere Sinne die Erzeuger derselben wären. Ebenso ist unser Ohr der Kanal der Worte, die man an uns richtet, ohne sie indessen hervorzubringen, noch auch an den Ideen theilzunehmen, die diese Worte in unserm Verstande veranlassen, und dass jene ganz unstreitig aus einer äußeren Quelle zu uns kommen, weil sie sich in den Personen befinden, die mit uns reden. Er hat fühlbar gemacht, dass dieser vermischte Zustand, aus dem wir gegenwärtig zusammengesetzt sind, da er dem einfachen Begriff der Einheit, von der wir innerlich bearbeitet werden, entgegengesetzt ist, unser ursprünglicher Zustand nicht habe sein können, und dass er zu gleicher Zeit die Ursach der Verwirrung, des Verlangens nach Erkenntnis, der Finsternis und Unwissenheit sei, auf der die Menschenfamilie wie auf einem unruhigen Meere ohne sichern Hafen schwimmt. Ebenso macht er begreiflich, dass diese Einheit, von der wir so weit entfernet sind, sich in allen ihren Werken uns zu nähern suche, dass sie alle Wissenschaften vereiniget und die ganze Natur durch ein und eben dasselbe Prinzipium verbunden habe, damit diese Fackel unserer Vernunft zum Wegweiser diene mitten unter den Veränderungen und Unordnungen, die wir ebenfalls in der Natur wahrnehmen können. Er macht deutlich, dass diese oberste Einheit dem Menschen auch noch kostbarere Geschenke gemacht habe, indem sie ihm von Zeit zu Zeit nähere Zeichen ihrer Gegenwart gebe. Er thut dar, dass alle mythologischen und religiösen Traditionen, so entstellt sie auch immer sein mögen, ebenso viel besondere Gunstbezeugungen der Gottheit für den Menschen seien, und dass eben diese Gunstbezeugungen auf der Erde zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten haben bemerkbar werden müssen, denn wie hätten sonst, wenn es wahr ist, dass die Dinge erst unsre Sinne berühren, ehe sie in unsern Verstand kommen, so majestätische und so tröstende Begriffe in unserm Geiste und im Herzen des Menschen entstehen können, wenn seine Sinne niemals stark davon wären gerühret worden? Noch weiter lehrete er, dass diese höchste Einheit, indem sie den Menschen ganz besonders zu ihrem Augenmerk machte, das ganze menschliche Geschlecht als eine einzige Familie betrachtet, und hierdurch die Menschen verbunden habe, sich als Brüder anzusehen. Dies sind die vornehmsten Grundwahrheiten, auf die sich alle seine Schriften stützen. Er hält‘s für möglich, dass ein Jesuit ebenso wohl als ein Iman und ein Mandarin die nämlichen Ideen haben könne, weil dieselbe Wahrheit sich in allen Welttheilen veroffenbaren kann; aber er zweifelt, dass dies der Fall sein werde in Verbindung mit eben den Grundsätzen, wenn es bei Mandarins, Imans und Jesuiten geschehe.
Zu gleicher Zeit glaubt er, dass diese obgleich abstrakten Grundsätze, da sie sich nichts destoweniger auf eine strenge Logik gründen, den Geist mit Nutzen vorbereiten und verwahren können sowohl vor Betrug als Unglauben bei den außerordentlichen Dingen, von welchen Europa heut zu Tage erschallt, und unter welchen Schwedenborgs Werke einen beträchtlichen Platz einnehmen. Dieser respektable Mann gründet alle seine Verkündigungen nur auf zwei Zeugnisse, und diese sind die heil. Schrift und seine eignen Visionen. Doch man weiß ja, dass diese bei den Zeugen bei den Philosophen und Leuten dieser Welt wenig Glauben haben. Aber wenn unser Beurtheilungs- und Erkenntnisvermögen uns die Möglichkeit aller dieser großen Dinge vorher hätten fühlen lassen, indem es uns über unsre eigne geistige Natur, und über unsere allgemeinen Verhältnisse mit dem, was unsern Sinnen verborgen ist, die Augen öffnete, so würden wir weniger erstaunen, von außerordentlichen Begebenheiten erzählen zu hören; wie würden weniger neugierig, etwas davon zu sehen, und vielleicht mehr im Stande sein, bei vorkommenden Fällen zu unterscheiden, ob sie aus einer lautern oder unlautern Quelle herflössen; denn da alles hienieden zusammengesetzt ist, so kann man nichts weiter vermuthen, als dass alle Resultate davon einfach und durch ein einzigs und eben dasselbe Prinzipium hervorgebracht sind; und das ist der Dienst, welchen mein Freund seinen Lesern so gern leisten wollte. Auch hat er eine noch viel wichtigere Wahrheit auseinandergesetzt, welche das Complement aller Wahrheiten ist. Er hat dargethan, dass alle die besondern Gnadenbezeugungen, welche die Gottheit den sündigen und sterblichen Menschen erwiesen hat, ihnen unnütz gewesen sein würden, wenn sie nicht den großen Wiederhersteller gesandt hätte, um sie aus dem Abgrund zu retten, wohin sie die Sünde gestürzt hatte; und dass, da sonst nichts zwischen Gott und dem Menschen war, dies Wesen, welches kam, uns durch das Opfer seiner Liebe zu erkaufen, den Charakter und das vollkomme Ebenbild dieser Gottheit in sich gehabt haben müsse, ohne welches es uns nicht die wahre Form, nach der wir ursprünglich gebildet sind, würde haben darbieten, und wir unsere Gleichheit mit ihm nicht würden haben wiederherstellen können. Das ist jenes göttliche Licht, dessen Strahlen auf allen Seiten der heil. Schrift und der Propheten durchbrechen; dies ist jenes Wesen, welches den Schlüssel Davids besitzt, nämlich den Schlüssel, der öffnet und niemanden zuschließt, zuschließt und niemanden aufthut; das ist der, in dessen Namen sich beugen sollen alle Knie im Himmel, auf Erden und unter der Erden, kurz, das ist der, der uns Lehre und Beispiel von allen Tugenden gegeben hat, die wir lieben und ausüben sollen, um uns mit ihm zu vereinigen, wenn wir uns erneuern wollen. Dieses mächtige Wesen, den einigen Retter, den einigen Wiederhersteller, den einigen Heiligen stellen die Schriften meines Freundes unter dem Namen derjenigen thätigen und verständigen Ursache dar, die durch ihre schöpferische und zeitliche Kraft die ganze Natur hervorbringt und regiert, und durch ihre göttliche und geheiligte Macht denen, die sie mit Vertrauen und Demuth suchen, das Leben gibt. Einige Personen, sagen Sie, mein Herr, haben nichts als den General der Jesuiten darinnen gesehen. Mein Freund hält es für unnütz der Art Leuten hierauf zu antworten. Diese sind noch durch ein Werk beunruhiget worden, das unter dem Titel: Nachtrag über Wahrheit und Irthum heraus kam. Mein Freund weiß nicht, ob dessen Verfasser ein Jesuit sei oder nicht; aber das kann er versichern, dass dieser Verfasser sogar die ersten Grundlinien desjenigen Werks, dessen Fortsetzen er sich zu nennen sich nicht scheuete, ignoriere. Das Buch über Irthum und Wahrheit hat das geistige Wesen des Menschen und seine Superiorität über seine materiellen Fesseln klar bewiesen. Der vorgebliche Fortsetzer, der eben nicht tiefer als unsere neuern Philosophen in die Erkenntnis unseres denkenden Wesens einzudringen scheint, hat sie wie jene nicht anders als durch die Sinne erklären können; und weil er die Schwierigkeit nicht zu heben wusste, so entdeckte er auf einmal ebenso seine wenige Ehrliebe als Einsicht.
Nach allen diesen Zeugnissen glaubt mein Freund nicht mehr nöthig zu haben, sich gegen die Beschuldigungen von jesuitischer Proselytenmacherei zu entschuldigen. Sie, mein Herr, können in dieser Hinsicht diejenigen beruhigen, die Ihnen desfalls ihre Besorgnisse mitgetheilet haben. Er hat in den Büchern Mosis gelesen, dass die Gottheit in den alten Zeiten die Nationen geduldig ihre eignen Wege wandeln ließ; was kann er dafür, wenn heut zu Tage dieser Plan der Weisheit verhindert wird? Ob er gleich meint, dass seine herausgegebenen Werke die Menschen zu jenen heilsamen Grundsätzen zurückführen könnten, und ob er gleich sehnlich und aufrichtig wünscht, dass die Menschen mit nichts beschäftiget sein möchten, als das geistige Wesen, welches sie belebt zu reinigen, aufzuklären und zu heiligen, so verschließt er doch diesen Wunsch in sich selbst und würde sich nicht einen einzigen Schritt erlauben, nur einen Proselyten zumachen. Wenn es auch wahr wäre, dass er glücklich genug gewesen sein dürfte, einigen guten Samen in das Feld der Menschen gestreuet zu haben, so würde er doch wie der Ackermann der Vorsehung die Sorge überlassen, ihn zum Fruchttragen und zur Reife zu bringen. Er verlangt gar nicht von den Menschen, an ihn zu glauben, sondern er fordert nur von ihnen, dass sie an sich selbst und an den unsterblichen Keim glauben sollen, der ihnen einen so hervorstechenden Rang in der Reihe der Wesen gibt; er macht’s ihnen nur zur Pflicht, dass sie glauben sollen an die Macht und Liebe jenes heiligen Urhebers, der sie aus seinem Busen hervorgezogen hat und seine Augen über sie als sein kostbarstes Erzeugnis offen hält; er verbindet sie nur dazu, an die allgemeinen Schätze zu glauben, die dieser thätigen, verständigen und göttlichen Ursach zuständig sind, die für den Lehrbegierigen stets geschäftig und immer bereit ist, Tröstungen in das Herz derer zu gießen, die sich ihrem Dienst ergeben und sich durch nichts als durch ihre Einfalt und Standhaftigkeit auszuzeichnen suchen. Ich kenne an meinem Freund keine andre Proselytensucht als diese, und man muss eingesehen, dass es keine gebe, die weniger gefährlich sei, und weniger Ursach habe sich zu bemänteln. Auch ist nicht zu befürchten, dass diese Proselytenmacherei große Eroberungen machen werde. Denn da sie auf anhaltende Ausrottung des alten Menschen, auf Verleugnung alles dessen, was elementarisch und irdisch ist, auf ernste Sorgfalt dringt, alles das, was rein und himmlisch ist, in uns herzustellen, wie kann man da erwarten, dass viel Sterbliche zu dieser Fahne schwören werden. Ich bin x.
Vierter Brief.
Deutschland, den 18. März 1788.
Dein Brief d. d. Kensington den 12. Febr. war mir aus einem dreifachen Grunde herzlich willkommen, mein liebster Bruder; einmal weil es ein Brief von Dir war; dann weil er ein für mein Herz so erquickendes Zeugnis von Deiner täglich zunehmenden Gesundheit enthielt; und endlich, weil ich damit meinen Wunsch erfüllt fand, von der Hand Deines Freundes selbst eine Vertheidigung gegen die ihm angeschuldigte Proselytenmacherei zu lesen. Sobald ich diese erhielt, gab ich sie sogleich einem meiner hiesigen Freunde, der nicht nur ein guter Franzose, sondern auch ein denkender Schüler des Ph-inc – ist, zur Übersetzung, und nachmals nahm ich, der ich das Buch des erreurs & c. einigemal durchstudieret hatte, und mit seinem System einigermaßen bekannt war, letztere mit ihm gemeinschaftlich unter die Kritik. Dies setzte uns in den Stand, noch einige Verbesserungen anzubringen und den Sinn in manchen Stellen richtiger auszudrücken. Die Publizität will ich dem Aufsatz bald verschaffen, ob ich gleich über die Art, wie das am besten geschehen kann, noch nicht mit mir einig bin. Sollst künftig davon Nachricht haben.
Nun meine Meinung über diesen Brief selbst. Das vornehmste, was zur Rechtfertigung des Verfassers dient ist, dass er nun geradehin sagt: er rede nicht vom General der Jesuiten oder vom Pabst, sondern von Jesu Christo. Nachdrücklicher konnten nun freilich die Behauptungen unserer deutschen Scribenten, dass das Buch ein gar gefährliches jesuitisches Buch sei wohl nicht ad absurdum reduzieret werden. Wie aber, wenn der Verfasser irgendein Kapitel z. B. das vom Quadrat herausgehoben und in einer jedermann verständlichen Sprache entziffert hätte? Dann würden sich sowohl die, welche alles, was er sagt, für platten Unsinn ausgaben, als auch die, welche einen jesuitischen Sinn in seinen Schriften fanden, ihrer Lästerungen noch mehr schämen müssen. Doch das hat seine Schwierigkeiten, die jeder Sachkundige leicht übersieht. Einstweilen kann und wird dies schon zu seiner Vertheidigung große Dienste thun.
Es ist ein wahrer Ekel, das Geschmiere zu lesen, womit man in Betreff jener Bücher und ihres Verfassers das Papier in einigen unserer Journale besudelt hat. Einer und derselbe Kritiker konnte bald nichts als mystischen Unsinn finden und keinen Gran Menschenverstand aus den Büchern von Anfang bis zu Ende heraus bringen, bald aber war ihm alles wieder so deutlich, so verständlich, dass er sich über die Maße verwunderte, wie nicht jedermann mit seinen zwei Augen die darin gelegten jesuitischen Schlingen bemerkte. Schon dieser Widerspruch in den Äußerungen unserer Monatsschriftler hätte unbefangene Leser misstrauisch machen und sie bewegen sollen, ihr Urtheil vor der Hand noch zu suspendieren. Und in der That war dies bei sehr vielen Lesern der Fall. In meinem ziemlich weitläufigen Bekanntschaftszirkel war immer noch die Meinung des verständigern.“ Theils die:
„unsere Journalisten wüssten selbst nicht, … was sie aus den Büchern eigentlich machen sollten, und also sei es unartig von ihnen, zu verlangen, dass sich jedermann auf ihr fic censemus sogleich dagegen erklären sollte.“
Wer aber nur einigermaßen Bescheid wusste, für den war‘s lustig solche Entzifferungen der wichtigsten Ausdrücke zu lesen, wie ich Dir hier eine aus den Berliner Orakeln mittheilen will. Hommes sollen die Jesuiten, Nature die nostros, Etre, Dieu und Principes fuperieures ihren General bedeuten & x. O der künstlichen Deschiffrierkunst! Das heißt doch schwören, dass alles, was man sieht, gelb sei. Wer die Ausdrücke nun sowohl einzeln als in ihrem Zusammenhange richtig versteht, ist‘s dem wohl zu verdenken, wenn er sich des Lachens nicht enthalten kann? Und das wollen doch die hochgelehrten aufgeklärten Leute, die alles richten und meistern, nicht gelten lassen. Stark habe in der Hauptsache recht oder nicht, so hat er doch darin nicht unrecht, wenn er so etwas Tollhäuslerei nennt, da man den Worten eines Schriftstellers, den man nicht versteht, und nach seinen einmal angenommenen Prinzipien nicht verstehen kann, sogleich die möglich schlimmste Deutung gibt und berühmte Namen können gegen verdiente Vorwürfe nicht schützen.
