Jakob Böhme – De Vita Mentali oder Vom übersinnlichen Leben

De Vita Mentali oder Vom übersinnlichen Leben

Jakob Böhme (1621)

Jakob_BoehmeIn dieser mystischen Schrift von Jakob Böhme, der als Mystiker und Theosoph bekannt wurde, ist ein Dialog beschrieben, bei dem Meister und Schüler ein Lehrgespräch führen. Dieses Gespräch behandelt Themen wie das übersinnliche Leben, die himmlische Liebe, das Leben der Seele, Gottes Werk und den Göttlichen Willen aus der Sicht Jakob Böhmes.

 

 

Ein Gespräch eines Meisters und Jüngers
Wie die Seele möge zu göttlicher Anschauung und Gehör kommen und was ihre Kindheit in dem natürlichen und übernatürlichen Leben sei, und wie sie aus der Natur in Gott und wieder aus Gott in die Natur der Selbheit eingehe, auch was ihre Seligkeit und Verderben sei.

1,1. Der Jünger sprach zum Meister: Wie mag ich kommen zu dem übersinnlichen Leben, dass ich Gott sehe und höre reden? Der Meister sprach: Wenn du dich magst einen Augenblick in das schwingen, da keine Kreatur wohnet, so hörest du, was Gott redet.

1,2. Der Jünger sprach: Ist das nahe oder ferne? Der Meister sprach: Es ist in dir, und so du magst eine Stunde schweigen von allem deinem Wollen und Sinnen, so wirst du unaussprechliche Worte Gottes hören.

1,3. Der Jünger sprach: Wie mag ich hören, so ich von Sinnen und Wollen stille stehe? Der Meister sprach: Wenn du von Sinnen und Wollen deiner Selbheit stille stehest, so wird in dir das ewige Hören, Sehen und Sprechen offenbar, und höret und siehet Gott durch dich. Dein eigen Hören, Wollen und Sehen verhindert dich, dass du Gott nicht siehest noch hörest.

1,4. Der Jünger sprach: Womit soll ich Gott hören und sehen, so er über Natur und Kreatur ist? Der Meister sprach: Wenn du stille schweigest, so bist du das, was Gott vor Natur und Kreatur war, daraus er deine Natur und Kreatur schaffete. So hörest und siehest du es mit dem, damit Gott in dir sahe und hörete, ehe dein eigen Wollen, Sehen und Hören anfing.

1,5. Der Jünger sprach: Was hält mich dann auf, dass ich nicht dahin kommen mag? Der Meister sprach: Dein eigen Wollen, Hören und Sehen und dass du wider das strebest, daraus du kommen bist. Mit deinem eigenen Wollen brichst du dich von Gottes Wollen ab, und mit deinem eigenen Sehen siehst du nur in dein Wollen. Und dein Wollen verstopfet dir das Gehör mit Eigensinnlichkeit irdischer, natürlicher Dinge und verführet dich in einen Grund ein und überschattet dich mit dem, das du willst, auf dass du nicht magst zu dem Übernatürlichen, Übersinnlichen kommen.

1,6. Der Jünger sprach: So ich in Natur stehe, wie mag ich aber durch die Natur in den übersinnlichen Grund kommen ohne Zerbrechung der Natur? Der Meister sprach: Dazu gehören drei Dinge. Das erst ist, dass du deinen Willen Gott ergebest und dich zu Grund in seine Barmherzigkeit ersenkest. Das ander ist, dass du deinen eigenen Willen hassest und nicht tust, wozu dich dein Wille treibet. Das dritte ist, dass du dich dem Kreuze unsers Herrn Jesu Christi in Geduld unterwerfest, auf dass du die Anfechtung der Natur und Kreatur ertragen mögest. Und so du das tust, so wird dir Gott einsprechen und deinen gelassenen Willen in sich in den übernatürlichen Grund einführen. So wirst du hören, was der Herr in dir redet.

1,7. Der Jünger sprach: So müsste ich die Welt und mein Leben verlassen, so ich das täte? Der Meister sprach: So du die Welt verlässest, so kommest du in das, daraus die Welt gemachet ist. Und so du dein Leben verlierest und in Ohnmacht deines Vermögens kommest, so stehet es in deme um des willen du es verlässest, als in Gott, daraus es in Leib kam.

1,8. Der Jünger sprach: Gott hat den Menschen in das natürliche Leben geschaffen, dass es herrsche über alle Kreaturen auf Erden und ein Herr sei über alles Leben in dieser Welt; darum so muss er es ja eigentümlich besitzen. Der Meister sprach: Ist es dass du allein äußerlich über die Kreaturen herrschest, so bist du mit deinem Willen und Herrschung in tierischer Art und stehest nur in bildlicher, vergänglicher Herrschung. Auch führest du deine Begierde in tierische Essenz, davon du infizieret und gefangen wirst und auch tierische Art bekommest. Ist es aber, dass du die bildliche Art verlassen hast, so stehest du in der Überbildlichkeit und herrschest im Grunde über alle Kreaturen, aus dem sie geschaffen sind, und mag dir auf Erden nichts schaden; denn du bist mit allen Dingen gleich und ist dir nichts ungleich.

