Magie der Magier
Eliphas Levi
Eliphas Levi war ein Okkultist, Eingeweihter und ein Kabbalist. Kabbala kann auch als Kabala, Kabalah, Kabbalah, Qbala bezeichnet werden. Eliphas Levi beschäftigte sich mit Magie und sah als Hermetisches Gesetz das immerwährende Gleichgewicht zweier Kräfte der Natur. Sein Text “Magie der Magier” behandelt Zoroaster und Hermetik. Er beschreibt auch den Anfang der Einweihung. Der Text handelt von den verschiedenen Attributen und diversen Rollenzuschreibungen einer Figur, die nicht aus Fleisch und Blut und doch von prägender Bedeutung für die Entwicklung und Verbreitung der Magie war, als auch für ihren Untergang. Seine symbolbesetzte Philosophie beinhaltet glänzende Lehren, welche noch immer das Interesse vieler Studierenden wecken, tiefer in die hermetischen Welten einzutauchen.
Mysterien Zoroasters oder Magie der Magier – die Wissenschaft vom Symbol des Feuers und der Zauberei der Perser und Assyrer – die Mysterien von Ninive und Babylon – Macht des Blitzes – die Kunst Tiere zu behexen – der Scheiterhaufen Sardanapals.
Zoroaster ist wie Thot oder Hermes sehr wahrscheinlich ein symbolischer Mensch. Nach Eudoxius und Aristoteles lebte er 6000 Jahre vor Platans Geburt, nach anderen 5000 Jahre vor dem trojanischen Krieg. Die einen machen ihn zum König Baktriens, andere versichern die Existenz zweier oder dreier verschiedener Zoroaster. Eudoxius und Aristoteles allein scheinen die magische Person Zoroasters erfasst zu haben, wenn sie den kabbalistischen Zeitraum einer Welt zwischen dem Aufblühen seines Dogmas und der geisterbeschwörenden Philosophie Platons legten. Tatsächlich gibt es zwei Zoroaster, das heißt zwei Offenbarende, einer ist der Sohn des Oromases und Vater einer lichtvollen Lehre, der andere, Sohn des Ahriman und Urheber einer ruchlosen Verbreitung. Zoroaster ist das fleischgewordene Wort der Chaldäer, Meder und Perser. Seine Legende scheint eine Frühform jener von Christus, auch muss er nach dem magischen Gesetz des universalen Gleichgewichts seinen Antichrist gehabt haben.
Dem falschen Zoroaster muss der Kult des materiellen Feuers und das gottlose Dogma vom göttlichen Dualismus zugeschrieben werden, welches später die scheußliche Gnosis des Mannes und die irrigen Lehren der falschen Freimaurerei hervorgebracht hat. Der falsche Zoroaster ist der Vater jener materialistischen Magie, die das Blutbad der Magier verursachte und die wahre Magie der Verbannung und Vergessenheit anheimfallen ließ. Die immer vom Geist der Wahrheit inspirierte Kirche musste unter dem Namen Magie, Manichäismus, Illuminatentum und Freimaurerei alles verbannen, was nur von fern mit der ursprünglichen Entweihung der heiligen Geheimnisse zusammenhing. Hierfür ist die heute noch unverstandene Geschichte der Templer ein glänzendes Beispiel.
Die Dogmen des wahren Zoroaster sind dieselben, wie die der reinen Kabbala, und seine Ideen über das Göttliche sind dieselben, wie die der Kirchenväter. Nur die Namen sind verschieden: so nennt er die Drei, was wir Dreieinigkeit nennen, und in jeder Zahl der Trias findet er den ganzen Ternar. Unsere Theologen nennen dies die Circum-insessio der göttlichen Personen. Zoroaster schließt in diese Vervielfachung der Trias aus sich selbst die absolute Vernunft der Zahl neun und den universellen Schlüssel aller Zahlen und Formen ein. Unsere drei göttlichen Personen nannte Zoroaster die drei Unergründlichkeiten. Die erste oder väterliche Unergründlichkeit ist die Quelle des Glaubens, die zweite oder die des Wortes die Quelle der Wahrheit, die dritte oder die schöpferische Tat, die Quelle der Liebe. Um sich von meinen Angaben zu überzeugen, kann man die Einleitung von Psellus über die Dogmen der alten Assyrer in Magia philosophica von Franziskus Patricius, Seite 24 der Hamburger Ausgabe von 1593 heranziehen.