Ha! ad vocem Stark fällt mir ein, dass ich Dir auf Deine Frage wegen des von ihm geführten und durch ganz Deutschland berüchtigten Injurien- und Ketzerprocesses Antwort schuldig bin. Hier hast Du wenigstens den Anfang davon. Der gewisse Stark, wie Du ihn nanntest, ist Lutherischtheologischer Doktor, Definitor, Generalsuperintendent zu Hessen-Darmstadt und Beichtvater des dasigen Hofs, und war ehedem Professor zu Königsberg; ein Mann von entschiedener Gelehrsamkeit, von großer Welt- und Menschenkenntnis, und besonders von solchen Erfahrungen, dass wenn er‘s für thunlich fände, gewisse Resultate derselben mitzuteilen, seine Gegner Mund, Augen und Ohren aufsperren würden. Er hat im Fache der theologischen Literatur verschiedene Schriften herausgegeben, und man hatte um ihrentwillen überall Respekt für ihren Verfasser, weil ausgesuchte Kenntnis der Sprachen und Kirchengeschichte, genaue Bekanntschaft mit den vorzüglichsten und echtesten Quellen der letzten, und gesunde Beurtheilungskraft in jeder Zeile hervorstechend war. Auch sprachen Kritiker und Kritikaster, die doch gern alles wie Schmeißfliegen mit ihrem Unrath besudeln, stets mit Ehrerbietung von ihm und seinen Arbeiten. Außer diesen hat er aber noch verschiedene und für fachkundige Leser belehrende maurerische Schriften herausgegeben, von welchen ich selbst das Buch: vom Zweck des Ordens, und das: über alte und neue Mysterien mit großem Nutzen gelesen habe. Unter den Freimaurern war er dieser Werke halber autor classicus; außer dem Orden las man diese Bücher zwar auch, doch ohne zu wissen oder danach zu fragen, wer ihr Verfasser sei, und ohne sich daran zu ärgern, vielmehr versicherten mich viele, dass sie aus ihnen eine hohe Meinung, von unsern Orden geschöpft hätten. Soviel, vorläufig.
Nun zur Sache. Die Berliner Monatsschrift fing vor einiger Zeit an, auf einen gewissen lutherischen Doktor Theologiae zu sticheln, den man in capite des zu unserer Zeit thätigen Katholizismus als Beweis und Beyspiel ansehen könne, weil er, wie man durch weitläufige Korrespondenz herausgebracht habe, und aus sichern datis zuverlässig wisse, die katholische Priesterweihe empfangen habe. So etwas erregte natürlich Aufmerksamkeit und jedermann war begierig, das Ding näher zu betrachten, wie alles nach Braunschweig läuft, wenn Blanchard dem Publiko durchgedruckte und überall verbreitete Avertissements weiß macht, dass er mit tafftenen Adlersflügeln der Sonne zufliegen will. Unsere Journalisten wurden bald dreister und erklärten sich insofern deutlicher „dass der lutherische Doktor (den sie mit D. St. bezeichneten) ein Mann von Range sei, der selbst auf einen angesehenen Hof Deutschlandes Einfluss habe; mit der katholischen Priesterweihe habe es seine Richtigkeit und könne jedermann die Tonsur auf seinem Kopfe deutlich warnehmen; auch führe er als Clericus den Namen Archidemides ab aquila fulva; ferner sei vor kurzem ein Buch St. Nikaise genannt zum Vorschein gekommen, davon er Verfasser sein sollte, und das sei ein gar verdächtiges, gar gefährliches Buch. Denn es werde darin erzählt, dass der Held der Geschichte nach langem Herumirren und vielen vergeblichen Versuchen, Ruhe zu finden, endlich in einem katholischen Kloster Ruhe und Glückseligkeit gefunden habe. Da sehe man‘s ja deutlich, dass der Mann die katholische Religion empfehlen wolle, weil er behaupte, dass nur in den katholischen Klöstern wahre Ruhe und Glückseligkeit zu finden sei.“ Hier, ich gestehe es, fing mir, ob ich gleich mit unter denen war, die nach Braunschweig liefen, das Ding schon an lächerlich zu werden. Wenn das der ganze Beweis ist, dacht’ ich, dann ist wohl an der ganzen Sache nicht viel. Was kann eine Tonsur nicht für mancherlei Bedeutung, haben? Meine sel. Mutter hatte auch eine und wusste doch nichts vom katholischen Priesterthum, denn sie lebte und starb als eine echte Lutheranerin, war auch den Katholiken gar nicht hold, sondern erzählte mir, da ich noch Knabe war, allerlei böse Dinge vom Rosenkranz. Und wenn der lutherische Doktor eine so verdächtige Tonsur hat, so wird er den Monatsschriftlern nicht im bloßen Kopf vor der Nase herumgelaufen sein. „Ja, aber der Perückenmacher hat sie gesehen, da er ihm das Maß zu einer neuen Perücke nehmen musste.“ Noch lächerlicher! Ja, unsere Perückenmacher sind solche gescheute Leute, dass sie von Tonsuren Red und Antwort zu geben wüssten.
Mit dem Namen Archidemides ab aquila fulva kann’s nun vollends noch eine gar andre Bewandtnis haben. Man muss ja mit den primis lineis der geheimen Orden ganz unbekannt sein, wenn man nicht weiß, dass jeder, der nur einige Fortschritte in solchen gemacht hat, außer seinem profanen Namen auch noch seinen Ordensnamen führt; und haben nicht tausend ehrliche Protestanten, die nie den Gedanken hatten, sich zum Katholizismus zu neigen, einen solchen Ordensnamen? Der soll nun bei dem D. St. Katholizismus beweisen! Und was endlich den St. Nikaise betrifft, so ist‘s fast nicht zu verdauen, dass jene Konsequenzmacher aus der Erzählung von einem Mann, der zuletzt nach vielem vergeblichen Suchen und Streben in einem katholischen Kloster Ruhe gefunden habe, die Folge ziehen: Der Erzähler wolle damit im allgemeinen die katholischen Klöster als Residenzien der echten Glückseligkeit empfehlen, wolle ein folglich den katholischen Glauben als das einzige Mittel zum wahren Glück des Menschen anpreisen. Ist das nicht ein horrender unverantwortlicher faltus a particulari ad universale. Wie wenn jemand erzählte, er habe nirgends so guten Punsch getrunken, als in Enoch Richters Tabagie, und nun hieraus jemand den Schluss machen wollte, der Mann habe dabei die Privatabsicht, alle Tabagten nicht nur in ganz Leipzig, sondern auch in ganz Sachsen als vorzüglich in puncto des Punsches zu empfehlen, ja wolle damit der ganzen sächsischen Staatsverfassung eine Lobrede halten, meinst Du nicht Bruder, dass die Herren Biester und Gedicke selbst diesen Konsequenzmacher mit Achselzucken betrachten würden. Und doch machen sie sich dieser Sünde gegen den lutherischen Doktor schuldig. Allenfalls und höchstens folgte aus seiner obigen Erzählung nur das, was auch wohl seine Richtigkeit hat und für aufmerksame Beobachter hinlänglich bewiesen ist, dass nämlich in einigen katholischen Klöstern noch etwas zu suchen sei, und sie nicht alle, wie unkundige Prostetanten immer noch glauben, fedes stultitiae, ignorantiae et pigritiae wären.
Kurz, die Gegner des Herrn D. Stark waren so impertinent, ihn über das alles öffentlich zur Rechenschaft zu fordern (wozu ihnen aber kein Mensch auf Gottes Erdboden einigen Beruf gegeben hatte) und geradehin zu verlangen, dass er sich über seine Tonsur erklären – den Sinn der ihnen unverständlichen Stellen in seinen maurerischen Schriften ohne alle Hülle darstellen – und wie er‘s mit dem katholischen Kloster seines St. Nikaise gemeinet habe, deutlich angeben solle – mit der Drohung, dass sie ihn sonst bei einem ganzen Namen öffentlich nennen und dem Spott und der Verachtung des gesamten deutschen Publikums Preis geben würden. Bruder, erstaunst Du nicht über diese Anmaßung solcher Leute, deren jeder nur eine Stimme hat, und die sich doch das Ansehen geben, als ob sie von ganz Europa autorisieret wären, über alles Auskunft zu fordern? Ist hierbei nicht jeder redliche Mann täglich in Gefahr, öffentlich prostituieret zu werden, sobald diese unberufene Censoren etwas, das so und so gedeutet werden kann, an ihm bemerken, und werden dies nach ihrer beliebten Manier nicht jederzeit aufs ärgste deuten? Was würden sie – Doch ich will mich der weiteren Bemerkungen enthalten, weil ich fühle, dass ich warm werde, und Dir doch den Verlauf so gern mit kaltem Blute erzählen wollte. Der mit D. St. bezeichnete Theologe antwortete, wie Du Dir leicht vorstellen kannst, hierauf mit keiner Sylbe (denn diese Bezeichnung konnte ja mehrere gelten) und er hätte brav gehandelt, wenn er’s nie gethan hätte. Da aber die Monatsschriftler endlich so weit gingen, gerade heraus zu sagen:
„Der Stark in Hessendarmstadt, Generalsuprintendent und Lutherischtheologischer Doktor ist der Mann, der die katholische Priesterweihe empfangen hat, und zum Beweise dessen die Tonsur trägt, auch als Clericus und Archidemides ab aquila fulva jährlich seine jura stolae bezieht, und da er unsere desfalls ihm öffentlich gemachten Vorwürfe nicht widerlegt hat, so sei er auch hiermit öffentlich an den Pranger gestellt; damit die protestantische Kirche sehe, dass wir Recht hatten, wenn wir vor Katholizismus und Proselytenmacherei, die jetzt wie die Pest im Finstern schleicht, und wie die Seuche im Mittage verderbet, warneten“.
So kam das Blut des Mannes so sehr in Wallung, dass er die Monatsschriftler stante pede beim Kammergericht in Berlin iniuriarum belangte und Satisfaktion forderte. Der Schritt war zu rasch, Bruder, und konnte nicht anders als zu seinem Nachtheil ausschlagen. Wenn ich von ihm nicht die Vorstellung hätte, dass er ein von Natur äußerst eifriger, thätiger und hitziger Mann sei, so würd ich‘s nicht begreifen können, wie er auf die kleinlichen Ausforderungen eines Journals reflektieren und sich die Mühe geben konnte, darauf nur mit einer Sylbe zu antworten. Er hatte doch mit Leuten zu thun, welche die Sache, von der eigentlich die Rede war, in ihrem Leben nicht werden verstehen lernen und also wär’s rathsamer für ihn gewesen, in diesem Fall das talia non curat Praetor zu beobachten. Dass er dies nicht beobachtete, sondern sich das Bewusstsein seiner guten Sache und der himmelweiten Entfernung von allen den Dingen und Absichten, die man ihm Schuld gab, verleiten ließ, wider die Journalisten per viam juris zu Felde zu ziehen, ist die Ursach von allen den nachmals entstandenen und ihm selbst nachtheiligen Weiterungen. Ich ärgre mich, so oft ich dran denke. Er musste sich selbst am besten kennen, und so konnte er leicht absehen, dass seine natürliche Hitze ihm, wenn er sich mit Leuten, die er in der Hauptsache ganz übersahe, in Streiten ließe, Worte und Ausdrücke in die Feder flössen würde, die ihm mit Recht zum Vorwurf gemacht, und zu seinem Nachtheil gedeutet werden könnten. Und so kam‘s wirklich. Stark sprach derb, und nun extrahiert man aus seinen Schriften ein ganzes Register von Schimpfwörtern, die ihm als einem christlichen Lehrer nicht hätten entfallen sollen. Allein, Bruder, was ist natürlicher, als dass man den, der uns bei dem festen Bewusstsein unserer guten Sache und der Reinigkeit unsrer Absichten, des Betrugs und boshaften Absichten beschuldigt, in der Hitze des Streits einen Schurken nennt? Da aber Stark ein Doctor Theologiae ist, so muss das, was bei jedem andern ganz natürlich folgte, entsetzlich und abscheulich sein. Gleichwohl bin ich und mit mir Tausende der Meinung, dass Stark besser that, wenn er in Befolgung jener heil. Vorschrift „segnet, die euch fluchen“ nicht schimpfte, und dies geschahe nicht, wenn er nicht antwortete, zumal der Plunder gar keiner Antwort werth war. Und nun gar einen Injurienprocess! Das konnte er doch, wie alle Welt sich an den Fingern abzählen, dass er mit seiner Klage in einer Sache, die, soviel sie ihn selbst betraf, ganz unerklärbar war, angebrachtermaßen abgewiesen werden musste. Denn das war das Final, Bruder. Stark verlor den Process, und wurde in die Kosten verdammt, beklagte hingegen von aller geforderten Satisfaktion losgesprochen. Wer sieht aber nicht ein, dass das wider Starken abgefasste Urteil für die Monatsschriftler nichts entscheiden kann? Man darf ja nur die gemeinten juristischen Schlendrianskenntnisse haben, um zu wissen, dass der Kläger darum noch nicht Unrecht hat, weil er mit seiner Klage, so wie er sie eingeleitet hatte, abgewiesen und noch obenein in die Kosten verurtheilet wird. Und Stark beging noch obenein den hässlichen Fehler, dass er die ihm zur Einbringung der Deduktionsschriften verstatte 4 wöchentliche Frist, die ihm zu Gunsten vom Kammergericht noch um einmal so lange ausgedehnet war, nicht ordentlich nutzte, da er während der Zeit an einem weitläufigen zum Druck bestimmten Werke zu seiner Rechtfertigung arbeitete, und vom Kammergericht verlangte, diese abzuwarten, da Beklagte mit ihrer Deduktionsschrift gleich in den ersten 3 Tagen bei der Hand waren. Und doch können Letztere mit dem wider Stark ausgefallenen Urteil ein Aufhebens machen, als ob er nun ewig verdammt, sie aber als die von der ganzen Welt berufenen und verordneten Diener des Antikatholizismus konfirmieret worden wären. Es ist ein unaufhörliches Geschrei „das Publikum lese und entscheide“. O ja es hat gelesen und entschieden:
„Dass die Berliner Monatsschrift jetzt um des ewigen Antifarkischen, Antisemlerschen, Antihirschenschen, Antilavaterschen, Antischwedenborgischen Geschwätzes willen bei weitem den Werth nicht mehr habe, den man ihr anfänglich wegen einiger in den ersten Stücken enthaltenen interessanten Aufsätze bei legte, und Schwung gibt, zu dem gewöhnlichen Schicksal der lettres du jour – vergessen zu werden – herabsinken müsste.
