Buch 02

Das andere Buch Hermetis – Das Gemüt an Hermes

Titelblatt der ersten Ausgabe in Deutsch, Hamburg 1706
Das Gemüt
1. Sei stille, du allergrößter Mercurius, und erinnere dich dessen, was da gesprochen ist, was mir eingefallen ist, will ich dir ohne Verzug offenbaren.

Hermes
2. Wiewohl vielerhand so viele und so unterschiedliche Sachen von diesem ganzen Wesen und von Gott auf die Bahn gebracht, dennoch habe ich die Wahrheit davon nicht vermocht zu lernen, erklärt mir doch solches, mein Herr, denn die allein will ich in Erklärung dieser Dinge glauben.

Das Gemüt
3. Darauf sprach das Gemüt: Höre mir zu, mein Sohn, wie sich Gott und all das Wesen verhält, Gott, die Ewigkeit, die Welt, die Zeit, die Geburt.

4. Gott macht die Ewigkeit, die Ewigkeit macht die Welt, die Welt macht die Zeit, die Zeit macht die Geburt.

5. Das Gute, das Herrlichste, die Seligkeit, die Weisheit ist das Wesen Gottes; das Wesen der Ewigkeit ist die Dauerhaftigkeit, das Wesen der Welt ist die Ordnung; das Wesen der Zeit ist die Verwandlung, und das Wesen der Geburt ist Leben und Tod.

6. Die Wirkung Gottes ist das Gemüt und die Seele; die Wirkung der Ewigkeit ist das allzeit Dauern und Unsterblichkeit; die Wirkung der Welt ist das Aufrichten oder Machen und das Zerstören oder Brechen; die Wirkung der Zeit ist das Ab- und Zunehmen; die Wirkung der Geburt ist die Eigenschaft.

7. Darum so ist in Gott die Ewigkeit, in der Ewigkeit die Welt, in der Welt die Zeit, in der Zeit die Geburt.

8. Und die Ewigkeit steht rundum um Gott; die Welt wird in der Ewigkeit bewegt, die Zeit in der Welt beschlossen, und die Geburt ist in der Zeit.

9. Der Ursprung aller Dinge ist Gott, das Wesen desselben die Ewigkeit, und von dieser ist die Materie der Welt.

10. Die Kraft Gottes ist die Ewigkeit, und das Werk der Ewigkeit ist die Welt, welche nicht etwa einmal gewesen, sondern noch allezeit von der Ewigkeit ist, darum sie auch nimmermehr vergeben wird; denn die Ewigkeit ist unvergänglich, gleichwie auch nichts von den Dingen, die in der Welt sind, vergehen wird, dieweil die Ewigkeit die Welt in sich begreift.

Hermes
11. Aber was ist Gottes Weisheit?

Das Gemüt
12. Das Gute und das Herrliche, Heilige und die Seligkeit und alle Tugenden und die Ewigkeit.

13. So gibt demnach die Ewigkeit der Materie die Unsterblichkeit und das allezeit beständig; denn derselben Gebühr besteht von der Ewigkeit, wie die Ewigkeit von Gott besteht.

14. Denn die Geburt und Zeit in dem Himmel und auf Erden sind zweierlei Naturen; in dem Himmel sind sie unveränderlich und unvergänglich, aber auf Erden veränderlich und vergänglich.

15. Und Gott ist die Seele der Ewigkeit, die Ewigkeit die Seele der Welt, der Himmel die Seele der Erde.

16. Und Gott ist in dem Gemüt, das Gemüt in der Seele, die Seele in der Materie und dies alles durch die Ewigkeit.

17 Und dieser ganze Leib, in welchem alle Leiber sind, ist voll von Seelen, die Seele ist voll der Gemüter und voll Gottes.

18. Inwendig erfüllt sie den Leib, auswendig umfasst sie denselben und macht das ganze Wesen lebendig, nämlich von außen diese vollkommenen Geschöpfe oder Tiere, die Welt: und inwendig alle anderen Geschöpfe oder Tiere, und über das bleibt sie in dem Himmel in ihrer Selbstheit, und unten auf der Erde verwandelt sie die Geburt.