Auf dieser neunstufigen Leiter baut Zoroaster die ganze himmlische Hierarchie und alle Harmonien der Natur auf. Zur Drei rechnet er alle Dinge, die aus der Idee hervorgehen, zur Vier alle jene, die sich von der Form herleiten. Dies gibt ihm die Sieben als Urbild der Schöpfung. Hier ist das Ende der ersten Einweihung und der Beginn der Lehren der Schule; die Zahlen verkörpern sich, die Ideen werden zu symbolischen Figuren und später zu Abgöttern. So entstehen die Synochäer, Teletarker und die Peres, Diener der dreifachen Hekate, dann die Amalikiter und die drei Gesichter des Hypäzokos; dann die Engel, dann die Dämonen und endlich die menschlichen Seelen. Die Sterne sind Bilder und Spiegelbilder der intellektuellen Lichter, und unsere Sonne ist das symbolische Bild einer Sonne der Wahrheit, der Schatten selbst jener Urquelle, aus der alle Lichter hervorbrachen. Deshalb begrüßen die Anhänger Zoroasters den Sonnenaufgang und galten den Barbaren als Sonnenanbeter.
Dies waren die Dogmen der Magier, aber sie besaßen unter anderem auch Geheimnisse zur Beherrschung der verborgenen Naturkräfte. Diese Geheimnisse, deren Gesamtheit transzendentale Pyrotechnik genannt werden könnte, gründeten sich alle auf das tiefe Wissen und die Beherrschung des Feuers. Sicher kannten die Magier die Elektrizität und besaßen uns noch unbekannte Mittel zu ihrer Erzeugung und Lenkung. Numa, der nach Aussage des Lucius Piso ihre Riten studierte und in ihre Mysterien eingeweiht war, besaß die Kunst der Erzeugung und Lenkung des Blitzes. Dies priesterliche Geheimnis, von diesem römischen Eingeweihten zum Erbteil der Herrscher Roms bestimmt, wurde von Tulius Hostilius, der die elektrische Entladung schlecht lenkte und vom Blitz erschlagen wurde, verloren. Plinius (lib. II Kap. 53) berichtet diese Tatsachen als alte ethruskische Überlieferung und erzählt, Numa habe sich seiner blitzschleudernden Batterie erfolgreich gegen ein Volta genanntes Ungeheuer bedient, das die Gefilde Roms zerstörte. Könnte man beim Lesen dieser Enthüllungen unsern Physiker Volta nicht für einen Mythos halten und die voltaschen Säulen nicht in die Zeit Numas versetzt glauben? Alle assyrischen Symbole beziehen sich auf dieses Wissen vom Feuer, dieses große Geheimnis der Magier, überall finden wir den Zauberer, der den Löwen durchbohrt und die Schlangen in seiner Hand hält. Der Löwe ist das himmlische Feuer, die Schlangen sind die elektromagnetischen Strömungen der Erde. Auf dieses große Geheimnis der Magier müssen alle Wunder der hermetischen Magie zurückgeführt werden, von der die Überlieferungen noch sagen, dass das Geheimnis des großen Werkes in der Beherrschung des Feuers liege. Der gelehrte Franciscus Patricius hat in seiner Magia philosophica, die in den Büchern der Platoniker, in der Theurgie des Proklus, in den Erläuterungen zu Parmenides, jenen des Hermias zu Phädra, in den Anmerkungen des Olympiodor zu Philebus und Phädon gesammelten Orakel des Zoroaster veröffentlicht. Diese Orakel sind vor allem die klare und genaue Form des von uns dargestellten Dogmas, dann folgen die Vorschriften des magischen Rituals mit folgenden Worten:
DIE DÄMONEN UND DIE OPFER.