Ich sage, das ist die Entscheidung des Publikums, wenn ich nämlich das Wort in eben der Bedeutung, wie Biester, Gedicke und Nicolai nehmen, wenn sie unaufhörlich ans Publikum appellieren. Alsdann kann Publikum doch wohl nichts anderes heißen, als der und jener im lesenden Publiko, der eigentlich mit der Sache nichts zu thun hat, aber sich doch einigermaßen für das, wovon gesprochen wird, interessierte und alle Phänomena sorgfältig beobachtete. Denn so unverständig sind doch nur wenig Schriftsteller, dass sie sich, mit dem Beifall aller Zeitgenossen schmeicheln sollten, und es fällt mir gar nicht ein zu glauben, dass obige Herren sich je von einem allgemeinen Beifall haben träumen lassen. Ob aber die plurima sich in einer Sache zum pro oder zum contra neigen, wer will das ausfindig machen? Wenigstens sind in dem ganzen Cirkel, den ich durchkreuze, die plurima wider die Monatsschrift und allgemeine deutsche Bibliothek, die, wie ich fest überzeugt bin nach dem veränderten und (wenn ich urtheilen dürfte) verbesserten Regierungs- und Religionssystem in den preußischen Staaten, entweder bald ihre Endschaft erreichen, oder, ehe wir‘s uns versehen, aus einem andern Tone pfeifen werden. Dies kann jeder ohne schwedenborgisches Divinationsvermögen leicht prophezeien. Genug für heute von dem starkischen Process. In meinem künftigen Briefe will ich Dir den Verfolg und noch einen gar merkwürdigen Aufschluss über den Zusammenhang des Stücks mittheilen. Vorerst ist die Reihe des Erzählens wieder an Dir, und da möcht’ ich denn gern folgende Fragen von Dir beantwortet haben. Was hältst Du von Schwedenborg? Du hast ihn entweder noch persönlich kennen lernen, oder doch gewiss mehrere gesprochen, die genau mit ihm bekannt waren. Ich kann mir von dem Mann noch keine fixe Idee machen. Was ich von ihm las, verstand ich nicht ganz, und die Meinung meiner hiesigen Zeitgenossen von ihm sind sehr getheilt, indem einige von ihm als von einem mit außerordentlicher Gotteskraft ausgerüsteten Manne ehrfurchtsvoll sprechen; andere ihn bis zur Klasse der unsinnigsten Schwärmer, die jemals die Sonne beschienen, herabwürdigen, und noch andere, wie kürzlich in den Berliner Orakeln, ihn sogar des Betrugs und listiger Pfiffe beschuldigen, deren er sich bedienet habe, der großen Königin Staub in die Augen zu werfen. Und noch eins. Du bist, wie ich aus Deinen ehemaligen Briefen weiß, bei Deinem öfteren Aufenthalt in der Schweiz viel mit Lavatern umgegangen. Wie hast Du den Mann gefunden? Ist er der Schwachkopf und Schwärmer, für den man ihn bei uns ausgibt? Vor einiger Zeit war er auf seiner Reise nach Göttingen, wohin er seinen Sohn auf die Akademie gebracht haben soll, uns ganz in der Nähe. Ich erfuhr‘s aber leider erst nachher. Sonst wär’ ich, und wenn mich jemand um Mitternacht davon benachrichtiget hätte, ohne Anstand nach – geflogen, um den merkwürdigen Mann kennen zu lernen. Leipzig, gegen welches er viel soll einzuwenden haben, ist er vorbei gereist, wie mir ein Freund von dort aus geschrieben hat. Zollikofer aber und Weiße haben der Gelegenheit wargenommen, ihn außerhalb der Stadt auf einem der nächsten Dörfer zu sprechen. Was man von dem Mann für dummes Zeug erzählt, ist unaussprechlich, und man sieht daraus, dass es eine gewisse Gattung von Leuten recht darauf genommen hat, ihn herabzuwürdigen. Haben denn diese erst jemand so aufs Korn genommen, so jagen sie nach Anekdoten, die ihn allezeit in einem gehässigen Lichte darstellen müssen, ohne dass diese Anekdotenjäger jemals Lust und Gelegenheit hätten, sie gehörig zu prüfen.
Nun lebe wohl, Bruder, tausendmal wohl. Ich bin kein sonderlicher Kenner hebräischer Literatur; aber hier denk’ ich doch keinen falschen Gesichtspunkt gefasst zu haben, wenn ich glaube, dass der Flug derjenigen Poesie, die das ganze Sujet bearbeitete, in dieser Stelle recht sichtbar sei. Wer kann den feurigen Dichter da wörtlich nehmen, wo er sich mit Adlerflügeln über kalte Abstraktion unermesslich erhebt. Hiob würde seinen Auferstehungsglauben auch im härtsten Druck der Leiden nicht so exprimieret haben, aber der Dichter lässt ihn so reden. Und am Ende glaub ich, bist Du mit mir der Meinung, dass dies dictum von keiner Auferstehung, wie wir das Wort biblisch nehmen, sondern von der leiblichen Hülfe, die Hiob wünschte und hoffte, handle. Noch einmal, leb wohl!
Fünfter Brief.
Rom, den 1. Jun. 1788. Dank, lieber Bruder, für die ausführliche Mittheilung der antikatholischen Bewegungen in meinem Vaterlande, das ich, wie ich hieraus fast schließen muss, nach dieser Abwesenheit von Jahren kaum wieder kennen möchte. Zu meiner Zeit beschäftigte man sich mit reelleren Dingen, und Journale und Bibliotheken waren von ganz andern Gehalt, als der ist, wenn das Publikum mit solchen Sächelgen unterhalten wird, durch welche Wissenschaft und die h. z. T. so sehr zum Modeton gewordne Aufklärung doch durchaus keinen Fortschritt gewinnen kann. Was doch die Leute sich mit solchem Geräusch um Lappalien herumdrehen! Est ardelionum quae dam in Germania natio – möcht’ ich jetzt in Rom sagen – trepide concurfans, occupata in otio, gratis anhelans, multa agendo nihil agens. An der Proselytenmacherei, die man jetzt den Katholiken und besonders den Erjesuiten bei euch schuld gibt, ist nichts, und wenn sich letztere auch hier und da in Uniformen und Federhüten, wie Du schreibst, aufhalten, so haben sie ganz andre Bestimmungen, als die, den Protestantismus zu benachtheiligen. Ich bin an vielen protestantischen und unprotestantischen Höfen und an einigen derselben zu mehrerenmalen gewesen, und habe das Glück gehabt, mit den ersten Fürsten Europens an der Tafel und unter vier Augen Stundenlang zu sprechen, habe mit ihren ersten Ministern und Rächen Bekanntschaft gemacht, und mir fast überall, wo ich hinkam, das Vertrauen der ersten und vorzüglichsten Männer erworben, aber nirgends eine Spur von Machination gegen unseren protestantischen Glauben entdeckt. An Höfen, glaube mir’s auf mein Wort, beschäftigt man sich mit ganz andern Dingen, als mit Proselytenmacherei, und die Jesuiten in Uniformen und Federhüten, welche da auf Eroberungen für den Papst ausgingen, würden eine gar schlechte Figur machen. Man kennt jetzt die Vortheile, die man der Reformation zu danken hat, an katholischen und unkatholischen Höfen zu gut, als dass man solche um nichts und wieder nichts aufgeben sollte. Gewinnst und Verlust balanciert dabei zu schlecht. „Was kann man uns denn versprechen, wenn wir uns geneigt finden lassen, katholisch zu werden? Einzelne Fälle kommen hier gar nicht in Betrachtung. Wenn schlechtdenkende Kerls aus Leichtsinn oder um gewisse Privatabsichten zu erreichen, oder, wie das doch wohl auch zuweilen der Fall sein mag, gutdenkende Menschen aus Schwachheit oder wahrer Überzeugung von uns zu jenen übergehen, so gibt‘s gewiss ebenso viel, die von dannen zu uns herüber kommen, ohne dass eine Kirche eben Ursach hätte, sich auf diese Proselyten etwas zugute zu thun. Auch kommt ja die Kirche im Ganzen betrachtet bei solchen einzelnen Fällen gar nicht ins Spiel, da der Papst in Rom so wenig etwas davon erfährt, als das corpus evangelicorum in Regensburg.
Gesetzt nun aber auch – pofito fednon concesso – dass sich irgendwo eine unbedeutende Gesellschaft katholischerPartheigänger dahin vereiniget hätte, unserm Glauben Abbruch zu thun, so stehen uns ganz andere Wege offen, ihnen entgegenzuarbeiten, als Monatsschriften mit Anekdötchen zu füllen, oder einzelne Männer auf bloßen Verdacht öffentlich zu prostituieren, wie ihr‘s da in Deutschland mit dem D. Stark gemacht habt. Fahret fort Sprachen und gesunde Philosophie zu studieren; macht das Lesen der Bibel allgemeiner; (denn unter uns gesagt, die Protestanten im Ganzen genommen lesen und verstehen diese reichhaltige Quelle wahrer Erkenntnis so wenig, als die katholischen Christen) reiniget eure theologische Kompendien von dem scholastischen Wust der vorigen Jahrhunderte; bessert eure nach katholischen Aberglauben schmeckenden Liturgien; instruieret und bevollmächtiget die Lehrer des gemeinen Mannes zu zweckmäßigern Unterricht in Tempeln und Schulen; stellet nicht, wie ihr bisher gethan habt, Schneider und Leineweber zu Religionslehrern und Erziehern an, und besoldet diese besser; und ich stehe dafür, dass jeder noch so listig wider uns abgeschossene Pfeil der Katholiken abprallt. Sage euren Journalisten in meinem Namen, damit sollen sie sich beschäftigen, Mittel anzugeben und bekannt zu machen, durch deren Anwendung jene Vorschläge zum Besten des Protestantismus realisiert werden können. Das bringt wichtigere Vortheile, als wenn sie wider verdiente Männer, die sie von außen nur wenig, und von innen gar nicht kennen, zu Felde ziehen.
Aber warum frägst Du nach Schwedenborg? Ich will doch nicht glauben, dass man auch ihn mit in den Streit mengt. Nun dann versichere ich Dich, dass es ihm in seinem ganzen Leben nicht eingefallen ist, jemanden zu beeinträchtigen oder in seinem Glauben und in seiner Ruhe zu stören. Ein Betrüger war er gewiss nicht, und es macht meinen deutschen Landsleuten wahrlich keine Ehre, ihn mit dem Namen zu brandmarken, da sie ihn noch viel zu wenig kennen. Eher, verdient der den Namen, der ein Buch, aus dem er kein Wort versteht, entziffern, und den Leuten weis machen will, dass seine Erklärung die einzige wahre sei. Ich habe bei der Enträthselung der in dem Buche des erreurs vorkommenden Ausdrücke hommes, nature, Dieu, principes fuperieures nicht gewusst, ob ich lachen, oder vor Verdruss mit den Füßen stampfen soll. Solche Interpreten machen sich ja des unausstehlichsten Unsinns schuldig, und wollen den Verfasser des Unsinns beschuldigen? Wollen seinen Schriften böse Absichten unterlegen, und verfahren selbst mit solcher Maliz? O werfet doch das Geschmier auf den Mist! Doch nein – lass sie nur reden, schreien und schreiben. Es ist ja nichts so böse, dass nicht zu etwas gut wäre. Es kann doch nicht fehlen, dass durch das Recensentengewäsch viele auf dies Buch, das ihnen vielleicht nie ohne das zu Gesicht gekommen wäre, aufmerksam gemacht und bewogen würden, es selbst zu lesen. Unter 10 ist denn doch gewiss einer, der den Verfasser fühlt, und aus seinem Buche wenigestens einen Theil derjenigen Kenntnisse brauchen kann, die mein Freund so gern zum wahren Glück des Menschen in mehreren Umlauf bringen wollte. Ich habe ihm daher schon den Vorschlag gethan, dass er den Herren Bietern, Gedicken und Nicolai eine Erkenntlichkeit für die Bemühung, ein Buch gemeinnütziger zu machen, schicken solle. Er meinte, dass er nicht abgeneigt sein würde, dies zu thun, wenn sie es hätten dahin bringen können, dass es gar wäre konfiszieret worden; denn da würde es noch häufiger gelesen und noch aufmerksamer studieret worden sein.
Doch wieder auf Schwedenborg zu kommen, so kannst Du sicher annehmen, dass sein Kopf und Herz betrügerischer Absichten und verschlagener Ränke, unfähig war. Ob er aber ein Schwärmer gewesen sei, darauf kann ich Dir geradezu weder mit Ja noch mit Nein antworten. Was verstehst Du unter einem Schwärmer? Meinst Du damit einen Schwachkopf, der im Mangel richtiger historischer und philosophischer Kenntnisse sich durch seine erhitzte Einbildungskraft nur stets zu dem, was den Anstrich des Wunderbaren und Übernatürlichen hat, hinreißen lässt, dann war Schwedenborg keiner. Bezeichnest Du aber mit dem Worte einen Mann, der im Besitz ausgesuchter historischer, philosophischer, mathematischer Wissenschaften, großer Menschenkenntnis und eines durchdringenden Beobachtungsgeistes sich mit gewissen Ideen, die nicht in den gewöhnlichen Kompendien zu Hause sind, sondern über die Sphäre gemeiner Kenntnisse hinausgehen, familiarisieret und auf seinem etwas ungewöhnlichen Gange Erfahrungen, die nicht in die gewöhnlichen Systeme passen, gemacht hat, und diese zum Besten seiner Nebenmenschen anwendet, wobei er denn ganz natürlich unter 1000 kaum von einem begriffen wird, dann war er ein Schwärmer im vollen Sinne des Worts. Der Mann war in einer außerordentlichen Lage, hatte viel Kommunikationen und die Erlaubnis, die bekannt zu machen. Er sahe wirklich; ich habe authentische Männer gekannt, die vertraut mit ihm umgegangen sind. Der bekannte Vorfall mit der Königin und dem Brand ein Gothenburg wäre allein hinreichend zu beweisen, mit wem er zu thun hatte. Übrigens war er ein exemplarischer und sich durch alle Tugenden auszeichnender Mann.
Mit Lavater bin ich viel umgegangen und stehe seitdem in Verbindung mit ihm. Er ist in der That ein tiefdenkender, starker und großer Mann. Seine Einbildungskraft, die eben das Gepräge führt, hat etwas Auffallendes für den, der mit seinem Kopf und Herzen nicht genau bekannt ist. Wären verschiedene seiner Ideen, die so sonderbar scheinen, recht entwickelt, sie würden vielleicht dem System eine andre Richtung geben. Der Mann ist aber immer mit Vorurtheilen gerichtet worden. Jetzt korrespondiere ich mit ihm über den Magnetismus. Lavater sieht tiefer als 300 andre zusammen genommen.
Hier hast Du meine Antwort auf deine Fragen, mit der ich die Bitte verbinde, mir den Verlauf der starkischen Sache, welche mich sehr interessiert, in Deinem nächsten Briefe zu berichten. Was es mit dem Klerikat und der Tonsur, die ein lutherischer Doktor Theologiä, den symbolischen Büchern unbeschadet haben kann, für eine Bewandnis hat, weiß ich recht gut. Nur begreife ich nicht, wenn Stark ein tonsurierter Klerikus ist, wie die Berliner Monatsschrift dahinter kommen konnte? Könntest Du mir doch einigen Aufschluss darüber geben! Hast Du etwas darüber aufgegriffen, so vergiss ja nicht, mir das zu melden. In 8 Tagen geh‘ ich von hier nach Paris. Schreibe mir unter der Addresse chez Mr. Gibert, Caissier a la grande Poste a Paris. Lebe wohl und sei versichert, dass ich Dich liebe.
Sechster Brief.
Deutschland, den 21. Jul. 1788.
Schon hatt’ ich mancherlei Vorwürfe in petto, die ich Dir darüber machen wollte, dass Du mich so lange auf Antwort warten ließest. Allein Dein lieber Brief hat mich ganz wieder mit Dir ausgesöhnt. Denn außerdem, dass er die Antwort auf meine Fragen enthielt, fand ich darin einen neuen Faden unseres Briefwechsels angesponnen, nach dem ich meine Hand schon lange ausgestreckt habe, nämlich den vom Magnetismus. Der macht jetzt bei uns so viel Aufsehen, dass man den Katholizismus und die ganze päbstliche Klerisei beinahe darüber laufen lässt. Ich glaube gar, die Jesuiten haben diesen Apfel den Affen zum Spielen hingeworfen, um ihr Werk unbemerkt desto glücklicher treiben zu können. Wenigstens soll mich’s nicht wundern, wenn man den Magnetismus auch von der Seite angreifen möchte. Doch das sei unseren künftigen Briefen vorbehalten. So viel will ich Dir nur in voraus sagen, dass noch keine Erscheinung meine Aufmerksamkeit so rege gemacht hat, als eben er, und wenn mir Gott das Leben fristet, so ruhe ich nicht eher, als bis ich ihm auf den Grund nachgespüret habe.