19. Dieses alles begreift die Ewigkeit, es sei nun (wie jemand meinen möchte) durch eine Notwendigkeit oder durch eine Vorsehung oder durch eine Natur oder durch etwas anderes, so ist es doch alles der wirkende Gott.

20. Es ist aber die Wirkung Gottes eine über alle Maßen große Kraft, mit welcher nichts Menschliches noch Göttliches kann verglichen werden.

21. Darum, lieber Hermes, musst du gar nicht meinen, dass irgendetwas von den Dingen, die hiernieder, oder etwas von denen, die da oben sind, Gott gleich sei, sonst würdest du von der Wahrheit abweichen; denn demselben, welcher keinen gleichen hat und allein einzeln und einer ist, ist nichts gleich.

22. So musst du auch nicht meinen, dass er einem andern in der Kraft weiche, denn wer ist ihm gleich, es sei im Leben, in der Unsterblichkeit, Veränderung und Eigenschaft?

23. Denn was sollte er sonst machen? Gott ist nicht ledig oder müßig, denn sonst sollten alle Dinge ledig oder müßig sein, indem alle Dinge voll in Gott sind.

24. In der Welt ist auch nirgends eine Ledigkeit oder Unwirklichkeit, denn Ledigkeit ist ein Name, welcher leer oder ledig ist von jemand, der da macht, und von etwas, das gemacht wird.

25. Es müssen demnach durchgehend alle Dinge gemacht werden, allezeit und nach der Natur eines jeden Ortes.

26. Denn der Schöpfer wohnt in allen Dingen und nicht in einem einigen allein, er macht auch nicht allein Einiges, sondern alle Dinge.

27. Denn nachdem er eine wirkende Kraft ist, so ist er genügsam oder fähig, alle Dinge zu machen, und die gemacht werden, seien unter ihm.

28. Siehe durch mich diese Welt an, die deinem Gesicht ist vorgestellt, und betrachte gründlich ihre Herrlichkeit; es ist durchgehend ein unverwelklicher Leib, von welchem nichts eher oder älter ist, allezeit jung und blühend.

29. Siehe auch die oben gesetzten oder gepflanzten sieben Welten an, welche mit ewiger Ordnung geziert sind und mit unterschiedlichen Läufen die Ewigkeit anfüllen, welches alles voll Licht, doch nirgends ein Feuer ist.

30. Denn die Freundschaft und die Vermischung von streitigen und ungleichen Dingen ist ein Licht geworden, welches erleuchtet wird von der Wirkung Gottes, dem Gebärer alles Guten und dem Haupte aller Ordnung und dem Fürsten der sieben Welten.

31. Siehe den Mond, den Vorläufer aller dieser Welten, an, das Werkzeug der Natur und der die Materien hier unten verwandelt.

32. Siehe die Erde an, welche in der Mitte des ganzen Wesens ist und zu einem Grund der herrlichen Welt ist befestigt worden, eine Ernährerin und Säug-Amme der Dinge, welche auf Erden sind.

33. Siehe die Vielheit der unsterblichen wie auch der sterblichen Geschöpfe oder Tiere, wie groß dieselbe ist und wie der Mond in der Mitte zwischen beiden, den Sterblichen und Unsterblichen, rundum läuft.

34. Wie alle Dinge voll sind von Seelen und alle Dinge nach ihrer eigenen Art bewegt werden; nämlich jene um den Himmel und diese um die Erde und die zur rechten Seite, nicht zur linken, noch die zur linken zu der rechten, noch die oberen zu der unteren, noch die unteren zu der oberen.

35. Dass nun alle diese Dinge geboren sind, allerliebster Hermes, solches hast du nicht nötig ferner von mir zu lernen, denn es sind ja Leiber, haben eine Seele und werden bewegt.

36. Aber dass dieselben ineinander zusammengehen können, ohne jemand, der dieselben also zusammen versammelt, ist ganz unmöglich; so muss denn da jemand sein, der solches tut; und dieser muss ein Einiger sein.

37. Denn nachdem sehr unterschiedene und viele Bewegungen, wie auch die Leiber einander nicht gleich sind, und aber in allem nur eine einzige Geschwindigkeit ist ordinieret; so ist es unmöglich, dass zwei oder mehr Macher oder Werkmeister können sein.

