Von Erforschung des göttlichen Wesens in der Natur
Das 1. Kapitel
Von Erforschung des göttlichen Wesens in der Natur
Von beiden Qualitäten
Wiewohl Fleisch und Blut das göttliche Wesen nicht ergreifen kann, sondern der Geist, wenn er von Gott erleuchtet und angezündet wird, so man aber will von Gott reden, was Gott sei, so muß man fleißig erwägen die Kräfte in der Natur, dazu die ganze Schöpfung, Himmel und Erden, sowohl Sternen und Elementa und die Kreaturen, so aus denselben sind herkommen, sowohl auch die heiligen Engel, Teufel und Menschen, auch Himmel und Hölle.
2. In solcher Betrachtung findet man zwo Qualitäten, eine gute und eine böse, die in dieser Welt in allen Kräften, in Sternen und Elementen, sowohl in allen Kreaturen ineinander sind wie ein Ding, und bestehet auch keine Kreatur im Fleische in dem natürlichen Leben, sie habe denn beide Qualitäten an sich.
3. Allhier muß man nun betrachten, was das Wort Qualität heißt oder ist. Qualität ist die Beweglichkeit, Quallen oder Treiben eines Dinges, als da ist die Hitze, die brennet, verzehret und treibet alles, das in sie kommt, das nicht ihrer Eigenschaft ist. Hinwiederum erleuchtet und erwärmet sie alles, was da ist kalt, naß und finster und machet das Weiche hart. Sie hat aber noch zwo Species in sich, als nämlich das Licht und die Grimmigkeit, davon zu merken ist.
4. Das Licht oder das Herze der Hitze ist an ihm selber ein lieblich, freudenreicher Anblick, eine Kraft des Lebens, eine Erleuchtung und Anblick eines Dinges, das da ferne ist, und ist ein Stück oder Quell der himmlischen Freudenreich. Denn es machet in dieser Welt alles lebendig und beweglich, alles Fleisch, sowohl Bäume, Laub und Gras wächset in dieser Welt in Kraft des Lichts und hat sein Leben darinnen als in dem Guten.
5. Hinwiederum hat sie in sich die Grimmigkeit, daß sie brennet, verzehret und verderbet; dieselbe Grimmigkeit quellet, treibet und erhebet sich in dem Licht und machet das Licht beweglich, ringet und kämpfet miteinander in seinem zweifachen Quell als ein Ding. Es ist auch ein Ding, aber es hat einen zweifachen Quell.
6. Das Licht bestehet in Gott ohne Hitze, aber in der Natur bestehet es nicht; denn in der Natur sind alle Qualitäten ineinander wie eine Qualität nach Art und Weise, wie Gott alles ist und wie von ihm alles herkommt und ausgehet: Gott ist das Herze oder Quellbrunn der Natur, aus ihm alles herrühret.
7. Nun herrschet die Hitze in allen Kräften in der Natur und erwärmet alles und ist ein Quell in allem; sonst wo das nicht wäre, so wäre das Wasser viel zu kalt und die Erde erstarrete, auch so wäre keine Luft nicht.
8. Die Hitze herrschet in allem, in Bäumen, Kraut und Gras. Darum heißt sie eine Qualität, daß sie in allem quillet und alles erhebet.
9. Das Licht aber in der Hitze gibt allen Qualitäten die Kraft, daß alles lieblich und wonnereich wird. Die Hitze ohne das Licht ist den andern Qualitäten kein Nutz, sondern ist eine Verderbung des Guten, ein böser Quell; denn es verdirbet alles in der Hitze Grimmigkeit. Also ist das Licht in der Hitze ein lebendiger Quellbrunn, darein der Hl. Geist gehet, aber in die Grimmigkeit der Hitze nicht. Die Hitze aber macht das Licht beweglich, daß es quallet und treibet, als man siehet im Winter. Da ist das Licht der Sonnen gleichwohl auf Erden, aber der Sonnenhitze Strahlen kann den Erdboden nicht erreichen, darum wächset auch keine Frucht.