Heute noch etwas über Stark und seine Gegner. Lass Dir nur die Geduld nicht vergehen. Ich will Dir erst eine kleine Erläuterung über die Geschichte geben, und dann einige Bruchstücke aus der allgem. Deut. Bibliothek auftischen, aus denen Du den Geist der starkischen Antagonisten sollst näher kennen lernen. Ganz natürlich kamst Du auf die Frage, wie die Berliner Zionswächter von dem Klerikat und der Tonsur des Herrn Doktors, wenn sich das anders bei ihm findet, Witterung erhielten? Darüber wird Dir folgende Geschichte Aufschluss geben, die mir von glaubwürdigen Männern ist erzählet worden. Der hier in großem Ansehen stehende Herr G. von – welcher einst mit Starken zu gleicher Zeit Mitglied des Tempelordens gewesen ist, erzählete im vertraulichen Freundschaftscirkel nicht nur dies, sondern machte auch aus unbegreiflicher Offenherzigkeit verschiedenes von den Zeiten der Tempelritter, vom Klerikat, von der Tonsur, von denen den Clericis zu entrichtenden Stolargebühren bekannt, und führete zum Beweise alles dessen den Generalsuprintendent D. Stark an, der als Clericus templariorum die Tonsur und den Namen Archidemides ab aquila Fulva habe, auch als Clericus bis jetzt noch seine iura stolae beziehe. Unter den Mitgliedern der Gesellschaft, die Sr. Excellenz alle für redliche und verschwiegene Freunde hielt, zumal da sie wie er selbst Maurer waren, befanden sich aber einige, die als Freunde der Herren Bieter und Gedicke diesen eine große Gefälligkeit zu thun glaubten, wenn sie diese Erzählung unverzüglich nach Berlin überlieferten, doch nur insofern, als sie D. Starken, ein Klerikat, seine Tonsur und seine iura stolae betraf, wobei sie doch den Zusammenhang mit den templariis, entweder absichtlich, oder weil sie das überhört hatten, verschwiegen, und alles so deuteten, als ob sie im Reiche der Anekdoten eine neue wichtige acquisition zur Bestätigung dessen gemacht hätten, was bisher über Katholizismus sei gesagt worden. Hierauf hätten denn nun Biester und Gedicke keinen Anstand genommen, die ganze Geschichte in der Art, wie ich Dir erzählet habe, öffentlich bekannt zu machen. Nach eingelaufener Klage des D. Stark aber wäre ihnen doch nicht recht wohl zu Muthe gewesen, und sie hätten von ihren Gewährsleuten noch mehr Auskunft, Bestätigung und Anekdoten haben wollen, wo durch jene nicht wenig ins Gedränge gekommen wären, der Herr G. von – aber sich sehr geärgert habe, dass man von seinem unter Freunden und Brüdern geführten vertraulichen Gespräch einen so indiskreten Gebrauch gemacht habe.
Ist‘s nun nicht zum todtlachen, Bruder, wenn man so einen Pfeiler nach dem andern übern Haufen fallen sieht, worauf unsere Zionswächter ihre Beweise des thätig sein sollenden Katholizismus baueten. Da war nun D. Stark ein recht auffallendes Beispiel zum Satz! Da war er sogar als Lutherischtheologischer Doktor Clericus bei den Katholiken! Hatte Tonsur! Besoldung! Und wer weiß was noch mehr? Sei Emissarius der Jesuiten! Werde den Hessendarmstädter Hof, dessen Beichtvater er sei, gewiss am protestantischen Glauben irre machen! Habe auch zur Verführung andrer schon sehr gefährliche Bücher geschrieben! & fic porro. Und nun man‘s bei Lichte besteht, ist an der ganzen Sache nichts. Was gehen uns doch in aller Welt die Gebräuche der Ritter vom Tempelorden, mit dem es ohnehin nicht viel mehr zu bedeuten hat, an? Lasset sie sich tonsurieren, wie sie wollen. Was leidet die protestantische Kirche dabei? Wenn ihre Ritus ein noch so katholisches Ansehen haben, so sind sie darum dem Protestantismus nicht gefährlicher, als so viel katholische Ceremonien und Gebräuche der protestantischen und besonders der lutherischen Prediger selbst. Und wenn die Templarii unter sich wegen der ihren Clericis zu entrichtenden Stolargebühren einig sind, so geben wir alle keinen Dreier dazu. Gleichwohl stürmen die Leute deshalb auf ihn ein, als ob sie vom Kaiser und Reich Auftrag hätten, die arme hilflose protestantische Kirche zu decken. Nos poma natamus, ist mir oft dabei eingefallen. Freilich hätte sie Stark auf einmal heimweisen können, wenn er die Sache erzählete, wie sie war. Kann er aber seinem Eide untreu werden? Indirecte lässt er’s wohl merken, was es mit seinem Klerikate für eine Bewandnis habe. Aber sie wollen nichts sehen. Wenn er ihnen da quasi unabsichtlich eins und das andre von den Templariis erzählt, so rufen sfie: das gehört nicht zur Sache. Er solle unverhüllt sprechen, und ihnen alles, was er weiß, auch eintrichtern.
Genung davon, und nun einige Pröbchen von der beliebten Manier gegen Starken zu streiten. Hier muss ich Dir nun aber wieder erst sagen, dass er nach bereits entschiedenem Process statt einer ordentlichen Deduktion, die er während desselben hätte einreichen sollen, ein ziemlich voluminöses Werk in Druck zu seiner Rechtfertigung ergehen ließ. Man sieht‘s den Buche gleich an, dass es mit etwas, Hitze und zu großer Eilfertigkeit abgefasst ist, wovon bei jedem Schriftsteller Mangel an Ordnung und Präzision die Folge zu sein pflegt. Je rascher man arbeitet, desto weniger ist man im Stande, sich an einen festen Plan zu binden, desto leichter verbreitet man sich über Dinge, die eigentlich nicht zur Sache gehören und verliert sich in unnöthige Weitläufigkeit. Nimm‘s nicht übel, sagt Cicero einmal, dass ich Dir so weitläufig geschrieben habe; es fehlte mir an Zeit, kurz zu sein. Also die Kürze der Zeit, in der die starkische Apologie nach Beendigung des Processes zum Vorschein kam, ist vollkommen hinreichend, ihn darüber zu entschuldigen, dass er nicht Ordnung genug in sein Werk brachte, und den eigentlichen Gesichtspunkt zu oft aus dem Auge verlor. „Ja, aber er hätte sich mehr Zeit nehmen, hätte nicht so eilen sollen.“ Du hast Recht, wenn Du vergisst, dass man immer noch von allen Seiten so auf ihn einstürmte, als ob er ganz Europa in Brand gesteckt hätte. Ist der Mensch da allezeit Herr über sich selbst? Er hat in andern Schriften deutlich genug bewiesen, dass er ordentlich denken kann. Aber unter den gegenwärtigen Umständen war sein Blut dazu nicht kalt genug. Und eben sein zu warmes Blut verleitete ihn zu den etwas zu derben Ausdrücken und Ehrentiteln, deren er sich gegen seine Gegner bediente, die, wie gestern noch einer meiner Freunde urtheilete, mehr in Rücksicht seiner als ihrer zu derb sind. Denn wie soll man mit Leuten reden, die ihren Mann auf eine solche Art behandeln? Doch ich wollte ja nur erzählen.
Über diese starkische Vertheidigungsschrift folgte bald in der Alg. deutschen Bibliothek (80sten Bandes 2ten Stück) eine Recension, die voller Ungezogenheiten und geflissentlicher Paralogismen ist. Z. E. man macht‘s ihm zu einer Todsünde, dass er geschimpft hat, und gleichwohl schimpft Recensent selbst wie ein Landsknecht. Denn außerdem, dass er ihm an mehreren Orten Betrug und p. 346 wahre Albernheit schuld gibt, so nennt er ihn auch einen Geheimniskrämer und p. 347 einen verwirrten Kopf. Kann man jemanden, und besonders einen Mann, dessen Gelehrsamkeit entschieden ist, und der in solchen Ämtern und Würden steht, ärger lästern. Eben da selbst heist‘s:
„Ein andrer Kunstgriff, dessen sich der Verfasser bedient, ist der, dass er niemals darauf Rücksicht nimmt, dass seine Gegner, wie wohl jeder billige Leser sehen wird, es nicht allenthalben wagen durften, alle von ihnen angeführten Umstände mit den neuesten Beweisen zu belegen; und p. 348 sagt Recensent – dass Leute, die nur mit dem Laufe der Welt bekannt wären, wüssten, dass man von vielen Dingen, die in der Welt vorgehen, öffentlich nicht reden könnte. Wollte denn D. Stark wohl alles, was ihm bekannt wäre, drucken lassen? Man glaubte doch sonst wohl rechtschaffenen und glaubwürdigen Männern (v. x. Nicolain, Biestern, Gedicken) auch in Dingen, sie nicht gerichtlich zu beweisen im Stande wären, außergerichtlich, oder sich wenigstens, sie geradezu Lügen strafen, oder ihnen gleich böse Absichten bei zumessen, sondern ließe die Sache höchstens vor der Hand unentschieden.“
Nun, Bruder, stelle Dir die Insolenz vor, mit der die Menschen solche Behauptungen thun, und doch dem D. Stark den Degen auf die Brust setzen, dass er von allem, was er weis, öffentlich reden soll, und ihn als einen sonst rechtschaffenen und glaubwürdigen Mann Lügen strafen, wenn er sagt, dass er kein katholischer Klerikus sei ; ihn bei der vorgeblichen Tonsur und seinem St. Nikaise der boshaftesten Absichten beschuldigen, und ihn durchaus in keinem Stück, das er nicht mit Dokumenten belegen kann, glauben wollen. Ferner wirst Du, wie man mit ihm umgehe, und seine unschuldigsten und gegründeteten Behauptungen zu verdrehen suche, aus folgendem §. (p. 351.) abnehmen können.
„Wir stoßen da auf eine Stelle in seinem dicken Buche, welche ein sehr zweideutiger Ausspruch ist, der je nachdem man ihn versteht, halb wahr, halb falsch ist. Aberglauben – dies sind Starkens Worte – ist gewiss ein Acker, auf welchem Laster aller Art recht gut gedeien; Deisterei aber und Naturalisterei nicht weniger ein Feld, auf welchem Schandthaten, Laster und Verbrechen aller Art so gut fortkommen, als sonst nirgends. Nur allein das Christenthum und wahre Gottseligkeit, die gerechte Mittelstraße zwischen Aberglaube (n) und Unglaube (n) – welche Buchstabenstecherei!“ (D. Stark hat ja wohl den Ruf, dass er so gut deutsch versteht, als S. T. Recensent –) macht recht tugendhafte und glückliche Menschen.“ Wer wird diesen Satz nicht von ganzem Herzen unterschreiben? Aber nun höre man den trefflichen Recensenten:
„Man sieht aus dieser und mehreren Stellen des Buchs wohl, dass der Verfasser jetzt mit einemmale den strengen Orthodoxen machen will, welchen man vormals nicht in ihm und seinen Schriften suchte. (Himmel! Ist das strenge Orthodexie?) aber durch solche Behauptungen wie diese wird er sich bei unseren aufgeklärten (man höre doch, aufgeklärten) Theologen so wenig als bei anderen verständigen Männern Beifall erwerben.“ (O warum nicht? Welcher verständige Mann wird einem wahren Satz einen Beifall versagen?) „Denn es ist eine geflissentlich niedergeschriebene Unwarheit (?), dass Deisterei und Naturalisterei ein Feld sei, worauf Laster und Schandthat so gut fortkämen, als sonst nirgends. Das Christenthum mancher Leute nährt solche ebenso gut und wohl noch mehr, als Deisterei. Sehr listig schiebt Stark aber bei dem Christenthum die wahre Gottseligkeit mit ein. Sind sie wirklich allemal vereinigt? (Hat er dies je behauptet?) Steht nicht oft das Christenthum mit dem Munde bekannt und zur Schau getragen mit Lastern zusammen? (Hat er dies je geleugnet?)“
Sage, lieber Bruder, ist es nicht auf der einen Seite die elendeste Schulmeisterei, mit der uns allgemein bekannte und von keinem vernünftigen Menschen, am wenigsten von D. Stark bezweifelte Dinge vorpräceptorieret werden – und die hämischste Verdrehung seines Satzes auf der andern? Eben darum verband er ja Christenthum und wahre Gottseligkeit, um allen Missdeutungen vorzubeugen, und dem schlüpfrigen ungewissen Deismus und Naturalismus etwas Sicheres entgegen zu stellen. In der ganzen Natur ist nichts ekelhafter als die Insekten, welche aus allen, auch den nützlichsten Gewächsen Gift saugen.
P.358 lässt uns der Rezensent ein gar wichtiges mihi videtur hören, da er die Bücher des erreurs & x. und Tableau naturel & x. offenbar unnütze und insofern sie thörichte Geheimnissucht verbreiten, dem gesunden Menschenverstand schädliche Bücher nennt. O wenn doch Recensent manchen durch den Verfasser jener Bücher weise und glücklich gemachten Mann kennen sollte! Ich stehe dafür, dass er, was den gesunden Menschenverstand betrifft, sich einen Tausch gefallen ließe. Eben daselbst heißt‘s:
„Wenn es im geringsten frommen könnte, „mit Hrn. Stark zu streiten“ (und doch streiten die aufgeklärten Menschen ohne allen Beruf und nach aller ersinnlichen Weitläufigkeit mit ihm) „so ließen sich gegen seine vermeinten Beweise noch starke Zweifel machen,“ (ob Recensent klug ist? Wogegen lassen sich denn nicht Zweifel machen; ich habe wohl eher axiomata bezweifeln hören. Wird eine an sich gewisse Sache dadurch ungewiss – ein an sich richtiger Beweis dadurch fehlerhaft gemacht?) Hätte der Verfasser diese Schriften gründlich vertheidigen wollen, so – nun was denn? – so hätte er uns eine richtige Erklärung derselben liefern sollen. (Ey! gehorsamer Diener, mein Herr! Hübsch bescheiden in Ihren Forderungen!
P.359 „Seine – nämlich D. Starkens – hauptsächlichste Sophisterei besteht darin, dass die Herren Bieter, Gedicke und sogar Nikolai alles so genau verantworten sollen, was in der Berliner Monatsschrift steht, als ob sie es selbst geschrieben hätten.“ – Widerspruch auf Widerspruch. Denn kurz vorher wurde ausdrücklich gesagt, man könne den Herren nicht zumuthen, die Verfasser der in ihren Schriften enthaltenen Aufsätze zu nennen, weil sie selbst für alles verantwortlich sein wollten. Auch versteht sich das von selbst. Und doch soll‘s eine große Sophisterei sein, wenn Stark sagt: Sie müssten dafür verantwortlich sein! Wo ist da der gesunde Menschenverstand, auf den man sich so viel zugute thut? So viel, als ob sonst auf Gottes weitem Erdboden kein Mensch, der nicht ihre Brillen brauchen will, Menschenverstand hätte.
P.361 will Nikolai die starkische Behauptung, dass er ein Illuminat sei, damit widerlegen, dass er spricht „er sei nie im Orden eine wirkende Person gewesen. – Stark sagt: Nikolai müsse im Jahr die Schriften des Illuminatenordens gesehen und gebilliget haben. „Nein,“ antwortet dieser, „im Anfange des Jahres 1782 habe ich nur die ersten und untersten Grade gesehen.“ Sieh, Bruder, solche Zweideutigkeiten erlauben sich Leute gegen Starken, die von ihm offene und unverhüllte Erklärung in allen Dingen fordern.
P.366. heist‘s „Herr Stark hätte eher Ursau gehabt, die Welt um Vergebung zu bitten (quasi als ob er die Welt beleidiget hätte! Welcher unverzeihliche Stolz, seine eigne kleine unbedeutende Streitfrage zur Sache der ganzen Welt zu machen!) als so groß zu thun (wo hat er das?) und über diejenigen, welche Dinge nach dem Wortverstande und gemeinem Menschenverstande beurtheileten, mit solcher Wuth herzufallen? – Ja, bei meiner Treu, in den Berliner Orakeln ist der Menschenverstand zu Hause. Ich denke, es ist mehr als gemeiner Menschenverstand, wenn man aus hommes kann Jesuiten, aus nature, nostros und aus principes superieures die unbekannten Obern machen. Dazu reicht ja andrer Leute gemeiner Menschenverstand nicht hin, sondern es gehört dazu ingenium divinum. – mit solcher Wuth herzufallen. Wuth schreibt man sonst den tollen Hunden zu; das sind aber nicht solche, die sich ihrer Haut wehren, sondern die im Publiko umherlaufen und die Leute ohne Veranlassung anfallen und beißen.