38. Denn eine einzige Ordnung allein wird bei Vielen (verstehe Werkmeistern) nicht in acht genommen oder gehalten, sondern wenn derselben Viele wären, so würde bei den Schwächsten ein Eifer entstehen gegen denjenigen, welcher vortrefflicher würde sein, woraus Zwist und Zwietracht erfolgen würden.

39. Und wenn ein anderer der Schöpfer wäre der veränderlichen und unsterblichen Geschöpfe oder Tiere, so würde derselbe auch die unsterblichen schaffen wollen, gleichwie der Schöpfer der Unsterblichen würde begehren die Sterblichen zu schaffen.

40. Gesetzt, dass ihrer auch zwei wären (da doch nur eine Materie ist), bei welchem von ihnen sollte das Amt der Schöpfung sein? Im Fall es vielleicht bei allen beiden sollte sein, bei welchem sollte denn das größte Teil sein?

41. Doch führe dir zu Gemüte, dass dieser ganze lebendige Leib seine Zusammenknüpfung habe aus der Materie und der Seele; sowohl als das Sterbliche und das Unsterbliche oder das Vernünftige.

42. Denn alle lebendigen Leiber sind beseelt, aber die nicht leben, die sind an sich selbst eine bloße Materie, gleicher Gestalt als die Seele, an ihr selbst dem Schöpfer sehende beigefügt, die Ursache des Lebens ist und auch einigermaßen der Urheber von dem Unsterblichen.

43. Wie sind denn die sterblichen Tiere voneinander unterschieden? Und wie sollte dasjenige, welches unsterblich ist und Unsterblichkeit macht, auch nicht die Tiere machen.

44. Dass demnach jemand sei, der dies mache, das ist klar, und dass es nur ein einziger sei, solches ist das Offenbarste, denn es ist nur eine Seele, nur ein Leben, nur eine Materie.

Hermes
45. Aber wer ist dieser?

Das Gemüt
46. Wer sollte es anders sein, als nur der einige Gott, denn wo ist jemand anders, welcher sollte können beseelte Tiere machen denn Gott alleine; deshalb ist daraus nur ein einziger Gott.

47. Dies ist das Allerlächerlichste; du bekennst, dass da sei nur eine Welt, nur eine Sonne, nur ein Mond, nur eine Gottheit, willst du denn, dass mehr denn ein Gott sei? Er macht doch ja alles selbst einig und allein in vielen.

48. Wie sollte es doch Gott schwerfallen, das Leben, die Seele, die Unsterblichkeit und die Veränderung zu machen, nachdem du selbst so viel Dinge machst.

49. Denn du siehst, du sprichst, du hörst, du riechst, du schmeckst, du fühlst, du wandelst, du verstehst, du atmest, und es ist dennoch kein anderer, der da sieht, kein anderer, der da hört, kein anderer, der da spricht, kein anderer, der da fühlt, kein anderer, der da riecht, kein anderer, der da geht, kein anderer, der da versteht, kein anderer, der da Atem holt, sondern nur ein Einziger ist alles dasselbe.

50. Auch ist es unmöglich, dass einige Dinge ohne Gott könnten sein: Denn gleich wie du, wenn du von diesen Dingen entledigt bist, nicht mehr ein Tier bist, also auch, wenn Gott von diesen Dingen entblößt stünde (welches doch zu sagen unerlaubt ist), so wäre er nicht mehr Gott.

51. Denn wenn bewiesen würde, dass er nichts vermöchte, so würde auch bewiesen sein, dass er kein Gott wäre.

52. Denn im Fall, da etwas wäre, das er nicht machte, so wäre er (das auch unbillig ist zu sagen) unvollkommen: Weil er aber gar nicht leer, sondern vollkommen ist, darum so macht er alle Dinge.

53. Lieber Hermes! Ergib dich mir eine kleine Zeit, so wirst du leicht verstehen, dass dieses das nötige Werk Gottes sei, dass alle Dinge werden, die da werden; welche entweder schon geworden sind oder noch zukünftig werden sollen.