Von der Kälte Qualifizierung
10. Die Kälte ist auch eine Qualität wie die Hitze. Sie qualifiziert in allen Kreaturen, was aus der Natur worden ist, und in allem, was sich darinnen beweget: in Menschen, Tieren, Vögeln, Fischen, Würmen, Laub und Gras, und ist der Hitze entgegengesetzt und qualifizieret in derselben, als wäre es ein Ding. Sie wehret aber der Hitze Grimmigkeit und stillet die Hitze.
11. Sie hat aber auch zwo Species in sich, davon zu merken ist, als nämlich daß sie die Hitze besänftiget und alles fein lieblich machet, und ist in allen Kreaturen eine Qualität des Lebens; denn es kann keine Kreatur außer der Kälte bestehen; denn sie ist eine quellende, treibende Beweglichkeit in allen Dingen.
12. Die andere Species ist die Grimmigkeit; denn so sie Gewalt kriegt, so druckt sie alles nieder und verderbet alles wie die Hitze. Es kann kein Leben in ihr bestehen, so ihr die Hitze nicht wehret. Die Grimmigkeit der Kälte ist eine Verderbung alles Lebens und ein Haus des Todes, gleichwie der Hitze Grimmigkeit auch ist.
Von der Luft und des Wassers Qualifizierung
13. Die Luft hat ihren Ursprung von der Hitze und Kälte; denn die Hitze und Kälte treiben gewaltig von sich und erfüllen alles; davon wird eine lebende und webende Bewegung. Wenn aber die Kälte die Hitze besänftiget, so wird beider Qualität dünne und die bittere Qualität zeucht es zusammen, daß es tröpflich wird. Die Luft aber hat ihren Ursprung und größte Bewegung aus der Hitze, und das Wasser von der Kälte.
14. Nun ringen die zwo Qualitäten stets miteinander. Die Hitze verzehret das Wasser und die Kälte zwinget die Luft. Nun ist aber die Luft eine Ursache und Geist alles Lebens und aller Bewegung in dieser Welt, es sei gleich dem Fleische oder in allem dem, was aus der Erden wächset, so hat es alles sein Leben von der Luft und kann nichts außer der Luft bestehen, das in dieser Welt ist, das sich beweget.
15. Das Wasser quellet auch in allen lebendigen und webenden Dingen in dieser Welt. In dem Wasser bestehet der Leib aller Dinge und in der Luft der Geist, es sei gleich im Fleische oder in den Gewächsen aus der Erden, und dieses beides kommt aus der Hitze und Kälte und qualifizieret untereinander wie ein Ding.
16. Nun aber sind in diesen beiden Qualitäten auch zwo sonderliche Species zu merken, als nämlich die lebendige und tödliche Wirkung. Die Luft ist eine lebendige Qualität, so sie sänftig in einem Dinge ist, und der Hl. Geist herrschet in der Sanftmut der Luft, und alle Kreaturen sind fröhlich darinnen. Sie hat aber auch die Grimmigkeit in sich, daß sie tötet und verderbet durch ihre grausame Erhebung. Die Qualifizierung nimmt aber von der grimmen Erhebung ihren Ursprung, daß es in allem quellet und treibet, davon das Leben Ursprung hat und stehet, darum muß es beides in diesem Leben sein.
17. Das Wasser hat auch einen grimmen, tödlichen Quell in sich, denn es tötet und verzehret; dazu muß alles Lebende und Webende in dem Wasser verfaulen und verderben.
18. Also ist die Hitze und die Kälte eine Ursache und Ursprung des Wassers und der Luft, darinnen alles wirket und stehet. Alles Leben und Beweglichkeit stehet darinnen, davon ich von Erschöpfung der Sternen klärlich schreiben will.
Von den Einfliissen der andern Qualitäten in die drei Elementa:
Feuer, Luft und Wasser – Von der bittern Qualität
19. Die bittere Qualität ist das Herze in allem Leben, gleichwie sie in der Luft das Wasser zusammenzeucht und auch zertreibet, das es scheidlich wird, also auch in allen Kreaturen, sowohl auch in Gewächsen der Erden; denn Laub und Gras hat seine grüne Farbe von der bittern Qualität. So nun die bittere Qualität in einer Kreatur sänftig wohnet, so ist sie ein Herze oder Freude in derselben; denn sie zerschneidet alle anderen bösen Einflüsse und ist ein Anfang oder Ursache der Freuden oder des Lachens.