Die Natur zeigt uns folgerungsweise, dass es unkörperliche Dämonen gibt und die Keime des Bösen in der Natur sich zum Guten und gemeinen Nutzen wenden. Diese Mysterien müssen aber in den undurchdringbarsten Falten des Gedächtnisses verborgen werden. Das im Raum immer bewegte und züngelnde Feuer kann eine körperähnliche Form annehmen. Wir sagen und bejahen besser das Dasein eines mit Bild und Widerhall angefüllten Feuers. Wollt ihr, so nennen wir dieses Feuer ein überfließendes Licht, das strahlt, spricht und in sich beschließt. Das ist das flammende Lichtross oder vielmehr das Kind mit den breiten Schultern, welches das himmlische Ross bändigt und zähmt. Man umgebe es mit Flammen und Gold oder stelle es nackt wie Amor mit den Pfeilen dar. Dauert deine Meditation aber an, so wirst du alle diese Sinnbilder unter der Figur des Löwen vereinigen. Dann wird man nichts mehr vom Bogen des Himmels noch von der Ungeheuerlichkeit des Universums sehen. Die Sterne strahlen nicht mehr und das Mondlicht ist verschleiert. Die Erde zittert, und alles ist in Blitze gehüllt. Rufe dann nicht das sichtbare Trugbild der Naturseele. Denn du darfst es keinesfalls vor der Reinigung deines Körpers durch heilige Prüfungen sehen. Die seelenverweichlichenden und von den heiligen Arbeiten immer weit abhaltenden Hunde verlassen dann die Glieder, wo die Materie ihr Ende findet, und zeigen den sterblichen Augen Erscheinungen immer trügerischer Körper. Arbeite um die durch den Rhombus der Hekate beschriebenen Kreise. Nie verwechsle die barbarischen Namen der Anrufung: Denn es sind die pantheistischen Namen Gottes; sie sind magnetisch von den Anbetungen der Menge und ihre Macht ist unauslöschlich. Und wenn dir dann nach all diesen Phantomen das unkörperliche, heilige Feuer, das alle Tiefen der Erde mit seinen Strahlen auf einmal durchdringt, erstrahlt: Dann höre auf seine Stimme!
Diese erstaunliche Seite, die wir ganz aus dem Lateinischen des Patricius übersetzt haben, enthält alle Geheimnisse des Magnetismus mit einer Unergründlichkeit, die Du Potet und Mesmer niemals geahnt haben.
Hier finden wir:
1. zunächst das astrale Licht mit seiner Gestaltungskraft und Widerspiegelungsfähigkeit von Wort und Stimme vollkommen beschrieben;
2. den Willen des Adepten, das Kind mit den breiten Schultern auf einem weißen Pferd sitzend, eine Hieroglyphe, die wir auf einem alten Tarot der kaiserlichen Bibliothek wiederfanden;
3. die Gefahren der Einbildungen bei den schlecht geleiteten magischen Operationen;
4. das magnetische Instrument, den Rhombus, eine Art hohlen, hölzernen Kinderspielzeugs, das sich mit immer stärker werdendem Schnarren um sich selbst dreht;
5. den Grund der Zauberhandlungen durch Worte und barbarische Namen;
6. das Ende des magischen Werkes, die Besänftigung der Einbildung und Sinne, den Zustand von vollkommenem Somnambulismus und das völlige Hellsehen.
Aus dieser Enthüllung des Altertums ergibt sich, dass die hellseherische Ekstase eine freiwillige und unmittelbar angestrengte Aufmerksamkeit der Seele auf das universale Feuer ist, oder besser auf dieses Feuer voller Bilder, das glänzt, spricht und alle Gegenstände und Welten des Universums in sich beschließt.