1,9. Der Jünger sprach: O lieber Meister, lehre mich doch, wie ich unmittelbar dahin kommen möge, dass ich allen Dingen gleich sei. Der Meister sprach: Gerne, gedenke an die Worte unsers Herrn Jesu Christi, da er sprach: Es sei denn, dass ihr umkehret und werdet als die Kinder, sonst sollt ihr Gottes Reich nicht sehen, (Matth. 18,3). Ist es nun, das du tun willst, allen Dingen gleich werden, so musst du alle Dinge verlassen und deine Begierde von ihnen abwenden und der nicht begehren noch dich um das annehmen zu einem Eigentum zu besitzen, das etwas ist. Denn sobald du das Etwas in deine Begierde fassest und zum Eigentum in dich einlässest und nimmst, so ist das Etwas ein Ding mit dir und wirket mit dir in deinem Willen. So bist du schuldig, dasselbe zu beschirmen und dich dessen anzunehmen als deines eigenen Wesens. So du aber nichts in deine Begierde einnimmst, so bist du von allen Dingen frei und herrschest zugleich auf einmal über alle Dinge. Denn du hast nichts in deiner Annehmlichkeit und bist allen Dingen ein Nichts, und sind dir auch alle Dinge ein Nichts. Du bist als ein Kind, das nicht verstehet, was ein Ding ist. Und ob du es ja verstehest, so verstehest du es ohne Berührung deiner Empfindlichkeit auf Art, wie Gott alle Dinge beherrschet und siehet und ihn doch kein Ding begreifet. Das du aber sprachst: Ich sollte dich lehren wie du dazu kommen möchtest, so siehe an die Worte Christi, der da sprach: Ohne mich könnet ihr nichts tun, (Joh. 15,5). Du kannst in eignem Vermögen nicht zu solcher Ruhe kommen, dass dich keine Kreatur berühre, es sei denn, dass du dich in das Leben unsers Herrn Jesu Christi ganz einergebest und dein Wollen und Begierde ganz übergebest und ohne ihn nichts wollest, so stehest du mit deinem Leibe in der Welt in den Eigenschaften und mit deiner Vernunft unter dem Kreuze unsers Herrn Christi. Aber mit deinem Willen wandelst du im Himmel und stehest an dem Ende, da alle Kreaturen herkommen sind und dahin sie wieder gehen. So magst du mit der Vernunft alles äußerlich schauen und mit dem Gemüte innerlich, und mit Christo, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, in und über alle Dinge herrschen, (Matth. 28,18).

1,10. Der Jünger sprach: O Meister, die Kreaturen, welche in mir leben, halten mich, dass ich mich nicht kann ganz ergeben, wie gern ich wollte. Der Meister sprach: So dein Wille von den Kreaturen sich trennt, so sind die Kreaturen in dir verlassen und sind in der Welt, und ist nur dein Leib bei den Kreaturen. Du aber wandeltst geistlich mit Gott. Und so dein Wille die Kreaturen verlässet, so sind die Kreaturen in ihm gestorben und leben nur in dem Leibe in der Welt. Und so sich der Wille nicht in sie einführet, so mögen sie die Seele nicht berühren. Denn St. Paulus saget: Unser Wandel ist im Himmel, (Phil. 3,20). Item: Ihr seid Tempel des Heiligen Geistes, der in euch wohnet, (1.Kor. 6,19). So wohnet nun der Hl. Geist im Willen und die Kreaturen im Leibe.

1,11. Der Jünger sprach: So der Hl. Geist im Willen des Gemütes wohnet, wie mag ich mich verwahren, dass er nicht von mir weichet? Der Meister sprach: Höre die Worte unsers Herrn Jesu Christ, der sprach: So ihr an meiner Rede bleibet, so bleiben meine Worte in euch (Joh. 8,31). Ist es, dass du mit deinem Willen in den Worten Christi bleibest, so bleibet sein Wort und Geist in dir. Ist es aber, dass dein Wille in die Kreaturen gehet, so hast du dich von ihm gebrochen, so magst du dich anders nicht verwahren. Du bleibest dann stets in gelassener Demut und begebest dich in eine immerwährende stete Buße, dass dich immer reue, dass Kreaturen in dir leben. So du das tust, so stehest du im täglichen Sterben der Kreaturen und in täglicher Himmelfahrt nach dem Willen.

1,12. Der Jünger sprach: O lieber Meister, lehre mich doch, wie ich möge in eine solche stetswährende Buße kommen. Der Meister sprach: Wenn du das verlässest, das dich liebet, und liebest das, das dich hasset, so magst du immerdar darinnen stehen.

1,13. Der Jünger sprach: Was ist das? Der Meister sprach: Deine Kreaturen in Fleisch und Blut, so wohl alle diejenigen welche die lieben, die lieben dich, weil dein Wille dieselben pfleget. Die muss der Wille verlassen und für Feinde halten. Und das Kreuz unsers Herrn Jesu Christi mit der Welt Spott, hassest du, das musst du lernen lieben und zu täglicher Übung deiner Buße nehmen, so wirst du stets Ursache haben, dich mit der Kreatur zu hassen und die ewige Ruhe zu suchen, darinnen dein Wille mag ruhen, wie Christus sprach: In mir habet ihr Ruhe, aber in der Welt habet ihr Angst. (Joh. 16,31)

1,14. Der Jünger sprach: Wie mag ich mich in solcher Anfechtung erholen? Der Meister sprach: Wenn du dich alle Stunden einmal außer allen Kreaturen über alle sinnliche Vernunft in die allerlauterste Barmherzigkeit Gottes, in das Leiden unsers Herrn Jesu Christi einschwingest und dich darein ergibst, so wirst du Kraft bekommen über Sünde, Tod, Teufel, Hölle und Welt zu herrschen, so magst du in aller Anfechtung bestehen.

1,15. Der Jünger sprach: Wie möchte mir armen Menschen wohl geschehen, so ich mit dem Gemüte dahin gelangen möchte, da keine Kreatur ist? Der Meister sprach gar gütig zu ihm: O lieber Jünger, wäre es, dass sich dein Wille möchte eine Stunde von aller Kreatur abbrechen und dahin schwingen, da keine Kreatur ist, er würde überkleidet mit dem höchsten Glanz der Herrlichkeit Gottes und würde in sich schmecken die allersüßeste Liebe unsers Herrn Jesu Christi, die kein Mensch aussprechen mag; und in sich empfinden die unaussprechlichen Worte unsers Herrn Jesu Christi von seiner großen Barmherzigkeit. Er würde in sich fühlen, dass ihm das Kreuz unsers Herrn Christi in ein sanftes Wohltun gewandelt würde und würde dasselbe lieber gewinnen als der Welt Ehre und Gut.