Nur eine Probe von des Recensenten quicunque – atqui – ergo.
„Wenn D. Stark – heist‘s p. 368. – ehrlos und meineidig zu werden, die Cerimonien und den Eid des equitis professi hätte können abdrucken lassen, so – nun höre man – so könnte er sich ja auch wohl über die Beschaffenheit des katholischen äußern Ansehens der von den Klerikern eingeführten Cerimonien erklären.“ Quae qualis quanta! Ich weiß nicht, warum Herr D. Stark das eine konnte, und das andre nicht will. Denken aber lässt sich‘s doch, besonders wenn man nur ein wenig mit Ordenssachen bekannt ist, recht gut, dass er keine Verbindlichkeit hatte, das was den eques professus betraf, geheim zu halten, aber in Sachen der clericorum durch den Eid zur Verschwiegenheit verpflichtet sei.
Nach einem solchen Maßstabe, wie ich Dir hier vorgelegt habe, wurde der Streit mit Starken angefangen und fortgesetzt. Alles, was sich nur immer hineinziehen ließ, wurde auch feliciter hineingezogen. Von der Art ist z. E. der Umstand, dass Stark gelegentlich geäußert hatte: er habe einmal Gelegenheit gehabt, Bibliothekar auf der königlichen Bibliothek in Paris zu werden. Daraus wollten sie nun demonstrativisch darthun, dass er ein Katholik sei, wenigstens schon längst auf dem Sprunge gestanden habe, einer zu werden. Denn – räsonnierten sie – wie kann nach der bekannten französischen Staatsverfassung jemand ein so wichtiges Amt in Frankreich bekleiden, ohne Katholik zu sein? Quasi als ob er‘s schon bekleidet hätte. Stark hatte gesagt: er habe einmal Bibliothekar werden sollen, habe Aussichten dazu gehabt. Ohne sich weiter um die Ursach zu bekümmern, warum er‘s nicht geworden ist, decidiren sie frisch von der Faust weg: ergo ist er ein Katholik. Vielleicht – das lässt sich doch hier ganz natürlich denken – stand ihm eben seine Abneigung gegen den Katholizismus im Wege.
Hier könnte ich aufhören, aber ich muss Dir noch ein Exempel von des Recensenten Anmaßung, alles zu wissen, vorlegen. „Stark vermischt – spricht er – die geheimen Orden und die Freimaurerei.“ (Er stellt nämlich beide, insofern sie miteinander in Verbindung stehen, oft zusammen, und das nennt der Schwätzer eine Vermischung!) „Es ist indessen, wie Recensent auch als Profaner einsehen kann (was der Mann nicht alles kann einsehen!) wohl ein großer (!) Unterschied zwischen den höheren geheimen Orden und der gewöhnlichen Freimaurerei“ (ob‘s denn auch eine ungewöhnliche geben mag?) „ein Unterschied, den der Verfasser durchgehends ganz vergisst, da er‘s doch besser wissen muss.“ (ja wohl, ja wohl, weiß er‘s besser als Recensent.) „Am Ende aber kommt denn der Verfasser endlich auf sich selbst, wohin er vom Anfange an hätte kommen und allein dabei bleiben sollen“ (Am Ende endlich, siehst Du, Bruder, dass Recensent, der vom Anfange an dem D. Stark ein ausgelassnes oder vom Setzer übersehenes n aufmußen konnte, selbst in der Wortfügung nicht tacktfest ist. Denn der letzte Satz sollte offenbar so aussehen: wohin er vom Anfang kommen und wobei er allein hätte bleiben sollen.) „Wenn er sich über alle die Geheimniskrämerei“ (welche stillschweigende Herabsetzung der würdigsten und gescheutesten Männer, die dergleichen Fächer bearbeiten.) „nicht deutlicher erklären will, so muss man es freilich geschehen lassen.“ (Recht so, Herr Recensent, lassen Sie‘s nur geschehen.) „aber er kann auch nicht vorgeben, dass er sich völlig und hinlänglich vertheidiget habe“ (oja, aber nur bei denen, die ihn verstanden) „und er kann niemand verdenken, wenn er über diese Sache nach seinem besten Gewissen urtheilt, sowie die Umstände es veranlassen.“ – (Wem hat D Stark das verdacht? Ein anderes ist ja, über eine Sache, die man nicht völlig übersieht, nach seinem Gewissen urtheilen, ein anderes jemand deshalb öffentlich und ohne Beruf blamieren.)
Und nun zuletzt noch eine Lächerlichkeit, der sich die starkischen Gegner in diesem Streit schuldig machten. Du kennst doch die Loge des amis reunis in Frankreich, weißt auch, dass einer von ihr getroffenen Einrichtung zufolge die Briefe an sie unter der Addresse a Mr. Mifa de Renis (als ein Anagramma von des amis reunis) einlaufen? Nun lass Dir das tolle Zeug erzählen. Der Himmel weiß, wie einer dieser Briefe den starkischen Antagonisten vors Auge gekommen ist; sogleich reden sie von einem gar verdächtigen Kerl, der sich in Paris aufhalte und Mifa de Renis heiße, und man wolle das Publikum warnen, sich ja nicht mit ihm einzulassen. Er sei gewiss auch ein geheimer Emissar der Jesuiten. Du kannst Dir leicht vorstellen, Bruder, dass Stark nicht werde unterlassen haben, diesen absurden Schnitzer in seiner ganzen Lächerlichkeit zu rügen, und den Herren die Lehre zu geben, jedes mal vorher, ehe die Feuer! schreien, gehörig zu untersuchen, ob das, was sie sehen, wirklich Feuer oder ein Leuchtemännichen sei. Dagegen will nun unser Recensent die Herren vertheidigen, heckt deshalb von jenen Antirenisischen Warnungen eine gar sonderbare Deutung aus, um das Gesicht derer, die sich über den Schnitzer des Lachens nicht enthalten konnten, wieder in ernsthafte Falten zu bringen, und um seiner Deutung (die ich Dir aber, wenn mich die Übelkeiten, die ich beim Lesen empfand, nicht noch einmal anwandeln sollen, unmöglich abschreiben kann) den Anstrich von Wichtigkeit zu geben, spricht er Recensent ist in diesem Urtheil durch einen Freimaurer bestätiget worden, den er um seine Meinung darüber zu fragen Gelegenheit hatte. – Hier ist‘s als ob Dich sagen hörte: hem!
Endlich erhebt Rec. eine Stimme noch einmal also: „Und so sind wir denn am Ende dieser ganzen weitläufigen Erzählung, von der uns der Verfasser soviel versprach, gerade um kein Haarbreit weiter, als vorher, und damit das recht auffallen soll, so hat er die Worte gerade um kein Haarbreit weiter hübsch groß drucken lassen. Freilich wohl, wer aus kindischer Neugierde ganz deutliche Enthüllung des Tempelordensystems, der Freimaurerei, Rosenkreuzerei, und aller damit nahe und entfernt in Verbindung stehenden Orden verlangte, der ist nicht viel weiter gekommen. Wer aber Vernimms genung hatte, um die hier und da quasi unabsichtlich hingeworfenen Äußerungen zu bemerken, aufzufassen und in ein gewisses Ganze zu bringen, der findet doch in der That über das was Starkens Person so wohl, als auch Ordenssachen betrifft manchen nicht unwichtigen Aufschluss. Schande für den Verstand seiner Gegner, wenn das Weiterkommen hier kein Haarbreit ausmacht. Es heißt aber hier: die es nicht verstehen, ob sie es schon sehen. Kann doch Barth in der ganzen Bibel kein deutliches Zeugnis für die göttliche Ehre Jesu finden.
Doch das sei genung von der Philosophie der starkischen Gegner und der Art, in der sie – ihn widerlegen – nein, nicht widerlegen – sondern kränken und um Ehr’ und guten Namen bringen. Schade nur, dass alle ihre Anläufe recht eigentliche hocus pocus und lächerliche Luftstreiche sind. Man sieht ja offenbar, dass es Recensenten von diesem Schlage nicht um Förderung guter Kenntnisse und Verbreitung gemeinnütziger Nachrichten, sondern nur darum zu thun ist, ihre eignen kleinlichen Privatmeinungen auszukramen. Zum Beweise dessen würd‘ ich Dich, wenn Du die Orakel bei der Hand hättest, um nur eins von den tausenden zu nennen, auf die Recension des Buchs verweisen : J. c. Lavaters Geist aus dessen Schriften gezogen. Du irrst, Bruder, wenn Du da eine Rezension zu finden meint, die Dich in den Stand setzte, von jenem Buche zu urtheilen – o nein! – sondern ein so schiefes, schwankendes, nur halbwahres Räsonnement, dass ein unbefangener Leser den ganzen Band unter die Bank werfen und den Mäusen zum Besten geben möchte. Mir ist‘s unbegreiflich, wie Nikolai, der doch ein gar gescheuter Mann sein will, sich nicht schämen kann, so eine elende Dissertatiunkel unter dem Namen einer Recension in die Bibliothek einzurücken. Nun, alles Ding währt seine Zeit, und ich fürchte, ich fürchte –
Hier, mein Bruder, hast Du den ganzen Starkischen, sowohl vor dem foro des Berliner Kammergerichts, als auch vor dem foro der Monatsschrift und der A. D. Bibliothek geführten Injurien- und Ketzer-Process in extenso. Ich denke ihn ziemlich vollständig abgehandelt und keinen Umstand übergangen zu haben, es müsste denn der sein, dass die Zionswächter den D. Stark wegen eines Briefwechsels, den er vor langen Jahren einmal mit Schröpfern, pseudomagischen Andenkens, geführt hat, tapfer angezapft haben. Doch das ist unbedeutend, und ich würde Deine Geduld ermüden, wenn ich Dich mit diesen minutiis weiter aufhalten wollte. Also genung davon.
Was Du mir von Schwedenborg schreibst vermuthete ich. Alles, was ich aus den Gesprächen, die ich über ihn hörte, und aus den Fragmenten seiner Schriften, die ich hier und da oculo fugitiuo zu lesen Gelegenheit hatte, aufgriff, veranlasste mich zu schließen, dass er ein außerordentlicher Mann gewesen und höherer Kommunikationen sei gewürdigt worden, Dies will man aber hier zu Lande durchaus nicht gelten lassen, und man erzählt uns da manches Anekdötchen, um die auffallendsten Erscheinungen ganz natürlich zu erklären. Er hat zum B. der verstorbenen Königin Louise Ulrike auf ihr ausdrückliches Befragen den Inhalt eines Briefs erzählt, den sie an ihren (zu der Zeit, als sie mit Schwedenborg sprach, schon verstorbenen) Bruder, den Prinz von Preußen geschrieben, hierauf aber von ihm keine Antwort erhalten hatte. Die Königin war fest überzeugt, dass niemand um den Inhalt des Briefs wisse, als sie, und Schwedenberg konnte ihr nach einer Bedenkzeit von 24 Stunden denselben haarklein erzählen, und ihr die Ursach erklären, warum sie keine Antwort erhalten hatte. Willst Du wissen, Bruder, wie er dahinter gekommen ist? In der Berliner Monatsschrift findest Du auch alles haarklein enträthselt. Man sahe eines Morgens sehr früh die Reichsräthe Grafen T – und H – aus Schwedenborgs Hause kommen, die den Brief der Königin deswegen, damit sie in ihrer dazumal kritischen Lage keine Unterstützung von ihrem Bruder erhalten sollte, untergeschlagen, erbrochen und gelesen hatten, und von diesen erfuhr Schwedenborg das ganze Geheimnis, ließ sich auch von ihnen als Sprachrohr gebrauchen, der Königin gerade die sehr derbe und beißende Erklärung wegen nicht erfolgter Antwort zu geben, die jene Herren der Königin angedeihen zu lassen für gut fanden. Da hast Du‘s! Lässt sich aber wohl vernünftig schließen, weil die beiden Reichsräthe jenes Morgens aus Schwedenborgs Wohnung kamen, ergo haben sie mit ihm von dem Briefe gesprochen? Lässt sich’s wohl denken, dass sie einen so schlechten und strafbaren Streich, als der war, den Brief der Königin unterzuschlagen, dem Schwedenborg, dessen Ergebenheit gegen die Königin sie kannten, werden anvertrauet haben? Lässt sich’s denken, dass er bei seiner bekannten Ehrlichkeit und wahren Hochachtung für die Königin sich von jenen werde gegen sie haben missbrauchen lassen? Der Beweis selbst war schon sehr fehlerhaft „es ist möglich, dass die beiden Grafen mit Schwedenborgen von dem Briefe gesprochen haben, ergo – haben sie mit ihm davon gesprochen.“ Und gegen diesen an sich fehlerhaften Schluss apoffe ad effe wieviel lässt sich nicht Wahres und Gegründetes einwenden? Und doch wird dieser Beweis wider Schwedenborgen als baare Wahrheit in der Monatsschrift verkauft. So was macht doch unbefangene Leser gegen alle Anekdoten, Nachrichten und Erklärungen misstrauisch.
Von Lavatern dachte ich sonst nicht so vortheilhaft. Es kam mir immer vor, als wenn ihn seine Imagination auf Kosten der ruhigen Überlegung zu Behauptungen hinreiße, die er selbst nicht lange für Wahrheit erkenne. Nun da ich Deinen Brief gelesen, auch seit einiger Zeit mehrere einsichtsvolle Männer, die ihn genau kennen, gesprochen habe, ist mir der Gott und Menschen liebende Mann recht schätzbar geworden. Freilich muss Lavater, den ich allezeit für einen Denker hielt, weiter als 300 andre sehen, wenn er data ruhig berechnen kann. Und dann – zu welchem hohen Grade von wahrer Erkenntnis kann ihn nicht seine reine Gottesfurcht erheben? Möchten es ihm doch in dieser seine Lästerer ebenso zuvor thun, als sie ihn an Menschenverstand übertreffen wollen. Ja, Bruder, Menschenverstand, gesunder Menschenverstand, gemeiner Menschenverstand ist die ewige Losung der mehresten Aufklärer, die aber damit nichts anders sagen wollen, als: unser Menschenverstand.
Heute hast Du warhaftig eine ganze dissertationem epistolarem gelesen. Ist Dir das nicht gelegen, so räche Dich dafür durch einen eben so langen Brief, und insbesondere erzähle mir Dein videtur vom Magnetismus. Lebe wohl und schreibe bald.
Siebenter Brief.
Strasburg, den 19. Aug. 1788.
Die Zeit ist mir bei Lesung Deines langen Briefes warhaftig nicht lang worden. Das patria dulce solum hat auch hier Einfluss auf mich, und Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sehr mich Nachrichten, und besonders literarische Nachrichten aus meinem Vaterlande interessieren. Wenn sie nur erfreulicher wären! Die Starkischen Bewegungen sind in der That ein Beleg zu den deutschen Thorheiten dieses Jahrzehends. Ich weiß ihn nun der Länge nach, und will Dich mit keiner weiteren Fortsetzung beschweren. Gleichwohl wünschte ich, dass Du einen Umstand, den Du für unbedeutend hältst, der‘s aber für mich in mancher Hinsicht nicht ist, noch mitgenommen hättest; ich meine den Briefwechsel zwischen Starken und Schröpfern. Lieb wäre mir’s gewesen, wenn Du Dich nicht nur über die Geschichte dieses Briefwechsels, sondern auch über Schröpfern selbst weitlauftiger ausgelassen hättest. Du weißt, wie ich von Sachsen wegging, fing er erst an, sich merkwürdig zu machen. Auf meinen Reisen konnte ich den weitern Verlauf seiner Operationen nicht beobachten, und was ich aus mündlichen Erzählungen hörte, war theils zu unvollkommen, theils zu widersprechend, als dass ich mir eine rechte Idee von ihm hätte abstrahieren können. Vielleicht regalierst Du mich künftig mit etwas davon.