Ein Streben, das sich in der Beharrlichkeit eines von den Sinnen befreiten und durch eine Reihe Proben gefestigten Willens betätigt.
Dies war der Anfang der magischen Einweihung.
Der Eingeweihte, zum unmittelbaren Lesen im Lichte gelangt, wurde zum Seher oder Prophet. Hatte er dann seinen Willen mit diesem Licht vereinigt, so lernte er seine Führung, wie man die Spitze eines Pfeils lenkt; er beunruhigte oder besänftigte nach Belieben die Seele, stand über Entfernungen mit anderen Adepten in Verkehr und bemächtigte sich schließlich dieser durch den himmlischen Löwen dargestellten Macht.
Das ist die Bedeutung jener großen assyrischen Figuren, die zahme Löwen unter ihren Armen halten.
Dies ist das durch die gigantischen Sphinxen mit dem Löwenleib und dem Kopf des Magiers dargestellte astrale Licht.
Das zum Werkzeug magischer Macht gewordene astrale Licht ist das goldene Schwert des Mithras, der den heiligen Stier tötet.
Phöbus Pfeil, der die Schlange Python durchbohrt.
Stellen wir uns im Geiste diese großen Hauptstädte Assyriens, Babylon und Ninive, wieder her, geben wir diesen Granitkolossen wieder ihren Platz, bauen wir die von Elefanten und Sphinxen getragenen, massiven Tempel wieder auf, errichten wieder jene von blitzäugigen, schwingengebreiteten Drachen gekrönten Obelisken.
Tempel und Palas beherrschen diese Sammlung von Wundern, hier halten sich die beiden sich unaufhörlich durch Wunder offenbarenden sichtbaren Gottheiten der Erde verborgen, Priester und Königtum.
Der Tempel ist nach dem Belieben der Priester von Wolken umhüllt oder strahlend in übermenschlicher Klarheit; mitunter bedeckt Dunkelheit den Tag, bisweilen erhellt sich die Nacht; die Lichter des Tempels entzünden sich selbst, die Götterbilder erstrahlen, man hört den Donner grollen, und wehe dem Gottlosen, der sich den Bann der Eingeweihten zugezogen hat. Der Tempel beschützt den Palas, und die Diener des Königs kämpfen für die Religion der Magier. Der König ist geheiligt, Gott der Erde, man verneigt sich beim Vorübergehen, und der Wahnsinnige müsste sein unberufenes Betreten der königlichen Schwelle mit sofortigem Tode büßen.
Zu Tod getroffen ohne Keule und Schwert, durch unsichtbare Hand, vom Blitz erschlagen, vom Feuer des Himmels zerschmettert. Welche Religion, welche Macht, welcher Schatten eines Nimrod, Belus, einer Semiramis! Was konnte vor diesen fast sagenhaften Städten mit ihrem unermesslichen Königtum sein, den Städten dieser Riesen und Magier, welche die Überlieferungen mit Engeln verwechseln und Söhne Gottes und Himmelsfürsten nennen! Welche Geheimnisse schlafen in den Grüften der Nationen; und sind wir nicht Kinder, wenn wir, ohne uns um das Auskramen dieser erschreckenden Erinnerungen zu kümmern, unserem Licht und Fortschritt Beifall zollen!
In seinem Buch über die Magie La magie d Èvoil Èe ou principes de science occulte behauptet M. du Potet fast furchtsam, man könne durch eine mächtige Ausstrahlung magnetischen Fluidums ein Lebewesen töten.