1,16. Der Jünger sprach: Wie würde aber dem Leibe geschehen, weil er in der Kreatur leben muss? Der Meister sprach: Der Leib würde in die Nachfolge unsers Herrn Christi gestellt werden, welcher sprach: Sein Reich wäre nicht von dieser Welt. Er würde anheben, von außen und innen zu sterben; von außen der Welt der Eitelkeit und bösen Taten, und würde aller Üppigkeit gram und feind werden; von innen aller böser Lust und Neiglichkeit. Und würde gar einen neuen Sinn und Willen bekommen, welcher stets zu Gott gerichtet wäre.

1,17. Der Jünger sprach: Die Welt würde ihn aber darum hassen und verachten, weil er ihr widersprechen müsste und anders leben und anders tun als sie. Der Meister sprach: Dessen wird er sich nicht annehmen, als ob ihm Leid geschähe, sondern wird sich freuen, dass er würdig worden ist, dem Bilde unsers Herrn Christi ähnlich zu werden, und solches Kreuz unserm Herrn gar gerne nachtragen wollen, dass er ihm nur seine allersüßeste Liebe dafür einflöße.

1,18. Der Jünger sprach: Wie würde ihm aber geschehen, wenn ihn Gottes Zorn von innen und die böse Welt von außen angriffe, wie unserm Herrn Christo geschahe? Der Meister sprach: Ihm geschehe als unserm Herrn Christo. Als er von der Welt und den Priestern verspottet und gekreuziget ward, da befahl er seine Seele dem Vater in seine Hände und schied von der Angst dieser Welt in die ewige Freude. Also würde er auch von aller Welt Spott und Angst in sich selber in die große Liebe Gottes eindringen und durch den allersüßesten Namen JESUS erquicket und erhalten werden und in sich eine neue Welt sehen und empfinden, welche durch Gottes Zorn durchdringe. Darein würde er seine Seele wickeln und alles gleich achten. Der Leib sei gleich in der Hölle oder auf Erden, so sei sein Gemüte doch in der größten Liebe Gottes.

1,19. Der Jünger sprach: Wie würde aber sein Leib in der Welt ernähret und wie wollte er die Seinen ernähren, so aller Welt Ungunst auf ihn fiele? Der Meister sprach: Er bekommt eine größere Gunst als die Welt nicht vermag, denn er hat Gott und alle seine Engel zu Freunden. Die beschützen ihn in aller Not. Auch so ist Gott sein Segen in allen Dingen. Und ob sich es anließe, als wollte er nicht, so ist es nur eine Probe und Liebe-Zug, dass er desto mehr zu Gott beten soll und ihm alle seine Wege befehlen.

1,20. Der Jünger sprach: Er verlieret aber alle seine guten Freunde und ist niemand mit ihm, der ihm in Nöten beisteht. Der Meister sprach: Er bekommt das Herz aller guten Freunde zum Eigentum, und verlieret nur seine Feinde, welche zuvorhin seine Eitelkeit und Bosheit geliebet haben.

1,21. Der Jünger sprach: Wie geschieht das, dass er seine guten Freunde zum Eigentum bekommt? Der Meister sprach: Er bekommt aller derer Seelen zu Brüdern und Gliedern seines Lebens, welche unserm Herrn Jesum angehören; denn Gottes Kinder sind in Christo nur einer, der ist Christus in allen. Darum bekommt er sie alle zu leiblichen Gliedern in Christo; denn sie haben die himmlischen Güter allgemein und leben in einer Liebe Gottes wie die Äste des Baumes von einem Safte. Auch mag es ihm an äußerlichen natürlichen Freunden nicht mangeln wie unserm Herrn Christo. Ob ihn gleich nicht wollten die Hohepriester und Gewaltigen der Welt lieben, welche ihm nicht angehöreten und nicht seine Glieder und Brüder waren, so liebeten ihn aber diese, welche seiner Worte fähig waren. Also auch würden ihn diese lieben, welche die Wahrheit und Gerechtigkeit lieben und sich zu ihm gesellen, als Nikodemus zu Jesus bei der Nacht, welcher in seinem Herzen Jesum liebet wegen der Wahrheit, und äußerlich sich vor der Welt scheute. Also wird er viel guter Freunde haben, welche ihm nicht bekannt sind.

1,22. Der Jünger sprach: Es ist aber gar schwer, von aller Welt verachtet zu sein. Der Meister sprach: Was dich jetzt dünket schwer zu sein, das wirst du hernach am meisten lieben.

1,23. Der Jünger sprach: Wie mag das sein oder geschehen, dass ich liebe, was mich verachtet? Der Meister sprach: Jetzt liebest du irdische Weisheit. Wenn du aber überkleidet bist mit himmlischer, so siehest du, dass alle Welt nur deinen Feind hasset, als das sterbliche Leben, das du selber auch hassest in deinem Willen; so hebest du an, solche Verachtung des tödlichen Leibes auch zu lieben.