20. Denn so sie beweget wird, machet sie eine Kreatur zittern und freudenreich und erhebet dieselbe mit ganzem Leibe; denn es ist gleich ein Anblick der himmlischen Freudenreich, eine Erhebung des Geistes, ein Geist und Kraft in allen Gewächsen aus der Erden, eine Mutter des Lebens.
21. Der Hl. Geist wallet und treibet mächtig in dieser Qualität, denn sie ist ein Stück der himmlischen Freudenreich, wie ich hernach beweisen will. Sie hat aber auch noch eine Species in sich, als nämlich die Grimmigkeit, die ist ein wahrhaftig Haus des Todes, eine Verderbung alles Guten, eine Verderbnis und Verzehrung des Lebens im Fleische. Denn so sie sich in einer Kreatur zu sehr erhebet und entzündet sich in der Hitze, so scheidet sie Fleisch und Geist und muß die Kreatur des Todes sterben; denn sie quallet und zündet an das Element Feuer, darinnen kann kein Fleisch bestehen in der großen Hitze und Bitterkeit. So sie sich aber in dem Element Wasser entzündet und darinnen quellend wird, so bringt sie das Fleisch in Siechtage und Krankheit und endlich in Tod.
Von der süßen Qualität
22. Die süße Qualität ist der bittern entgegengesetzet und ist eine holdselige liebliche Qualität, eine Erquickung des Lebens, eine Sänftigung der Grimmigkeit; sie machet alles lieblich und freundlich in allen Kreaturen. Die Gewächse aus der Erden machet sie wohlriechend und schmeckend mit schönen gelben, weißen und rötlichen Farben. Sie ist ein Anblick und Quell der Sanftmut, eine Wonne der himmlischen Freudenreich, ein Haus des Hl. Geistes, eine Qualifizierung der Liebe und Barmherzigkeit, eine Freude des Lebens. Hinwieder hat sie auch einen grimmen Quell des Todes und des Verderbens in sich; denn so sie in der bittern Qualität entzündet wird in dem Element Wasser, so gebäret sie Krankheit und aufgeschwollene Pestilenz und Verderbung des Fleisches. So sie aber in der Hitze und Bitterkeit entzündet wird, so infizieret sie das E1ement Luft, davon gebäret sich die geschwinde, fliegende Pestilenz und jählinger Tod.
Von der sauren Qualität
23. Die saure Qualität ist der bittern und süßen entgegengesetzt und temperieret alles fein, eine Erquickung und Löschung, so sich die bittere und süße Qualität zu sehr erhebet. Eine Begierde in dem Geschmack, eine Lust des Lebens, eine quellende Freude in allen Dingen, eine Begierde, Sehnen und Lust der Freudenreich, eine stille Wonne des Geistes, solches temperiert sie in allen lebendigen und quellenden Dingen. Sie hat aber auch in ihr einen Quell des Bösen und Verderbens; denn so sie sich zu sehr erhebet oder in einem Dinge zu sehr quellet, daß sie sich entzündet, so gebäret sie Traurigkeit, Melancholie, in dem Wasser einen Gestank, rührig und brüchig, eine Vergessung alles Guten, eine Traurigkeit des Lebens, ein Haus des Todes, ein Anfang der Traurigkeit und ein Ende der Freuden.
Von der herben oder gesalzenen Qualität
24. Die gesalzene Qualität ist eine gute Temperanz in der bittern, süßen und sauren und machet alles fein lieblich, wehret dem Aufsteigen der bittern Qualität, sowohl auch der süßen und sauren, daß sie sich nicht entzünden. Sie ist eine scharfe Qualität, eine Lust des Geschmackes, ein Quell des Lebens und der Freuden. Hinwider hat sie auch in ihr die Grimmigkeit und Verderben. Wenn sie in dem Feuer entzündet wird, so gebäret sie eine harte, reißende, steinernde Art, eine grimmige Quall, eine Verderbung des Lebens. Davon wächset in dem Fleische der Stein, davon das Fleisch große Marter leidet. So sie aber in dem Wasser entzündet wird, so gebäret sie in dem Fleische böse Rauden, Geschwüre, Franzosen, Krätze und Aussatz und ein Trauerhaus des Todes, ein Elend und Vergessung alles Guten.