Die magische Gewalt wirkt viel weiter, und es handelt sich nicht nur um das sogenannte magnetische Fluidum. Das ganze astrale Licht, das Element von Elektrizität und Blitz, das in den Dienst des menschlichen Willens gestellt werden kann! Was muss man zur Erlangung dieser furchtbaren Macht tun? Zoroaster sagt es uns: man muss die geheimnisvollen Gesetze des Gleichgewichts kennen zur Unterwerfung selbst böser Mächte unter die Herrschaft des Guten; man muss seinen Körper in den heiligen Proben gereinigt, gegen die Phantome der Halluzination gekämpft und Leib an Leib mit dem Licht wie Jakob in seinem Kampf mit dem Engel gerungen haben; die in den Träumen bellenden Hunde muss man bezwungen haben; kurz, man muss, um den bestimmten Ausdruck des Orakels zu gebrauchen, das Licht haben sprechen hören. Dann ist man Meister, dann kann man es wie Numa gegen die Feinde der heiligen Mysterien lenken. Wenn man aber nicht vollkommen rein ist, wenn die Herrschaft irgendeiner tierischen Leidenschaft euch noch den Verhängnissen der Lebensstürme unterwirft, dann verbrennt man sich an den angesteckten Feuern, man wird zur Beute der entfesselten Schlange und kommt vom Blitz erschlagen wie Tullus Hostilius um.
Es entspricht nicht den Naturgesetzen, dass der Mensch von wütenden Bestien zerrissen werden könne, Gott hat ihm Gewalt gegeben, ihnen zu widerstehen; er kann sie mit dem Blick faszinieren, mit der Stimme bändigen, mit einem Zeichen zum Stehen bringen und wir sehen die rüdesten Tiere tatsächlich den festen Blick des Menschen fürchten und vor seiner Stimme erzittern. Die Ausstrahlungen des astralen Lichts lähmen sie und schlagen sie mit Furcht. Als Daniel der falschen Magie und des Betrugs angeklagt wurde, unterwarf ihn und seine Ankläger der König von Babylon der Löwenprobe. Die Tiere greifen nur diejenigen an, die sie fürchten, oder vor denen sie sich selbst ängstigen. Ein unerschrockener, unbewaffneter Mensch würde durch den Magnetismus seines Blickes einen Tiger sicher zurückweichen lassen.
Die Magier bedienten sich dieser Macht, und die Herrscher Assyriens hatten in ihren Gärten gezähmte Tiger, Leoparden und Löwen. Andere fütterte man in den unterirdischen Gewölben der Tempel, wo sie den Prüfungen zur Einweihung dienten. Die symbolischen Bildtafeln geben Kunde davon. Es sind Kämpfe zwischen Menschen und Tieren, und immer sieht man den mit dem Priestergewand bekleideten Eingeweihten diese mit seinem Blick bändigen und mit einer Handbewegung zum Stehen bringen. Mehrere dieser Darstellungen sind zweifellos symbolisch, wenn die Tiere einige Formen der Sphinx wiedergeben. Aber es gibt auch andere, auf denen das Tier natürlich dargestellt ist, und der Kampf die Theorie einer wahren Bezauberung zu sein scheint.
Die Magie ist eine Wissenschaft, die man nicht missbrauchen kann, ohne sie und sich selbst zu verlieren. Die Herrscher und Priester der assyrischen Welt waren zu groß, um nicht dem Untergang ausgesetzt zu sein, wenn sie jemals stürzten; sie wurden hochmütig und fielen. Die große magische Epoche Chaldäas ging den Königreichen der Semiramis und des Ninos vorauf. Schon in dieser Epoche wurde die Religion materialistisch und der Götzendienst beginnt zu triumphieren. Der Kult der Astarte folgt dem der himmlischen Venus, das Königtum lässt sich unter dem Namen Baal und Bei oder Belus anbeten. Semiramis stellt die Religion weit unter Politik und Eroberungen und ersetzt die alten, geheimnisvollen Tempel durch prunkvolle und zudringliche Monumentalbauten. Die magische Idee beherrscht nichtsdestoweniger noch Wissenschaften und Künste und gibt den wunderbaren Konstruktionen dieser Epoche einen unnachahmlichen Charakter von Kraft und Größe. Der Palast der Semiramis war eine erbaute und gemeißelte Synthese der ganzen Lehre des Zoroaster. Wir werden wieder davon sprechen, wenn wir den Symbolismus dieser sieben Weltwunder genannten Meisterwerke des Altertums erklären.