1,24. Der Jünger sprach: Wie mag aber das beieinander stehen, dass sich ein Mensch liebe und auch hasse? Der Meister sprach: Was du dich liebest, das liebest du dich nicht als eine Deinheit, sondern als eine gegebne Liebe Gottes. Du liebest den göttlichen Grund in dir, dadurch du Gottes Weisheit und Wunderwerke samt deinen Brüdern liebest. Was du dich aber hassest, das tust du nach der Deinheit, in welcher dir das Böse anhanget. Das tust du, dass du gerne wollest die Ichheit gar zerbrechen und sie dir würde zu einem ganz göttlichen Grunde. Die Liebe hasset die Ichheit, darum dass die Ichheit ein tödlich Ding ist, und mögen nicht wohl beisammenstehen; denn die Liebe besitzet den Himmel und wohnet in sich selber. Aber die Ichheit besitzet die Welt samt ihren Wesen, und wohnet auch in sich selber. Gleichwie der Himmel die Welt beherrschet und die Ewigkeit die Zeit, also auch herrschet die Liebe über das natürliche Leben.

1,25. Der Jünger sprach: Lieber Meister, sage mir doch, warum muss Liebe und Leid, Freund und Feind beisammen stehen. Wäre es nicht besser eitel Liebe? Der Meister sprach: Wenn die Liebe nicht in Leid stünde, so hätte sie nichts, das sie lieben könnte. Weil aber ihr Wesen, das sie hebet, als die arme Seele, in Leid und Pein stehet, so hat sie Ursache, ihr eigen Wesen zu lieben und das von Pein zu erretten, auf dass sie wieder geliebet werde. Auch möchte nicht erkannt werden, was Liebe wäre, so sie nicht hätte, dass sie möchte lieben.

1,26. Der Jünger sprach: Was ist die Liebe in ihrer Kraft und Tugend, und in ihrer Höhe und Größe. Der Meister sprach: Ihre Tugend ist das Nichts und ihre Kraft ist durch alles. Ihre Höhe ist so hoch als Gott und ihre Größe ist größer als Gott. Wer sie findet, der findet nichts und alles.

1,27. Der Jünger sprach: O lieber Meister, sage mir doch, wie ich das verstehen mag? Der Meister sprach: Dass ich sprach, ihre Tugend sei das Nichts, das verstehest du, wenn du von aller Kreatur ausgehest und aller Natur und Kreatur ein Nichts wirst, so bist du in dem ewigen Ein, das ist Gott selber, so empfindest du der Liebe höchste Tugend. Dass ich aber sagte: ihre Kraft ist durch alles, das empfindest du in deiner Seelen und Liebe, so die große Liebe in dir angezündet wird, so brennet sie als kein Feuer vermag.
Auch siehest du alles ausgegossen und in allen Dingen der innerste und äußerste Grund ist. Innerlich nach der Kraft und äußerlich nach der Gestalt. Und dass ich ferner sprach: Ihre Höhe ist so hoch als Gott, das verstehest du in dir selber, dass sie dich in sich so hoch führet als Gott selber ist, wie du das kannst an unserm lieben Herrn Christo nach unserer Menschheit sehen, welchen die Liebe hat bis in den höchsten Thron in die Kraft der Gottheit geführet. Dass ich aber auch gesprochen, ihre Größe wäre größer als Gott, das ist auch wahr, denn wo Gott nicht wohnet, da gehet die Liebe hinein; denn da unser lieber Herr Christus in der Höllen stund, so war die Hölle nicht Gott, aber die Liebe war da und zerbrach den Tod. Auch wenn dir angst ist, so ist Gott nicht die Angst, aber seine Liebe ist da und führet dich aus der Angst in Gott. Wenn Gott in dir sich verbirget, so ist die Liebe da und offenbaret ihn in dir. Und dass ich weiter gesaget: Wer sie findet, der findet nichts und alles, das ist auch wahr, denn er findet einen übernatürlichen, übersinnlichen Ungrund, da keine Stätte zu ihrer Wohnung ist, und findet nichts, das ihr gleich sei. Darum kann man sie mit nichts vergleichen, denn sie ist tiefer als Ichts (Seiendes). Darum ist sie allen Dingen ein Nichts, weil sie nicht fasslich ist. Und darum, dass sie nichts ist, so ist sie von allen Dingen frei und ist das einige Gute, das man nicht sprechen mag, was es sei. Dass ich aber endlich sagte: Er finde alles, wer sie findet, das ist auch wahr. Sie ist aller Dinge Anfang gewesen und beherrschet alles. So du sie findest, so kommest du in den Grund, daraus alle Dinge sind herkommen und darinnen sie stehen und bist in ihr ein König über alle Werke Gottes.

1,28. Der Jünger sprach: Lieber Meister, sage mir doch, wo wohnet sie im Menschen? Der Meister sprach: Wo der Mensch nicht wohnet, da hat sie ihren Sitz im Menschen.

1,29. Der Jünger sprach: Wo ist das, da der Mensch in sich selber nicht wohnet? Der Meister sprach: Das ist die zu Grund gelassene Seele, da die Seele ihres eigenen Willens erstirbet und selber nichts mehr will, ohne was Gott will, da wohnet sie. Denn so viel der eigene Wille ihm selber tot ist, so viel hat sie die Stätte eingenommen, da zuvorhin eigener Wille saß, da ist jetzt nichts. Und wo nichts ist, da ist Gottes Liebe alleine wirkende.

1,30. Der Jünger sprach: Wie mag ich sie aber fassen ohne Sterben meines Willens? Der Meister sprach: Ist es, dass du sie willst fassen, so fliehet sie von dir. So du dich ihr aber ganz und gar ergibst, so bist du dir nach deinem Willen tot und sie wird alsdann das Leben deiner Natur. Sie tötet dich nicht, sondern machte dich lebendig nach ihrem Leben. Alsdann lebest du, aber nicht deinem, sondern ihrem Willen; denn dein Wille wird ihr Wille. So bist du dir alsdann tot und lebest aber Gotte.