Hier, wo ich heute vor 8 Tage ankam, macht der sogenannte Magnetismus große Progressen. Diese Entdeckung ist äußerst wichtig in der Geschichte der Natur des Menschen. Noch gestern machte einer meiner hiesigen Freunde, ein junger Graf D – ein Experiment mit einer Dame, die sogleich in den Somnambulismus verfiel und sowohl ihre Krankheit beschrieb als auch sagte, wie und wann sie gesund werden würde. Ich selbst habe dasselbe mehr wie 50mal versucht und eben die Resultate gehabt. Die Sache ist so gewiss wie unsre körperliche Existenz. Hätte ich sie aber nicht selbst so unzählichemal versucht, so würde ich‘s nie jemanden auf sein Wort glauben. Dieser Magnetismus, der im Grunde des Menschen Kraft ist, konnte unmöglich bis auf unsre Zeiten unbekannt bleiben, denn er ist der – des Menschen. Den – haben noch wenigere Eingeweihete, aber auch er existiert und nach des Schöpfers Willen sollten ihn alle Menschen haben und durch ihn vollkommen werden. Er macht das siebente Blatt im Buch des Menschen, das so wenige lesen können. Mesmer bekam den Magnetismus von einem alten 80-jährigen Benediktiner in Prag und verkaufte ihn in Paris vor 100 Louis neufs par tête. Zu – hat sich eine kleine Gesellschaft wahrer Philosophen mit Beobachtung des Magnetismus beschäftiget und die hat darin etwas gar wichtigers gefunden, als Mesmer je darin gesucht oder vermutet hat. Da bin ich eingeweihet worden, und habe die Wahrheit gefunden, dass dem Menschen die Erde unterthan sei, und er herrschen solle über die Vögel unter dem Himmel x. Würden die wahren principia des Magnetismus bekannt, (das können sie aber ihrer Natur nach nur wenigen werden) so müssten wir alle unsre 30.000 Werke über die Seelenlehre und das Universum entweder ins Feuer oder auf den Mist werfen. Es ist unbegreiflich dabei, dass Mesmer, der so große Kräfte in Händen hat und ein wahres Genie ist, doch im Grunde ein Materialist sein kann. Den Process habe ich Dir auf innenliegenden Quartblat deutlich beschrieben. Mehr darüber schriftlich mitzutheilen ist unmöglich. Unsere Seelen müssen sich elektrisieren und magnetisieren, und das kann in so großer Entfernung nicht geschehen. Habe nur Geduld. Im Jahr und Tag, so der Herr Leben und Gesundheit gibt, denk’ ich einmal auf meinen Wallfarthen nach Deutschland zu kommen, und dann besuche ich Dich gewiss. Coràm können wir in einem Abendgespräche alles abthun, und Du und ich werden dabei gewinnen. Über dem finde ich hier so viel Geschäfte vor mir, dass ich bei meinem sich nur noch auf wenige Tage erstreckenden Aufenthalt meine Zeit wohl nehmen muss, um alles ordentlich abzuthun, und ich also für heute außer Stand bin, Dir so gern ich auch wollte, ausführlich zu schreiben. Um dies einzige bitte ich Dich nur: sei jetzt, wo dieser sogenannte Magnetismus vielen die Augen über ihre Natur öffnet, noch viel mehr aber blendet, und tiefer in den Materialismus stürzt, sei auf die Zeichen der Zeit ebenso wie auf alle Deine Schritte aufmerksam, und gehe in allen Dingen mit Behutsamkeit und christlicher Vorsicht zu Werke; wir werden bald wichtigere Dinge erfahren. Fahre dabei fort, den Weg zu gehen, den man einschlagen muss, um weise, gut und glücklich zu werden. Wer den Sinn zum Werke hat, kann‘s nicht verfehlen; und wohl dem, der bei Zeiten darauf hinblickt. Ich habe lange auf verschiedenen Wegen gewandelt, war immer dürftig und unruhig, suchte mit dem großen Haufen, fand nichts und blieb arm. Und doch ist’s so leicht zu finden, liegt so jedermann vor Augen, bleibt immer der einzige Zweck unsers Daseins, kann uns allein Ruhe und Hoffnung geben, und wird durch kein ander Gut in der Welt ersetzt. Wenn jedes individuelle Geschöpf von der Pflanze bis zum Erzengel ein Gesetz hat, wonach es, der Absicht seines Urhebers zufolge, sein und wirken soll, und wenn jedes ohne Ausnahme diesem Plan entspricht, sollte denn der Mensch wohl eine Ausnahme machen? Sollte es wohl nicht an ihm liegen, sein Gesetz zu kennen und darnach seinen Gang zu gehen? hic labor! hoc opus! Ist der Mensch das, was er nach der Absicht seines Schöpfers sein soll, dann ist er glücklich, und sonst ist kein Weg, kein andres Heil ihm gegeben. Auch hat der gütige Schöpfer alles dazu veranstaltet, und den Weg dazu in unserm Herzen, in der ganzen Natur und auf geschriebenen Tafeln gezeichnet. Einen besondern Leitfaden haben unsere Brüder allerdings, der den Ungeweiheten fehlt; und doch wie wenig brauchen ihn! Wie selten sind die, denen die Augen wahrhaftig geöffnet werden! Unter tausend hab’ ich einen funden, und dem hab’ ich alles zu danken. Er zeigte mir den Weg, den ich gehen soll, lehrte mich, mich selbst zu kennen, über mich zu siegen, im Hindernisse neue Kräfte zu finden; er brachte mich an die Grenze einer reinen Welt und gab mir Aufschlüsse gesehener Dinge. Da werd’ ich dem den Dank bezahlen, der Gottes Weg mich gehen hieß und ihn zu Millionenmalen noch segnen, dass er mir ihn wies. Auf dem Wege wandle ich nun in der Stille, freue mich meines Gottes und meines Lebens, finde und genieße hier mehr Gutes als Böses, sehe meine Leiden selbst in mein Glück verwandelt, bitte nur um Weisheit und das übrige wird mir alles oben drauf gegeben. Auf eben dem Wege hab’ ich auch das Glück, hie und da Brüder zu finden, die mit eben den Augen sehen und mit eben dem Oden hauchen. Die, denen der Sinn nicht geöffnet ist, sprechen und schreiben für und wider, machen Sekten und Schismen, untergraben dadurch den Bau der sichtbaren Kirche. Nie ist wohl mehr Gährung in der Sache gewesen als jetzt. Ich habe ohnlängst eine Sammlung von mehr als 400 kleinen und großen Werken über die Maurerei gesehen, die fast alle in Deutschland ausgebrütet waren. Man könnte ohne zu irren, unter alle die Worte schreiben, welche ich einst in Rom in einer Theatiner Bibliothek von der Königin Christina eigner Hand unter einem Mspt. das die Gründe entwickeln wollte, warum sie ihre Krone niedergelegt hätte, geschrieben fand: quelli che lo sanno, non lodicono, e che lodicono, non lo sanno. (Die es wissen, sagen‘s nicht, und die es sagen, wissen‘s nicht.)
Künftige Woche ruft mich mein Geschick wieder nach London, wo ich in der Mitte des folgenden Monats meinen alten Busenfreund, den Verfasser des erreurs zu sehen und neben meinem Zimmer zu logieren gedenke. Wenn er mir sein Wort hält, so hoffe ich ein paar Monate sehr vergnügt zuzubringen. Bei meiner Zurückkunft nach London finde ich gewiss Briefe von ihm, die mir seine Ankunft melden. Könntest Du doch diesen würdigen Mann 24 Stunden sehen und genießen! Lebe wohl und schreibe mir unter der Addresse: chez Mr. Herries et Comp. à. Londres.
Achter Brief
Deutschland, den 20. Septbr. 1788,
Dem Papiere nach hast Du mir freilich wenig geschrieben, lieber Bruder, aber der Sache nach desto mehr, und Dein Brief enthält nebst dem innenliegenden Quartblat auf lange Zeit Text zum studieren für mich. Letzteres will ich mit Anhaltsamkeit thun, bis Du einmal zu mir kommst, und mich dem Ziele näher führst. Vorjetzt arbeiten alle meine Sinne in theoretischer und praktischer Erkenntnis des Magnetismus, die, wie jeder vernünftige Mensch bei ernsthaftem Nachdenken finden muss, mit der wahren Erkenntnis des Menschen genau zusammenhängt. Es muss dem Menschen, der dazu berufen ist, seine Hand nach höhern Dingen auszustrecken, möglich sein, das Band, welches Geist und Seele, Seele und Leib zusammenhält, wie eins auf das andre wirkt, eins von dem andern regieret, getragen, erhalten, gestärkt wird, zu verstehen, und es kann nicht fehlen, es muss zu allen Zeiten Menschen – freilich wohl nur in äußerst geringer Anzahl – gegeben haben, die diesen nexum einsahen, und nicht nur verständig genung waren, die Ursach jeder Zerrüttung desselben aufzudecken, sondern auch stark genung, Ordnung und Übereinstimmung wieder herzustellen. Und sollte der Mensch, welcher schon durch die schulmäßige Arzneikunde, so ungewiss sie auch sein mag, in den Stand gesetzt wird, die unsichtbaren Kräfte der außer ihm liegenden materiellen Natur zur Wiederherstellung körperlicher Gesundheit anzuwenden, sollte er nicht seine, ihm eigenthümliche, weit höhere Kraft dazu gebrauchen können, Leben und Wirksamkeit einem ganzen Körper oder einigen entkräfteten Theilen desselben wiederzugeben? Das muss er können, gesetzt dass er auch das quomodo nicht verstände, wie das bei Mesmern wohl der Fall sein mag. Und so lässt sich’s erklären, wie er bei dem größten Genie ein Materialist sein kann. Der alte Hell, welcher einem Materialisten so viel Gewalt in die Hände gab, handelte unvorsichtig, Die Principia des Magnetismus aber konnte er ihm nicht erklären, weil das Geheimnisse sind, deren ein Materialist nicht empfänglich ist.. Ich will ihn zu guten Zwecken brauchen; vielleicht dass ich mich durch ihn zum – vorbereite. Ist dies möglich, liebster Bruder, so ziehe den Vorhang vor meinen Augen weg. Ich fühle es, dass ich Kraft habe, aber ich weiß oft nicht, wie ich mich ihrer bedienen soll. Da liegt eine Perle vor meinen Augen, aber ich weiß nicht, dass es eine Perle ist, gehe drüber hin und zertrete sie. Sonst war ich ruhiger, da ich das alles nicht wusste. Jetzt drängt mich das Gefühl, so viel zu können, und doch so wenig zu leisten. Aber dies nennen unsre Zionswächter Schwärmerei, Schwachköpfigkeit und Unsinn. Freilich wohl verstehen sie das abc der Sache nicht, von der sie reden, aber sie haben sich’s nun einmal herausgenommen, darüber abzusprechen, und verlangen von jedem zu glauben, dass ihre Urtheilssprüche mit dem Stempel der Weisheit geprägt sind. Du kannst Dir nicht vorstellen, mit welcher Insolenz und Anmaßung von Alleinweisheit über die magnetistischen Erscheinungen in Straßburg, Bremen x. und über alle die, welche die Sache vor der Hand eines ernsthaften Nachdenkens würdigen, in unsern Zeitschriften hergefahren wird. Unter allen – die mehresten durchblättere ich wenigstens – ist nur eine einzige, welche mit Unpartheilichkeit und so davon spricht, dass man sieht, der Verfasser sei ein vernünftiger Mann, der kaltblütig über Sachen urtheilen könne. Vielleicht ist sie Dir auch bei Deiner Durchreise durch Wien, wo ihr Verfasser Wekhrlin lebt zu Gesichte gekommen; sie heißt das graue Ungeheuer. Im 11ten Bande desselben hat der Autor nach einer dreifachen Rücksicht „worin das Faktum bestehe – welche Gründe pro und contra streiten – und endlich was aus der Sache folge“ – eine sehr vernünftige und ehrliche Abhandlung vom Magnetismus geliefert, ohne ihn selbst zu kennen. „Er gehe, spricht er, die Menschheit so nahe an, und sei ein so wissenswürdiger Vorwurf, dass die Betrachtung desselben der Vernunft Ehre machte, wenn auch seine Wirklichkeit falsch wäre – er sei ein staunliches Phänomen, das unglaublich wäre, wenn man es nicht schon mit noch staunlichern Zeugnissen belegt hätte. Selbst die geschwornen Feinde des Empirism, die Ärzte fänden sich in der Zeugenreihe, und die Wirkungen des Magnetismus erschienen nicht in einem Winkel Europens, sondern zeigten sich zu gleicher Zeit in Westindien und in Frankreich, am Rhein und an der Elbe – beschäftigten nicht bloß eine dunkle, winzige und abergläubische Provinz, sondern die größeste und lichteste Europens x. und aufgeklärte Richter, vor welchen solche in der strengsten Form Rechtens wäre untersuchet worden, bezeugten auf ihren Eid, dass, obzwar das Wesen des Magnetismus unerklärbar wäre, doch die Wirkungen desselben am Tage lägen. Die zur Untersuchung des Magnetismus berufenen Gelehrten sprächen: es fände sich im Reiche der Natur und des Verstandes kein physiologischer Schluss, um einen zureichenden Grund zum Dasein des Magnetismus zu legen, folglich sei alles Täuschung und Spiel der Einbildungskraft. Aber – fragt Wekhrlin – ist’s denn wirklich an dem, dass es nichts mehr über den Kreis unserer (einmal so angenommenen fünf) Sinne gibt? Sind wir wirklich mit unsern Augen an der Grenze der Natur? Und ist das wichtige Verhältnis zwischen Ursach und Wirkung, zwischen Wirkung und Ursach völlig aufgedeckt?“ (Wenn doch unsere Aufklärer diese Fragen recht beherzigen und durchstudieren wollten!) Es sei das ein großer Fehler der Physiologen von Büsson und Heller an, die vielleicht kaum im ersten Blatt der Natur gelesen hätten, dass sie die Vernunft da zur Richterin machen wollten, wo sie nur ein Votum abzustatten hätte. Eine einzige Erfahrung in der Naturlehre sei mehr werth als alle Demonstration, auch stimme die Sache mit den Äußerungen der alten Philosophen sehr schön überein, habe aber nichts gegen sich, als Schikanen einiger Journalisten, welche die Helden gegen den sogenannten Scharlatanismus unseres Jahrhunderts spielen wollten. Diese verführen gegen den Magnetismus auch mit zu großer Leidenschaft, als dass man sich entschließen könnte, auf ihren Widerspruch etwas zu geben. Es wäre einst den Sonnentafeln des Galiläi, der Theorie vom Geblütsumlauf, und andern nützlichen Erfindungen nicht besser ergangen. Kirchen und Schulen hätten sich dagegen empört. Zu diesen Sottisen werde die Nachwelt die gegenwärtige Wuth wider den Magnetismus reihen. Man müsse sich also darüber nicht wundern. Eher wäre es zu verwundern, wenn die Schulen der Metaphysik und Theologie sich nicht dagegen setzten, weil abzusehen wäre, dass in der Heilkunde und Seelenlehre eine gänzliche Revolution dadurch erreget, und der Thron der Pedanterie endlich umgestürtzet werden müsste; aber schnöde sei ‘s von unsern Zeitgenossen gehandelt, dieser Erfindung, die für das Menschenglück und den Fortschritt unserer Vernunft so schmeichelhaft, in ihrem Charakter so brillant, und in ihrer Ausführung so simpel wäre, Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Deutsche hätten sich wenigstens ohne volle Kenntnis der Sache keinen Unglimpf wider Mesmern, ihren Landsmann, der immer ein merkwürdiger Mann für unsere Zeiten bleibe, erlauben sollen. Sei doch sein Name durch ganz Frankreich, in Amerika, Indien und Konstantinopel in Verehrung. Frankreich nenne ihn den Wohlthäter der Menschheit, und es wären im Königreich wenigstens 10.000 Menschen, die gegenwärtig die neue Heilart mit dem glücklichsten Erfolge trieben. Was er aber dafür könnte, dass jeder, der nur einen Blick ins Geheimnis gethan, damit figurieren wollte? Er misskenne solche Pfuschereien mit Unwillen. Wer ihm Gewinnsucht zur Absicht unterlege, kenne ihn vollends gar nicht. Wenn er sich am Ende, nachdem er so viele Jahre zu Paris auf seine Kosten gelebt, so viele Opfer seines ansehnlichen Vermögens gethan, um seiner Lehre Eingang zu verschaffen, wie Herr Deslon, Leibarzt des Grafen von Artois, ihm selbst öffentlich das Zeugnis gebe, ob‘s ihm da wohl zu verdenken wäre, wenn er sich seine Vorlesungen von Neugierigen theuer habe bezahlen lassen, zumal da er von seinem Erwerbe wiederum den zweckmäßigsten Gebrauch machte, Schulen stiftete und bereitet, Familien- und Privatwohlthaten, worunter sich mehrere fürstlich große befänden, ausspendete? Und daher sollten wir doch in Beurtheilung Herrn Mesmers und seines Magnetismus bescheiden sein, das würde uns am besten kleiden; Kopf und Augen saßen ja den Tausenden seiner Anhänger, worunter sich so viele durch Geburt; Stand und Gelehrsamkeit auszeichneten, am nämlichen Flecke, wo sie einen gelehrten Gegner x. saßen, u. s. w. Kurz, Bruder, alles, was der Mann sagt, ist so eingreifend, dass ich Dir’s ganz abschreiben möchte. Du siehst aber schon aus dem, was ich abgeschrieben habe, dass es noch Männer von Einsicht bei uns gibt, die kaltblütig und mit deutscher Ehrlichkeit von dieser Erscheinung urheilen, und dies muss Herrn Mesmer mit seinen undankbaren Landsleuten wieder aussöhnen. Wenn ich länger leben soll, so will ich meine eignen Erfahrungen dazu anwenden, letztere zu überzeugen; und, wenn ich dies nicht kann, wenigstens solchen das Maul zu stopfen, die wie der Verfasser eines Buchs, das neuerlichst unter dem Titel: Karrikaturen zum Vorschein kam, den Magnetismus mit einer recht dummdreisten Unwissenheit Lavaters Ungehorsam gegen den Menschenverstand nennen können.