54. Mein Allerliebster! Dies ist das Leben, dies ist das Herrlichste, dies ist das Gute, dies ist in Gott.

55. Wenn du dieses auch in der Tat willst verstehen, so besiehe das, was dir begegnet, wenn du zeugen willst: obwohl dieses jenen nicht gleich ist, denn er wird von Wollust nicht gerührt und hat auch zu seinem Werk keine andere Hilfe.

56. Denn nachdem er Werkmeister ist, so ist er allezeit wirkend und ist selbst dasjenige, was er macht: denn im Fall er von demselben würde abgesondert, so müsste notwendig alles einfallen, alles sollte müssen sterben, aus Ursache, weil dabei kein Leben wäre.

57. Aber weil alles lebt und dennoch nur ein einiges Leben ist, so ist denn auch nur ein einiger Gott, und wiederum nachdem alles lebt, beides, was im Himmel und auf Erden ist (und dennoch nur in allem nur ein einziges Leben ist), so wird dasselbige von Gott sein, ja es ist selbst Gott: Darum wird alles von Gott.

58. Das Leben ist eine Vereinigung des Gemütes und der Seelen: Es ist aber der Tod nicht eine Verderbung von den zusammengesetzten Dingen, sondern eine Auflösung von der Vereinigung.

59. Darum ist die Ewigkeit das Bild Gottes und die Welt das Bild der Ewigkeit, die Sonne das Bild der Welt, der Mensch das Bild der Sonne.

60. Das gemeine Volk nennt allein die Veränderung einen Tod, weil das Leben wird aufgelöst und das Leben in das Verborgene eintritt.

61. Mein allerliebster Hermes! Ich sage demnach, gleich wie du hörst, dass die Welt wohl wird verändert, weil täglich ein Teil derselben in das Verborgene geht, aber nicht so, dass dieselbe wird aufgelöst.

62. Und das sind die Passionen oder Leidenschaften der Welt, nämlich die Umläufe und die Verbergungen; das Umlaufen ist die Veränderung, und die Verbergung ist die Erneuerung.

63. Die Welt ist allbildlich, nicht dass sie die Gestalt außer sich hat, sondern weil sie dieselbe in sich selbst verwandelt.

64. Nachdem nun die Welt allbildlich ist, was soll dann der Schöpfer sein? Bildlos kann er gleichwohl nicht sein, ist er denn auch allbildlich, so muss er der Welt gleich sein, hat er denn nur eine Gestalt, so ist er in diesem Stücke weniger als die Welt.

65. Was sagen wir dann, dass er sei? Auf dass wir die Rede nicht zweifelhaft stellen, denn dass man von Gott versteht, ist nicht zweifelhaft.

66. Überdies hat er nur eine Gestalt, welche ihm eigen ist, welche ihm gleich, doch als unleiblich mit den Augen nicht gesehen wird, aber durch die Leiber alle Gestalten an den Tag legt.

67. Und verwundere dich nicht, dass da eine unleibliche Gestalt sei, denn sie ist gleich als die Gestalt der Rede und die Ränder oder Züge der Schriften, welche wohl scheinen, als ob sie hervorragten, aber von Natur gleich und glatt sind.

68. Doch überwäge, welches noch freier (dennoch sehr wahrhaftig) gesagt wird: Gleichwie der Mensch ohne das Leben nicht leben kann; also sollte Gott auch nicht können leben, wenn er nichts Gutes machte: Denn dies ist gleichsam das Leben und die Bewegung Gottes, dass er alles bewegt und lebendig macht.

69. Doch etliche Dinge, von welchen wir reden, haben ihren eigenen Verstand, darum begreife dasselbe also, wie ich dir’s sage.

70. Alle Dinge sind in Gott: Nicht als in einem Orte beiseitegelegt: Denn ein Ort ist ein Leib und unbeweglich; dasjenige, was in demselben ist, hat auch keine Bewegung; denn es liegt anders in dem Unleiblichen, anders in der Einbildung.

71. Betrachte denjenigen, der alle Dinge begreift, und überlege, wie dass da nichts sei, welches mehr begreife oder umfasse; nichts geschwinder, nichts mächtiger sei denn das Unleibliche, so dass es das Meistbegreifende, das Allergeschwindeste, das Allermächtigste unter allen Dingen ist.