1,31. Der Jünger sprach: Wie, dass sie so wenig Menschen finden und hätten sie doch alle gerne? Der Meister sprach: Sie suchen sie alle in etwas als in bildlicher Meinung in eigener Begierde. Dazu haben sie fast alle eine natürliche Lust. Ob sie sich ihnen gleich anbiet, so findet sie doch keine Stätte in ihnen, denn die Bildlichkeit eigenen Willens hat sich an ihre Stätte gesetzt. So will sie die Bildlichkeit eigener Lust in sich haben. Aber sie flieht davon, denn sie wohnet allein im Nichts. Darum finden sie sie nicht.

1,32. Der Jünger sprach: Was ist ihr Amt im Nichts? Der Meister sprach: Das ist ihr Amt, dass sie ohne Unterlass ins Etwas eindringet. Und so sie im Etwas mag eine Stätte finden, die stille stehet, die nimmt sie ein und erfreuet sich mit ihrer feuerflammenden Liebe mehr darinnen als die Sonne in der Welt. Ihr Amt ist, dass sie ohne Unterlass im Etwas ein Feuer anzünde und das Etwas verbrenne und sich damit überhitze.

1,33. Der Jünger sprach: O lieber Meister, wie verstehe ich das? Der Meister sprach: Ist es, dass sie in dir mag ein Feuer anzünden, so wirst du das fühlen, wie sie deine Ichheit verbrennet und sich deines Feuers also hoch erfreute, dass du dich eher ließest töten, als dass du wieder in dein Etwas eingingest. Auch ist ihre Flamme so groß, dass sie nicht von dir ließe, ob es gleich dein zeitlich Leben gilt, so gehet sie mit dir in ihrem Feuer in Tod. Und ob du in die Hölle führest, sie zerbräche die Hölle um deinetwillen.

1,34. Der Jünger sprach: Lieber Meister, ich kann nicht mehr ertragen, das mich irret wie mag ich den nähesten Weg zu ihr finden? Der Meister sprach: Wo der Weg am härtesten ist! da gehe hin, und was die Welt wegwirft, des nimm dich an; und was sie tut, das tue du nicht. Wandele der Welt in allen Dingen zuwider, so kommst du den nächsten Weg zu ihr.

1,35. Der Jünger sprach: Ist es, dass ich in allen Dingen zuwider wandele, so muss ich ja in eitel Not und Unruhe stehen; auch würde ich als töricht erkannt werden. Der Meister sprach: Ich heiße dich nicht, jemanden Leides tun. Allein die Welt liebet nur Trug und Eitelkeit und wandelt auf falschem Wege. Und so du in allen Dingen ihrem Wege ein Gegenspiel sein willst, so wandle alleine auf rechtem Wege; denn der rechte Weg ist allen ihren Wegen zuwider. Dass du aber sagest, du würdest in eitel Angst stehen, das geschiehet nach dem Fleisch. Das gibt dir Ursache zu steter Buße. Und in solcher Angst ist die Liebe am allerliebsten mit ihrem Feuer Aufblasen. Dass du auch sagest, du würdest für töricht erkannt werden, das ist wahr; denn der Weg zur Liebe Gottes ist der Welt eine Torheit, aber den Kindern Gottes eine Weisheit. Wenn die Welt solch Liebefeuer in Gottes Kindern siehet, so saget sie, sie sind töricht worden. Aber den Kindern Gottes ist es der größte Schatz, den nie kein Leben aussprechen kann, auch nie kein Mund nennen mag, was da sei Feuer der inflammenden Liebe Gottes, welches weißer ist denn die Sonne und süßer denn kein Honig und kräftiger den keine Speise und Trank, auch lieblicher denn alle Freude dieser Welt. Wer dieses erlanget, ist reicher denn kein König auf Erden und edler als kein Kaiser sein mag und stärker denn alle Macht.

1,36. Der Jünger fragte ferner den Meister: Wo fähret die Seele dann hin, wenn der Leib stirbet, sie sei selig oder verdammt? Der Meister sprach: Sie bedarf keines Ausfahrens, sondern das äußere, tödliche Leben samt dem Leibe scheiden sich nur von ihr. Sie hat Himmel und Hölle zuvor in sich, wie geschrieben stehet: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden, man wird auch nicht sagen: Siehe hie oder da ist es, denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch (Luk. 17,21). Welches in ihr offenbar wird, entweder der Himmel oder die Hölle, darinnen stehet sie.

1,37. Der Jünger sprach: Fähret sie dann nicht in Himmel oder Hölle ein, wie man in ein Haus eingehet oder wie man durch ein Loch in eine andere Welt eingehet? Der Meister sprach: Nein, es ist kein Einfahren auf solche Weise; denn Himmel und Hölle ist überall gegenwärtig. Es ist nur eine Einwendung des Willens, entweder in Gottes Liebe oder Zorn. Und solches geschieht bei Zeit des Leibes, davon St. Paulus saget: Unser Wandel ist im Himmel; und Christus spricht: Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben, und niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen, (Joh. 10,27.28).