Da ich einmal über mein magnetistisches Gespräch einen frischen Bogen habe nehmen müssen, so will ich den noch übrigen Raum damit ausfüllen, Deinem Verlangen in Betreff des Starkischen Briefwechsels mit Schröpfern ein Genüge zu thun. Wisse also, dass Schröpfer mit seinen Operationen auch die Aufmerksamkeit des D. Stark auf sich lenkte, und dieser in der Voraussetzung, dass jener ein vielvermögender Mann sei, an ihn geschrieben habe, um sich vorerst nur sein Vertrauen zu erwerben, und dann in der Folge manchen Aufschluss über eins und das andere nicht unwichtige, ihm aber bis dahin unauflösliche Problem zu erhalten. Dieser Brief, der in einer den hochgelahrten Herren Gegnern unverständlichen Chiffersprache geschrieben war, ist ihnen, der Himmel weiß durch welche Ehrlosigkeit, in die Hände gefallen, und sie produzierten ihn jetzt öffentlich, um alles zu häufen, was ihrer Meinung nach den Mann vor der ganzen Welt um Ehr und Reputazion bringen könnte. Es ist mir zu ekelhaft, ihr Gewäsch davon abzuschreiben, und es würde Dir ebenso ekelhaft sein, zu lesen, wie dieser Brief von ihnen als ein Belege zu der Behauptung angesehen wurde, dass päpstliche Emissarien jetzt mehr als jemals an dem Umsturz der protestantischen Religion arbeiteten. Stark hatte sich z. B. in seinem Briefe des Ausdrucks bedient: Dreimal gesegneter Vater. Darauf gründen sie unter andern auch die Beschuldigungen seines Kryptocatholizismus, indem sie dreist behaupten, dass er darunter den Papst verstehe. Der Recensent, von dessen Kritik ich Dir letzthin einige Pröbchen vorgelegt habe, spricht sogar „es hätten ihm Männer, die sehr lange Maurer gewesen, mit Achselzucken versichert, sie verständen nicht, was dies sagen wollte, und es käme ihnen diese Benennung sehr bedenklich vor.“
Da hat sich den S. T. Recensent an sehr unkundige und unerfahrene Maurer gewandt. Denn es gehört doch in der That mehr als gemeine Unwissenheit in der Maurerei dazu, wenn jemand bei obangeführten Ausdruck an den Papst, der mit der Sache nichts zu thun hat, denken kann. Mich dünkt aber immer, dass jene Männer, auf die sich S. T. Recensent beruft, ihm auf seine Fragen nicht haben antworten wollen, und er hätte als Profaner so diskret sein sollen, nicht danach zu fragen. Hätte er mich gefragt, dann hätt’ ich die Achseln wirklich auch gezuckt, nämlich über seine unbescheidne Zudringlichkeit, und er hätte dann dies Achselzucken so ausgelegt, als ob mir jene Benennung sehr bedenklich vorkomme. Das ist ja die gewöhnliche Exegese der Art Leute, die man besonders gegen den Verfasser des erreurs. Starken, Lavatern (auf so verschiedenen Wegen sie auch wandeln) angewandt findet, und das heißt Menschenverstand. Aufklärung x.
„Wenn nun“ – fährt Recensent fort – „Herr Stark Eingeweiheten selbst in seiner Erklärung dieser Sache (den Briefwechsel mit Schröpfern betreffend) nicht Genüge leistet, was sollen denn wir andre Menschenkinder sagen, die wir allerdings erstaunen müssen, da wir einen Doktor der Theologie, den Verfasser der Geschichte des Arrianismus, sich vor einen betrügerischen Kaffeeschenken demüthigen und eine so unbegreiflich thörichte Sprache führen sehen und hören.“ Unbegreiflich thörichte. Also, weil S. T. Recensent diese Sprache nicht begreift, so ist sie auch im allgemeinen thöricht. Wieder eine Probe von der Schlussart der Starkischen Gegner, sie ist recht eigentlich die Form in barbara – weil der Löwe ein grimmig Thier ist, also sollen wir in einem neuen Leben wandeln.
Vor einen betrügerischen Kaffeeschenken. Schröpfer wurde in der Folge und lange hernach, als Stark an ihn geschrieben hatte, vor einem Theil des Publikums für nichts weiter als einen liederlichen Kaffeeschenken erkannt und darum – hat sich Stark (nämlich nach der Vorstellung eines verschobenen Recensentengehirns) vor ihm als einem solchen gedemüthiget. Hat Recensent nie in seinem Leben mit Menschen zu thun gehabt, die ihm sein Vertrauen abgewonnen und sich nachher als Schurken legitimierten? Wird mir in solchem Fall irgendein Vernünftiger den Vorwurf machen, dass ich mich mit Schurken familiarisieret hätte? Der Gutgesinnte wird mich bedauern. Hätte D. Stark bei Schröpfern einen so schlechten Charakter gewittert, gewiss er würde ihn gemieden haben. Dass er aber zu der Zeit, wo Schröpfer durch seine allerdings nicht gemeinen magischen Kenntnisse die Aufmerksamkeit der halben Welt auf sich zog, so dass Gelehrte vom ersten Range und einsichtsvolle Philosophen seine Bekanntschaft suchten, ja sogar Herzoge sich bei ihm aufhielten und öffentlich auf eine für Schröpfern sehr schmeichelhafte Art mit ihm umgingen, (ich war damals Augenzeuge in Leipzig) dass, sage ich, Stark zu der Zeit sich eine hohe Idee von jenem machte und in der Absicht, um über eins und das andre Auskunft von ihm zu erhalten, an ihn schrieb, (ohne sich jedoch soweit mit ihm einzulassen, als es von Herzogen, Gelehrten und Philosophen magni nominis geschehen ist) dies will man ihm, und ihm allein zum Verbrechen machen? Dass man ihm dies bei jeder Gelegenheit vorrückt, und um es ihm recht oft vorrücken zu können, die Gelegenheit wohl vom Zaune abbricht, wenn das nicht Bösherzigkeit verräth, dann kann solche jemanden mit nichts bewiesen werden. Denn gleich p. 389 kommt‘s schon wieder vor, gleichsam als ob dies der beste Trumpf wäre, den Rezensent dem Herrn D. Stark hinwerfen könnte. „Wundern muss man sich, dass ein „Mann von Gelehrsamkeit und Einsichten“ (es mag in der That sauer werden, ihm dies eingestehen zu müssen. Wenn die Herren doch daraus den Schluss machen wollten, dass Dinge, mit denen sich nicht ein, sondern mehrere gescheite Männer so anhaltend und mit so ernstlicher Betriebsamkeit abgeben, wohl nicht ganz Lappalien oder schwärmerische Grillen sein können!) „ein Doktor der Theologie“ (die Theologie kommt hier gar nicht in Betrachtung – wer Sinn und Geschick zum Werke hat, er sei Theolog, Philosoph, Jurist, Mediciner, auch Journalist, wenn er ehrlich ist, ist hier einer so gut, wie der andre) „wie Stark an einen liederlichen Kaffeeschenken als an einen Mann von Wichtigkeit mit großer Ehrfurcht schreibt. – Ja, ich möchte dem Teufel, der Recensenten so zu räsonnieren verleiten konnte, hier mein Tintenfass an den Kopf werfen. Schrieb denn Stark an einen liederlichen Kaffeeschenken, oder an einen wichtigen Mann, wofür Schröpfer damals, wo man noch keine öffentliche Beweise seines großen luxus hatte, von einem großen Theil einer aufgeklärten Stadt, und vielen 1000 Sachsen, Preußen x. erkannt, geschätzt, gesucht wurde? Ich, der ich zu der Zeit in Leipzig studierte, und das Glück hatte, mit Männern von Verstand umzugehen, habe oft gehöret, mit welchem Respekt man von ihm sprach, und auch nachher, als seine res augusta domi bekannt wurde, traueten gar gescheite Leute ihm immer noch große Dinge zu. Warum haben doch die antistarkischen, antilavaterschen, antischröpferschen, antischwedenborgschen Schreier damals nicht in Leipzig gelebt, um vermöge ihres überall schnell durchdringenden Menschenverstandes ganz Leipzig und alle dahin kommenden Fremden vor jener zu hohen Meinung von Schröpfers Operationen zu verwahren, und gleich damals der Welt den rechten Gesichtspunkt anzugeben, aus dem diese beurtheilet werden müssten? Welches point de vue aber die Herren bis auf den heutigen Tag noch nicht gefunden haben, auch in ihrem Leben wohl nicht finden werden. Nun hinterher, da es mit dem seinem Fache nicht gewachsenen Magus ein so klatriges Ende nahm, und wegen der durch unbesonnenen Luxus kontrahierten Schulden sein Name zu schanden worden ist, nun gehört doch wahrlich nicht viel ingenium dazu, um derer zu spotten, die sich von ihm, als er sich noch wichtig zu machen wusste, einnehmen ließen. Mit Ehrfurcht hat auch Stark nie an ihn geschrieben, sondern in Ausdrücken, die beweisen, dass er ihm viel zutraue. Hätte ich je Gelegenheit, dem Recensenten dies einleuchtend zu machen; so glaube ich, müsste er sich vor sich selbst schämen, dass er mit solchen ekelhaften Wiederholungen etwas zur Last legen kann, weshalb er von allen, die den Zusammenhang übersehen, leicht entschuldiget wird.
Eins aber wird Dir, der Du seit Deiner Abwesenheit von Sachsen nichts von Schröpfers letzten Schicksalen gehöret hat, in meiner vorstehenden Abhandlung undeutlich sein, nämlich dass ich sagte, es habe mit ihm wegen Mangels an hinlänglicher Wissenschaft und Erfahrung in seinem Fache ein tragisches Ende genommen. Der Mann wollte seinen Gästen, die ihm theils für seine Operationen, theils als Kaffetier das meiste Geld zugewandt hatten, (denn schon der Umstand charakterisierte ihn bei Sachverständigen von einer schlechten Seite, dass er nur darauf ausging, Geld zu haschen, auch von seiner Kunst nur immer zu diesem Behuf Gebrauch machte) ein Hauptstück zum Besten geben. Aus allen denen, die ihn mit ihrer Börse am meisten besucht hatten, hob er seine Vertrautesten aus „um sich – wie er sagte – für ihren öftern Zuspruch bei ihnen abzufinden. Sie hätten schon viel und starke Stücke von ihm gesehen, aber das Beste habe er noch in petto; das übertreffe alles vorige weit.“ Diesen engern Ausschuss von seinen Kunden bestellte er für einen gewissen Abend in seine Tabagie, und unterhielt sie die ganze Nacht hindurch mit Kunststücken, Punsch, l‘ hombre & c. weil, wie er ihnen auf ihre Zudringlichkeiten wegen des versprochenen Hauptstücks antwortete, der Morgen hierzu abgewartet werden müsste, in Maßen, solches nicht in der Stube sondern unter freiem Himmel ausgeführet werden könnte. Der Morgen brach an, und Schröpfer führete seine Gäste ins Rosenthal. Hier stellete er sie auf einen gewissen Platz, er selbst aber entfernete sich unter dem Bedeuten, dass sie, sobald ein Schuss geschehen würde, auf ihn zueilen und Wunderdinge sehen sollten. Der Schuss geschah, sie sprangen hinzu, fanden Schröpfern an einem Baum gelehnt, den Kopf durchschossen, und sein Gehirn am Baum kleben. Sie hielten die Sache für Scherz und Täuschung, und erwarteten nichts gewisser, als dass er sich ihnen bald mit heiler Haut wieder darstellen würde, denn sie waren ähnliche Auftritte von ihm gewohnt. Allein sie warteten und warteten, Schröpfer war todt und blieb todt. Die Obrigkeit hub ihn auf und ließ ihn begraben. Weg war er. Da hieß es nun: er hat sich Schulden halber erschossen. Vernünftigere aber urtheileten, dass er, wäre er auch nur ein bloßer Taschenspieler gewesen, das gar nicht nöthig gehabt hätte. Er hätte ja nur zum Thore hinausgehen und sich ein anderes Theater suchen dürfen, weil der Art Leute überall auf die leichteste Art viel Geld erwerben können; sich auch gar nicht absehen ließe, aus welcher Ursach er sich mit solchem Geräusch hätte frisieren sollen. Die aber von dem Fache genauere Kenntnis hatten, behaupteten: Schröpfer war nur Empiricus, übersahe die Arbeit nicht ganz, hatte einem andern nur einmal in die Charte gekuckt, konnte nicht viel leisten, weil sein Charakter nichts taugte, war bei geringen Operationen glücklich, wurde keck, wollte größre versuchen und – verunglückte. Auch kommt der Umstand hier in Betracht, dass mehrere Männer von Gelehrsamkeit, Einsicht und Weltkenntnis sich damit abgaben, den Schröpfer genau zu beobachten. Alles, was sie sahen und höreten, wurde dem seligen D. Crusius referieret, und er gebeten, ein responsum darüber zu geben. Dies ist unter allen das gescheiteste, was ich über Schröpfern gelesen habe. Es war nur im Mspt. zu haben, denn, da er von allen seinen Schritten Missdeutungen erfahren musste, so wollte er sich auch mit dieser Sache nicht öffentlich zu thun machen. Sieh Bruder, so viel Aufmerksamkeit und Sensation konnte Schröpfer in Leipzig und durch ganz Sachsen, ja in ganz Deutschland bewirken; er war zugleich ein heller Kopf, und hatte in der That zu viel Wissenschaft und Erfahrung, als bloßer Kassetier zu sein. Auch wählt er diese Lebensart nur auf kurze Zeit, denn man weiß ja, dass er in der qualité und mit dem Patent eines französischen Obristen nach Leipzig kam, um nur eine Zeitlang da zu bleiben. Hier aber wurde er bewundert, geschätzt, gesucht; jedermann, der nur Geld hatte, schloss sich an ihn an; Fürsten, Grafen und Herren bewarben sich um eine Bekanntschaft, und gingen auf die freundschaftlichste Art mit ihm um, hatten ihn gern um sich, fuhren öffentlich mit ihm aus. Nie hab’ ich gehöret, dass dies einem von ihnen wäre zum Nachtheil gedeutet, oder ihnen dies, dass Schröpfer zu sehr depensierte, und ehe man sich’s versah, in insolventen Umständen ein tragisches Ende nahm, zur Last geleget worden. Aber sobald eine Ausnahme zu machen, und ihn darüber zu prostituieren, dass er an einen liederlichen Kaffeeschenken geschrieben hat. Das schon macht einen schlechten Begriff von der Unpartheilichkeit seiner Gegner. Lasst dies einmal versuchen, einen der Herren, die sich mit Schröpfern näher einließen, deshalb so zu behandeln, ich stehe dafür, dass sie auf den Knien Abbitte thun müssen.