72. Und gedenke also von dir selbst und befehle deiner Seele, dass sie nach Indien reise, allwo sie eher, als du befohlen, sein wird.

73. Befehle ihr über den Ozean zu fahren, sie wird alsobald geschwinde da sein, nicht als aus dem einen in den andern Ort sich versetzende, sondern alsobald als da selbst seiende.

74. Befehle ihr in den Himmel aufzufliegen, sie wird keine Flügel nötig haben, ihr wird auch nichts im Wege sein, weder das Feuer der Sonne noch die Luft, weder die Umwälzungen, weder die Leiber von den anderen Gestirnen, sondern sie wird alles durchdringen und bis an den letzten Leib auffliegen.

75. Im Fall du auch dieses ganze Wesen willst durchbrechen und das, was außerhalb der Welt ist (wenn etwas außer ihr ist), anschauen, so ist dir solches zugelassen.

76. Deshalb siehe, wie große Macht, wie große Geschwindigkeit du hast; kannst du dies alles zusammen tun, und Gott sollte dasselbe nicht können?

77. Darum betrachte Gott auf eine solche Weise, wie er alle verständigen Geschöpfe in sich hat, nämlich die ganze Welt selbst.

78. Im Fall du dich selbst also Gott nicht kannst gleichmachen, so kannst du Gott nicht verstehen, denn gleich wird verstanden von seinesgleichen.

79. Du musst dich zu einer unermesslichen Größe machen und von allen Leibern ausspringen, dich über alle Zeit erheben und die Ewigkeit werden, so wirst du Gott verstehen.

80. Du musst in dir nichts Unmögliches glauben zu sein, dich auch selbst unsterblich achten, und dass du mächtig seiest, zu verstehen alle Kunst, alle Wissenschaft und Eigenschaft von allen Geschöpfen.

81. Du musst höher werden als alle Höhen und niedriger als alle Tiefen.

82. Fasse in dir zusammen alle Sinne der gemachten Dinge; des Feuers, des Wassers, der Trockenheit, der Feuchte, und dass du überall zugleich seiest auf Erden, im Meer, im Himmel, dass du noch ungeboren, dass du noch im Mutterleibe seiest, dass du noch jung, dass du alt, dass du tot seiest und das, was nach dem Tode folgt, so wirst du dies Alles zugleich verstehen, die Zeiten, den Raum, die Werke, die Eigenschaft und die Größe: Solltest du denn Gott nicht verstehen?

83. Aber du wirst deine Seele im Leibe verschließen, dieselbe verkleinern und wollest sagen, ich verstehe nichts, ich kann nichts, ich fürchte das Meer, in den Himmel kann ich nicht steigen, ich weiß nicht, wer ich bin, weiß auch nicht, wer ich werde sein: Was geht dich dann Gott an?

84. Du kannst doch von den herrlichen und guten Dingen nichts verstehen, weil du den Leib liebst und böse bist: Denn Gott nicht zu kennen, ist eine dreifache Bosheit.

85. Aber zu kennen und bekennen und hoffen zu wollen, solches ist der rechte und göttliche Weg, der zum Guten leitet, der dir überall, wohin du gehst, eben und leicht wird begegnen und von dir überall wird gesehen werden, auch wenn du nicht darauf gedenkst; es sei, du wachst oder schläfst, du reist zu Wasser oder zu Lande, es sei bei Tage oder bei Nacht, du sprichst oder schweigst, denn es ist nichts, welches nicht ein Bildnis der Gottheit sei.

86. Weiter, sagst du, Gott ist unsichtbar; wie sprichst du so? Denn wer ist mehr offenbar als er, er hat deswegen alle Dinge gemacht, dass du Ihn durch alles sollst sehen.

87. Das ist das Gute Gottes, das ist seine Tugend, dass er sich durch alles offenbart.

88. Denn es ist nichts unsichtbar, so gar nichts von den Dingen, welche unleiblich sind: Das Gemüt wird in dem Verstehen gesehen und Gott im Schöpfen.

89. Dies ist dir, Tris-Megiste, soweit offenbar gemacht worden, aber das andere allzusammen verstehe gleicher Gestalt durch dich selbst, so wirst du nicht irren.