1,38. Der Jünger sprach: Wie geschieht dann solch Eingehen des Willens in Himmel oder Hölle? Der Meister sprach: Wenn sich der Wille zu Grunde Gott ergibt, so ersinket er außer seiner selber, außer allem Grunde und Stätte, da allein Gott offenbar ist, wirket und will. So wird er ihm selber ein Nichts nach seinem eigenen Willen. Alsdann wirket und will Gott in ihm, und wohnet Gott in seinem gelassenen Willen, dadurch wird die Seele geheiliget, dass sie in göttliche Ruhe kommt. Wenn nun der Leib zerbricht, so ist die Seele mit göttlicher Liebe durchdrungen und mit Gottes Licht durchleuchtet, wie das Feuer ein Eisen durchglühet, davon es seine Finsternis verlieret. Das ist die Hand Christi, da Gottes Liebe die Seele ganz durchwohnet und in ihr ein scheinend Licht und neues Leben ist, so ist sie im Himmel und ein Tempel des Hl. Geistes, und ist selber Gottes Himmel, darinnen er wohnet. Aber die gottlose Seele will in dieser Zeit nicht in göttli cher Gelassenheit ihres Willens gehen, sondern gehet nur stets in eigene Lust und Begierde, in die Eitelkeit und Falschheit, in des Teufels Willen. Sie fasset nur Bosheit, Lügen, Hoffart, Geiz, Neid und Zorn in sich und ergiebet ihren Willen darein. Dieselbe Eitelkeit wird in ihr auch offenbar und wirkende und durchdringet die Seele ganz und gar wie ein Feuer das Eisen. Diese kann zu göttlicher Ruhe nicht kommen, denn Gottes Zorn ist in ihr offenbar. Und so sich nun der Leib von der Seele scheidet, so gehet ewig Reuen und Verzweifeln an, denn sie empfindet, dass sie ist nichts als solcher ängstlicher Gräuel worden und schämet sich, dass sie sollte mit ihrem falschen Willen zu Gott eindringen. Ja sie kann auch nicht, denn sie ist im Grimm gefangen und ist selber ein eitel Grimm, und hat sich damit eingeschlossen durch ihre falsche Begierde, welche sie in sich hat erwecket. Und weil Gottes Licht nicht in ihr scheinet und seine Liebe sie nicht berühret, so ist sie eine große Finsternis und eine peinliche, ängstliche Feuerqual und träget die Hölle in sich, und kann das Licht Gottes nicht sehen. Also wohnet sie in sich selber in der Hölle, und bedarf keines Einfahrens. Denn wo sie innen ist, so ist sie in der Hölle, und ob sie sich viel hundert tausend Meilen könnte von ihrer Stätte schwingen, so ist sie doch in solcher Qual und Finsternis.

1,39. Der Jünger sprach: Wie denn, dass die Hl. Seele in dieser Zeit solch Licht und große Freude nicht mag vollkommen empfinden, und der Gottlose die Hölle auch nicht fühlet, weil beides im Menschen ist und je eines im Menschen wirket? Der Meister sprach: Das Himmelreich ist in den Heiligen in ihrem Glauben wirkende und empfindlich. Sie fühlen Gottes Liebe in ihrem Glauben, dadurch sich der Wille in Gott ergibt. Aber das natürliche Leben ist mit Fleisch und Blut umgeben und steht im Gegensatz des Zornes Gottes, mit der eiteln Lust dieser Welt umgehen, welche das äußere tödliche Leben stets durchdringet, da auf einer Seiten die Welt und auf der anderen Seiten der Teufel und auf der dritten Seiten der Fluch des Zornes Gottes im Fleisch und Blut das Leben durchdringet und sichtet, dadurch die Seele oft in Angst stehet, wenn also die Hölle auf sie dringet und sich in ihr will offenbaren. Sie aber ersinket in die Hoffnung göttlicher Gnade ein und stehet als eine schöne Rose mitten unter den Dornen, bis dieser Welt Reich von ihr fällt im Sterben des Leibes. Alsdann wird sie erst recht in Gottes Liebe offenbar, wenn sie nichts mehr hindert. Sie muss diese Zeit mit Christo in dieser Welt wandeln. Christus erlöset sie aus ihrer eigenen Höllen, indem er sie mit seiner Liebe durchdringet und bei ihr in der Höllen stehet und ihre Hölle in Himmel wandelt. Dass du aber sprachest, warum der Gottlose in dieser Zeit die Hölle nicht fühlet, sage ich: Er fühlet sie wohl in seinem falschen Gewissen, aber verstehet das nicht, denn er hat noch die irdische Eitelkeit, mit der er sich beliebet, daran er Freude und Wollust hat. Auch hat das äußere Leben noch das Licht der äußern Natur, darinnen sich die Seele belustiget, dass also das Peinen nicht mag offenbar werden. Wenn aber der Leib stirbet, so kann die Seele solcher zeitlichen Wollust nicht mehr genießen, und ist ihr auch das Licht der äußern Welt verloschen.
Alsdann stehet sie in ewigem Durste und Hunger nach solcher Eitelkeit, mit welcher sie sich allhie hat befreundet und kann aber nichts erreichen als nur solchen falschen eingefassten Willen, dessen sie in diesem Leben zu viel gehabt und sich doch nicht lassen begnügen. Dessen hat sie alsdann zu wenig. Darum ist sie in ewigem Hunger und Durst nach Eitelkeit, Bosheit und Leichtfertigkeit. Sie wollte immerdar gerne noch mehr Böses tun, und hat aber nichts, darinnen oder damit sie das kann vollbringen. So geschieht solches Vollbringen nur in ihr selber. Und solcher höllische Hunger und Durst kann eher nicht ganz offenbar in ihr werden, bis ihr der Leib stirbet, mit dem sie hat also in Wollust gebuhlet, welcher ihr zugefügete, wonach sie lüsterte.

1,40. Der Jünger sprach: Weil Himmel und Hölle in dieser Zeit in uns im Streite und uns Gott also nahe ist, wo wohnen dann die Engel und Teufel in solcher Zeit? Der Meister sprach: Wo du nach deiner Selbheit und eigenem Willen nicht wohnest, da wohnen die Engel bei dir und überall. Und wo du nach deiner Selbheit und eigenem Willen wohnest, da wohnen die Teufel bei dir und überall.

1,41. Der Jünger sprach: Ich verstehe das nicht. Der Meister sprach: Wo Gottes Wille in einem Dinge will, da ist Gott offenbar. In solcher Offenbarung wohnen auch die Engel. Und wo Gott in einem Dinge nicht mit des Dinges Willen will, so ist Gott allda ihm nicht offenbar, sondern wohnet nur in sich selber ohne Mitwirkung desselben Dinges. Allda ist in dem Dinge eigener Wille ohne Gottes Willen, und da wohnet der Teufel und alles, was außer Gott ist.