Das Priestertum hatte sich dem Königtum untergeordnet, als es seine eigene Macht materialisieren wollte; das stürzende Königtum musste es zertrümmern, und das geschah unter dem weibischen Sardanapal. Dieser, den Luxus und die Weichlichkeit liebende Fürst, hatte das Weistum der Magier zu dem seiner Buhlinnen gemacht. Wozu sollte auch Wundermacht da sein, wenn nicht zum Vergnügen? Ihr Zauberer, zwingt den Winter Rosen hervorzubringen, steigert die Blume des Weines, nehmt eure Herrschaft über das Licht, um die Schönheit der Frauen göttergleich zu machen! Man gehorcht, und der König schwelgt. Indessen bricht der Krieg aus, der Feind rückt vor …. Doch was bedeutet der Feind dem genießenden und schlafenden Weichling? Aber das ist Ruin, Untergang, Tod! … Der Tod! Sardanapal fürchtet ihn nicht, für ihn ist er endloser Schlaf; aber er versteht es wohl, sich der Arbeit und Schande der Knechtschaft zu entziehen …. Die letzte Nacht ist da, der Sieger vor den Toren, die Stadt widerstandslos, morgen ist das Königreich gewesen. Der Palast des Sardanapal erstrahlt, erglänzt in solch wunderbarem Licht, dass er die ganze bestürzte Stadt erhellt. Auf Bergen von kostbaren Stoffen, Edelsteinen und goldenen Gefäßen feiert der König seine letzte Orgie. Seine Frauen, Günstlinge, Mitverbrecher, seine entehrten Priester umgeben ihn; trunkener Lärm mengt sich in den Klang von tausend Instrumenten, die abgerichteten Löwen brüllen, und eine Wolke von Wohlgerüchen entströmt den Palastgewölben und hüllt alle seine Baulichkeiten ein. Züngelnde Flammen lecken schon durch die Decken aus Zedernholz … Trunkene Lieder machen dem Gebrüll des Entsetzens und dem Todesröcheln Platz …. Die Magie konnte in den Händen seiner heruntergekommenen Eingeweihten das Reich des Ninos nicht erhalten, aber sie will wenigstens ihre Wunder mit der schrecklichen Erinnerung dieses gigantischen Selbstmords verbinden. Eine solch unermessliche und unheimliche Helle, wie sie Babylons Nächte niemals gesehen, scheint plötzlich die Kuppel des Himmels empor zu wölben und zu erweitern…. Ein Getöse, als brächen alle Gewitter herein, erschütterte die Stadt, deren Mauern bersten…. Wieder tiefe Nacht; der Palast des Sardanapal ist nicht mehr, und morgen werden seine Sieger nichts mehr finden von seinen Reichtümern, nichts von seinem Leichnam, seinen Ausschweifungen.
So endet das erste Reich Assyriens und die von dem wahren Zoroaster geschaffene Zivilisation. Dort endet die eigentliche Magie, und die Herrschaft der Kabbala nimmt hier ihren Anfang. Als Abraham Chaldäa verließ, hat er die Mysterien mitgenommen. Das Volk Gottes wächst im Stillen, und bald werden wir Daniel mit den elenden Zaubereien Nabuchodonosors und Belsazars ringen finden.
Nach Suidas, Cedrenus und Chronik von Alexandrien verschwand der in seinem Palast belagerte Zoroaster plötzlich mit all seinen Geheimnissen und Reichtümern unter einem furchtbaren Donnerschlag. In jener Zeit galt jeder die göttliche Macht ausübende König als eine Verkörperung Zoroasters, und Sardanapal wurde auf seinem Scheiterhaufen zum Gott.