Über diesen Diskours von Schröpfern ist mir ein ähnlicher Avanturier unsrer Zeiten, der Gagliostro, eingefallen. Ich glaube, wer einen von beiden kennt, kann sich auch von dem andern eine richtige Vorstellung machen. Es kann nicht fehlen, Du musst an Deinen Reisen Gelegenheit gefunden haben, letztern kennen zu lernen, da Du fast zu gleicher Zeit, als er in Frankreich und England lebte, daselbst gewesen bist. Immer suchte ich aus der Ursach in Deinen Briefen Nachricht von ihm, da der Übergang oft so natürlich war. Melde mir doch von ihm, was Du weißt. – Deine hiesigen Freunde und Bekannten grüßen Dich und freuen sich herzlich, dass Du in Deinem letzten Briefe Hoffnung machst, bald hierher zu kommen. Unter der Bedingung, dass Du diese Hoffnung nicht täuschest, vereinigen sie ihren Wunsch mit dem meinigen, dass es Dir recht wohl gehe.
Neunter Brief
London, den 1. November 1788,
Wunsch, Dich und meine übrigen Freunde in Deutschland zu sehen; geht noch eher, als ich glaubte, in seine Erfüllung. Der Plan ist gemacht, dass ich nur noch einen Monat hier bleiben, und dann schon für diesmal wieder an den Ort meiner eigentlichen Bestimmung zurückkehren soll. Dies ist also der letzte Brief, den ich Dir von meiner Walfarth schreibe, und deshalb werde ich Dir auch heute nur wenig schreiben. Alles, was Du von mir wissen willst, sei unsrer baldigen mündlichen Unterredung vorbehalten. Denn ich gedenke eine Zeitlang bei Dir zu bleiben.
Mein Freund ist seit gestern hier und wohnt bei mir. Ich gehe heute mit ihm nach Greenweich, das große Hospital zu sehen; er wird einen Monat hier bleiben und dann zurück nach – gehen.
Den Den Grafen Cagliostro hab’ ich in Venedig und Lyon gekannt, aber nie Zutrauen zu ihm gehabt. Er hat ganz gewiss physische Geheimnisse und Kenntnisse magischer Operationen, Sedniger est, hunc tu, Germane, caveto. In Lyon und Paris spielete er eine große Rolle. Hier, wo er jetzt lebt, hat ihn ein Zeitungsschreiber (courier de l’Europe) historisch so demasquiret, dass ihm kein Engländer glaubt. Ich weiß mit Zuverlässigkeit verschiedene Sachen von ihm, die außerordentlich sind, und die ich Dir mündlich mittheilen will, Übrigens hast Du gar nicht unrecht, wenn Du zwischen ihm und Schröpfern eine Parallele ziehst. Die mehresten Nachrichten von diesem, welche Du mir liefertest, waren mir ganz neu. Ich ärgre mich mit Dir über die Impertinenz der Aufklärer unseres Vaterlandes, dass die Starken den Briefwechsel mit ihm zum Verbrechen machen konnten. Da möchte ich nicht in ihre Hände fallen. Der gerade Weg, sich von solchen Leuten eine richtige Idee zu machen, ist ja der, dass man Bekanntschaft mit ihnen macht, und wenn man dies will, so versteht sich’s von selbst, dass mir ein Kompliment nicht darf ans Herz gewachsen sein; weil sie mich sonst, wenn ich ihnen im voraus, ehe ich sie kenne, sagen wollte, dass sie Gaukler, Schwärmer, Betrüger wären, meiden würden. Ein gescheiter Mann wird sich nicht weiter mit ihnen einlassen, als dass er, sobald er’s für gut findet, zurückziehen kann; und wann er denn das rechte Tempo, sich zurückzuziehen wahrnimmt, so verstehe ich nicht, wie ihm jemand das zum Vorwurf machen kann. Auf die Art hab’ ich Menschen von großer Wichtigkeit, aber auch manches parturiunt montes auf meinen Reisen kennen lernen.
Ich bin übrigens mit meinen diesmaligen Aufenthalt in England sehr zufrieden. Außer einer Menge Gegenstände, die Politik, Gewerbe, Künste und Industrie betreffen, und die hier interessanter sind als in irgend einem Lande Europens, hab’ ich auch höchst schätzbare Männer kennen gelernet, von denen ich vorher nicht gehöret hatte, und deren Namen nicht in Bücherkatalogen zu finden sind. Ich befestige mich dadurch immer mehr in dem Gedanken, dass sich Gott auch zu unsern Zeiten noch 7000 Männer aufbehalten hat, die ihre Knien nicht gebeugt haben vor Baal. Diese Gesellschaft hat mich während meines jetzigen Aufenthalts mehr beschäftigt, als obige Gegenstände, die mir vorher ziemlich alle schon bekannt waren. Überdem bin ich diesesmal weder nach Schottland noch Irland gegangen und habe mich größtentheils auf die hiesigen Universitäten und einige wenige Städte eingeschränket. Ich suche nun mehr intensive als extensive meine Kenntnisse zu vermehren, suche mehr multum als multa. Die Vorsehung hat mich ohne mein Zuthun in solche sonderbare Umstände gesetzt, dass ich das um mich sehe, wonach so viele vergeblich rennen, das mir den Aufschluss meiner Natur und Bestimmung gibt, und zugleich der Grund zu meiner Aussicht in eine glückliche Ewigkeit ist. Dieser wandre ich mit Freuden und ausgestreckten Händen entgegen als meinem Ziele, bin unterdessen mit Vaterliebe geleitet und sehe diese Liebe mit jeder neuen Sonne von neuem aufgehen. Übrigens arbeite ich im Stillen, größtentheils für mich, und mit einer geringen Anzahl von Brüdern, die zwar unter dem Himmel zerstreuet sind, mit mir aber auf ewig verbunden leben. Ich bin also kein gelehrter, aber ein geprüfter M – r. Die Arbeit an mir selbst, die ich in der Loge im Bilde sehe, hat mich zu der Halle geführet, wo die wahre Weisheit wohnt, und ich bin versichert, dass wenn Du diesen simpeln Weg gehst, Du sicher wandeln wirst. Die Wahrheit, die wir suchen, liegt uns vor den Augen; unsere Arbeit ist, die Augen zu öffnen, und sie gegen die Wahrheit zu wenden. So klein der Funken dieses Lichts auch ist, wenn wir es zuerst erblicken, so groß wird die Masse desselben, wenn wir in gerader Linie und mit unverwandten Augen darauf zu eilen. Die ganze Sache ließe sich in drei mal drei Worten sagen, wenn der Sinn geöffnet ist, und würde in ebenso viel Folianten Rätsel und Thorheit sein, wenn der verschlossen bleibt. Rectum iter fero cognoui et lassus errando. Nun danke ich Gott, dass ich weiß, an wen ich glaube.
Lebe wohl, mein Bruder, ehe Du Dich‘s versiehst, bin ich bei Dir. Willst Du mir aber noch einmal vorher schreiben, so addressiere Deinen Brief chez Mrs. Romberg et fils à Bruxelles.
Zehnter Brief
Deutschland, den 20. Decembr. 1788.
Wenn ich Dir noch einmal schreibe, lieber Bruder, so geschieht das hauptsächlich in der Absicht, Dich in Deiner guten Entschließung, meinen Ort zu passiren, zu befestigen. Reise hier ja nicht vorbei, denn Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sehr sich nach dieser langen Zwischenzeit meine Seele nach Dir sehnt, und wie unaussprechlich viel ich auf dem Herzen habe, Dich zu fragen und Dir zu erzählen. Ich bin überzeugt, dass die Tage, welche Du bei mir zubringen wirst, weder Dich noch mich jemals gereuen sollen. Hüte Dich auf Deiner Tour nur vor Berlin! Fällst Du den Zionswächtern in die Hände, so zauseln und kämmen sie Dich, dass Du nicht nur eine Tonsur bekommst, sondern auch kein Haar auf‘m Kopfe behältst, und denn stellen sie Dich auf öffentlichem Markt am Pranger als einen geheimen Emissar der Jesuiten. Klagbar werden darfst Du nicht. Denn sie haben schon decidiret, dass – nachdem Stark sachfällig worden ist (wie er’s bei so bewandten Umständen wohl werden musste) sich niemand wieder rippeln solle. Höre einmal, wie sie von ihrem papiernen Zionsthron herabdeklamieren:
„Lavater und Hirschen haben, weil man weder die Zirkelbriefe noch die Anpreisung eines katholischen Gebetbuches, noch die Desorganisation hat billigen, und das Luftsalzwasser für eine Universalarzenei anerkennen wollen, mit Injurienprocessen gedrohet, nein deswegen wohl nicht, sondern wegen der dabei eingeflossenen ganz unerlaubten Impertinenzien) aber damit wird es wohl vor der Hand keine Noth haben, nachdem der gegenwärtige (Starkische Ketzer-) Process so entschieden worden ist, wie man es von so aufgeklärten Richtern in einem Lande, welches auch in Ansehung der Justizpflege, wie in andern Stücken, längst ein Muster für ganz Europa gewesen ist, mit Recht erwarten konnte.“
Du siehst, dass sie den Herren Kammergerichts-Räthen und der Frau Justitia in preußischen Landen die Komplimente an den Kopf werfen, um sich für die Zukunft eine gute Nummer bei ihnen zu machen. Dergleichen Bücklinge und „Reverenze findest Du (in der obigen Recension p. 312. 336 x.) noch mehr.
„Die Processakten – heißt es – sind noch aus einer andern Ursach sehr wichtig; (Nun, warum denn?) denn sie dienen dazu, den gegenwärtigen Gang der preußischen Justiz darzustellen, und die großen Vorzüge zu erkennen, welche solche vor allen anderswo üblichen Arten des Processes hat. (Hem! hem! Das klingt doch ganz anders, als das Urtheil eines sehr gelehrten und fachkundigen Ministers, der sich so erklärte: was den Gang der Processe in andern Ländern beträfe, so stürben die Leute da an der Schwindsucht, im Preußischen aber am Schlage – also sie sterben doch; und hier kommt‘s auf den Geschmack an, welche Todesart man der andern vorzieht, de gustibus non est disputandum. Indessen, wenn‘s nun einmal gestorben sein soll, so denk’ ich auch, wie dort im Gellert steht: haut zu, so werd‘ ich doch der Qual auf einmal los, und es ist meine Meinung gar nicht, die in der That verbesserte preußische Justizpflege herabzusetzen, ich kann nur das ausschweifende Rezensentenlob nicht verdauen. Aber das medium tenuere beati kennen die Herren nicht. Ihr Grundsatz ist der, wenn man lobt oder tadelt muss man‘s in excessa thun, oder es gar bleiben lassen, wie‘s die Brandweintrinker machen; entweder recht oder gar nicht.) Man liest, fährt Recensent fort, die Akten mit Vergnügen (haha, weil die Herren mit blauem Auge weggekommen sind). da hingegen die nach dem an andern Orten üblichen Schlendrian abgefassten Akten jeden Mann von Geschmack zurück schrecken. Vielleicht wird der Abdruck dieser Akten auch den Nutzen haben, heilsame und nothwendige Reformen im Processe und Kanzleistyle auch in andern Ländern zu veranlassen. Das wäre? Wollens doch abwarten. Gleichwohl kann der Recement bei alle dem Lobe, mit dem er die liebe Justiz für sich und Konsorten einnehmen will, doch sein Brodstudium, das kritisieren und tadeln, auch hier nicht verläugnen. Denn er spricht das Kammergericht hätte – obgleich der Regel nach keine Deduktionen in Injuriensachen von den Partheien erfodert würden (muss heißen: zulässig wären) doch diesmal eine 4wöchentliche Frist zur Einbringung der Deduktionsschriften verstattet – womit er die Richter einer öffentlichen Abweichung von ihren Vorschriften und Gesetzen beschuldigt. Sie werden‘s aber dem Manne wohl nicht verübeln. Muss sich doch wohl ihr großer König und seine Minister die Momusurtheile gefallen lassen. Ich weiß nicht, ob Du die geheimen Briefe, die preußische Staatsverwaltung betreffend, gelesen hast. Du sollst sie hier finden, und wirst über den Unsinn und die Tollkühnheit erstaunen, mit der darin die wackersten und verdientesten Männer angegriffen werden. Ich wünschte nur nichts mehr, als dass ihr Verfasser bekannt und nach Verdienst gestraft würde. Auf die Spur hat man ihn bereits, und es kommt nur darauf an, dass die, so um die Sache wissen, sich nicht von ihm bestechen und die Zunge binden lassen. Wie die mehresten vermuthen, so ist es einer aus dem Klub derer, die behaupten, dass der Naturalismus zur Förderung der wahren Rechtschaffenheit ebenso kräftig als das Christenthum sei, dabei aber zu Schandthaten aller Art aufgelegt sind, wie das ist, die Majestäten lästern. – Nach alle dem, was ich Dir bisher geschrieben habe, wirst Du den Schluss machen, mein Bruder, dass die wahren und nützlichsten Wissenschaften seit Deiner Abwesenheit keinen großen Zuwachs bei uns bekommen haben. Allein da irrst Du sehr. Ich will Dir hier authentische Dokumente vorlegen, dass es noch Männer genug bei uns gibt, die über solche nugas hinwegsehen, und ihre Kräfte darauf verwenden, über Philosophie, Theologie, Jurisprudenz täglich mehr Licht zu verbreiten, und wahre Erkenntnis immer gemeinnütziger zu machen. Dies hoffe ich, soll Dich gegen den Verdruss, den Du über jene allotria unserer Journalisten empfunden hast, schadlos halten. Lebe wohl und eile in unsere Umarmungen!