1,42. Der Jünger sprach: Wie ferne ist dann Himmel und Hölle voneinander? Der Meister sprach: Wie Tag und Nacht und wie Ichts und Nichts. Sie sind ineinander, und ist je eins dem andern wie ein Nichts, und Ursachen doch einander zur Freude und Leid. Der Himmel ist durch die ganze Welt und außer der Welt überall ohne alle Trennung, Ort oder Stätte, und wirket durch göttliche Offenbarung nur in sich selber. Und in dem, das darein kommt oder in dem, darinnen er offenbar wird, allda ist Gott offenbar. Denn der Himmel ist anders nichts als eine Offenbarung des ewigen Eins, da alles in stiller Liebe wirket und will. Und die Hölle ist auch durch die ganze Welt, wohnet und wirket auch nur in sich selber und in dem, darinnen der Höllen Fundament offenbar wird, als in Selbheit und falschem Willen. Die sichtbare Welt hat dieses beides in sich. Aber der Mensch nach dem zeitlichen Leben ist allein aus der sichtbaren Welt. Darum siehet er diese Zeit des äußern Lebens die geistliche Welt nicht. Denn die äußere Welt mit ihrem Wesen ist eine Decke vor der geistlichen Welt, gleichwie die Seele mit dem Leibe bedeckt ist. Wenn aber der äußere Mensch stirbet, so wird die geistliche Welt nach der Seelen offenbar, entweder nach ewigem Lichte bei den hl. Engeln oder ewiger Finsternis bei den Teufeln.

1,43. Der Jünger sprach: Was ist dann ein Engel oder die Seele eines Menschen, dass sie also mögen in Gottes Liebe oder Zorn offenbar werden? Der Meister sprach: Sie sind aus gleichem Urstande, ein Stück aus göttlicher Wissenschaft, göttlichen Willens, entsprungen aus göttlichem Worte und geführet in einen Gegenwurf göttlicher Liebe. Sie sind aus dem Grunde der Ewigkeit, daraus Licht und Finsternis entspringet, als in der Annehmlichkeit eigener Begierde ist die Finsternis, und in gleichem Wollen mit Gott das Licht. Da der Wille der Ichheit der Seelen mit Gott will, da ist Gottes Liebe im Wirken. Und in der Selbst-Annehmlichkeit des seelischen Wollens wirket Gottes Wille peinlich (strafend), und ist eine Finsternis, auf dass das Licht erkannt werde. Sie sind anders nichts als eine Offenbarung göttlichen Willens, entweder in Licht oder Finsternis der geistlichen Welt Eigenschaft.

1,44. Der Jünger sprach: Was ist dann der Leib eines Menschen? Der Meister sprach: Er ist die sichtbare Welt, ein Bild und Wesen alles dessen, was die Welt ist, und die sichtbare Welt ist eine Offenbarung der inneren geistlichen Welt aus dem ewigen Lichte und aus der ewigen Finsternis, aus dem geistlichen Gewirke. Und ist ein Gegenwurf der Ewigkeit, mit dem sich die Ewigkeit hat sichtbar gemacht, da eigener Wille und gelassener Wille untereinander wirket als Böses und Gutes. Ein solches Wesen ist auch der äußere Mensch; denn Gott schuf den äußern Menschen aus der äußern Welt und blies ihm die innere geistliche Welt zu einer Seelen und verständigem Leben ein. Darum kann die Seele in der äußern Welt Wesen Böses und Gutes annehmen und wirken.

1,45. Der Jünger sprach: Was wird denn nach dieser Welt sein, wenn das alles vergehet? Der Meister sprach: Es höret nur das materialische Wesen auf, nämlich die vier Elementa, die Sonne, Mond und Sternen. Alsdann wird die innere geistliche Welt ganz sichtbar und offenbar. Was aber in dieser Zeit ist durch den Geist gewirket worden, es sei böse oder gut, da wird sich ein jedes Werk geistlicher Art nach entweder in das Licht oder in die ewige Finsternis scheiden. Denn was aus jedem Willen geboren ist, das dringet wieder in seine Gleichheit ein. Und da wird die Finsternis die Hölle genannt, als eine ewige Vergessung alles Guten. Und das Licht wird das Reich Gottes genannt, als eine ewige Freude und ein ewiges Lob der Heiligen, dass sie sind von solcher Pein erlöset worden. Das endliche Gerichte ist eine Anzündung des Feuers nach Gottes Liebe und Zorn. Darinnen vergehet die Materia aller Wesen und wird ein jedes Feuer das Seine, als das Wesen seiner Gleichheit in sich ziehen. Als was in Gottes Liebe ist erboren, das zieht das Liebe-Feuer Gottes in sich, darinnen es auch wird nach der Liebe Art brennen und sich demselben Wesen selber einergehen. Was aber in Gottes Zorn nach der Finsternis ist gewirket worden, das zieht die Peinlichkeit in sich und verzehret das falsche Wesen; als dann so bleibet nur der peinliche Wille in eigener Bildung und Form.

1,46. Der Jünger sprach: In welcher Materia oder Gestalt werden unsere Leiber auferstehen? Der Meister sprach: Es wird gesäet ein natürlicher, grober und elementarischer Leib (1.Kor. 15,44), der ist in dieser Zeit den äußern Elementen gleich. Und in demselben groben Leibe ist die subtile Kraft, gleichwie in der Erden eine subtile gute Kraft ist, welche sich mit der Sonnen vergleichet und einiget, welche auch im Anfange der Zeit aus göttlicher Kraft entsprungen ist, daraus auch die gute Kraft des Leibes ist genommen worden. Diese gute Kraft des tödlichen Leibes soll in schöner, durchsichtiger, kristallinischer, materialischer Eigenschaft in geistlichem Fleische und Blute wiederkommen und ewig bleiben oder leben. Wie denn auch die gute Kraft der Erden, da dann die Erde wird auch kristallinisch sein und das göttliche Licht wird in allen Wesen leuchten. Und wie die grobe Erde vergehen und nicht wieder kommen soll, also auch soll das grobe Fleisch des Menschen vergehen und nicht ewig leben. Aber vor das Gericht muss alles und im Gerichte durch das Feuer geschieden werden, beides, die Erde und die Asche des menschlichen Leibes. Denn wenn Gott wird die geistliche Welt noch eines bewegen, so zieht ein jeder Geist sein geistliches Wesen wieder an sich. Als ein guter Geist und Seele zieht ihr gutes Wesen an sich und ein böser ein böses. Man muss aber nur eine wesentliche materialische Kraft verstehen, da das Wesen eitel Kraft ist gleich einer materialischen Tinktur, da die Grobheit vergehet an allen Dingen.

1,47. Der Jünger sprach: So werden wir nicht mit den sichtbaren Leibern aufstehen und darinnen ewig leben? Der Meister sprach: Wenn die sichtbare Welt vergehet, so vergehet alles das mit, was äußerlich ist gewesen, das aus ihr ist herkommen. Von der Welt bleibet nur die himmlische, kristallinische Art und Form. Also auch vom Menschen bleibet nur die geistliche Erde; denn der Mensch wird der geistlichen Welt, welche jetzo noch verborgen ist, ganz gleich sein.

1,48. Der Jünger sprach: Wird auch ein Mann und Weib sein im geistlichen Leben oder Kinder oder Blutsfreunde? Wird sich auch einer zum andern gesellen wie allhie geschehen ist? Der Meister sprach: Wie bist du so fleischlich gesinnet! Es ist allda kein Mann noch Weib, sondern alle nur gleich den Engeln Gottes, als männliche Jungfrauen, weder Tochter, Sohn, Bruder noch Schwester, sondern alle eines Geschlechtes in Christo, alle nur einer wie ein Baum in seinen Ästen, und doch absonderliche Kreaturen, aber Gott alles in allem. Es wird ja eine geistliche Erkenntnis sein, was ein jeder gewesen ist und was er getan hat, aber es ist keine Annehmlichkeit oder Begierde zur Annehmlichkeit solches Wesens mehr da.

1,49. Der Jünger sprach: Werden sie auch alle gleich der ewigen Freude und Glorifizierung genießen? Der Meister sprach: Die Schrift spricht: Welch ein Volk das ist, einen solchen Gott hat es auch. Item: Bei den Heiligen bist du heilig und bei den Verkehrten verkehrt, (Psalm 18,26.27). Und St. Paulus schreibet: Sie werden einander übertreffen in der Auferstehung wie Sonne, Mond und Sternen, (1.Kor. 15,41).
So wisse nun, dass sie ja werden alle göttlicher Wirkung genießen, aber ihre Kraft und Erleuchtung wird gar gleich sein. Alles, nachdem ein jeder wird in dieser Zeit in seinem ängstlichen Wirken sein mit Kraft angetan worden; denn das ängstliche Wirken der Kreatur dieser Zeit (Röm. 8,29) ist eine Eröffnung und Gebärung göttlicher Kraft, dadurch Gottes Kraft beweglich und wirkend wird. Welche nun in dieser Zeit mit Christo haben gewirket und nicht in Fleischeslust, die werden eine große Kraft und schöne Glorifizierung (Verklärung) in sich und an sich haben. Die andern aber, welche nur auf eine zugerechnete Genugtuung alleine gewartet und unterdessen dem Bauch-Gott gedienet und sich doch endlich bekehret haben und zur Huld kommen sind, diese werden nicht so große Kraft und Erleuchtung haben. Darum wird es mit diesen ein Unterschied sein wie mit Sonne, Mond und Sternen und den Wiesenblumen in ihrer Schönheit, Kraft und Tugend.

1,50. Der Jünger sprach: Wie oder durch wen soll die Welt gerichtet werden? Der Meister sprach: Mit göttlicher Bewegnis durch die Person und Geist Christi, der wird durch das Wort Gottes, das Mensch ward, von sich scheiden das Christum nicht angehöret, und wird sein Reich in dem Orte, wo diese Welt stehet, ganz offenbaren; denn die Bewegnis der Scheidung geschieht überall zugleich.

1,51. Der Jünger sprach: Wo werden denn die Teufel und alle Verdammten hingeworfen werden, so der Ort dieser ganzen Welt das Reich Christi ist und glorifiziert werden soll? Werden sie außer den Ort dieser Welt getrieben werden oder wird Christus seine Herrschaft außer dem Ort dieser Welt haben und offenbaren? Der Meister sprach: Die Hölle bleibet im Orte dieser Welt an allen Enden, aber dem Himmelreich verborgen, wie die Nacht im Tage verborgen ist. Das Licht wird ewig in die Finsternis scheinen, und die Finsternis kann das nicht ergreifen (Joh. 1,5). So ist das Licht das Reich Christi und die Finsternis ist die Hölle, darinnen die Teufel und Gottlosen wohnen. Also werden sie vom Reiche Christi unterdrückt und zum Fußschemel, als zum Spotte gesetzt werden.

1,52. Der Jünger sprach: Wie werden alle Völker vor das Gericht gestellet werden? Der Meister sprach: Das ewige Wort Gottes, daraus alles geistliche, kreatürliche Leben ist hervogegangen, beweget sich zu der Stunde nach Liebe und Zorn in allem Leben, was aus der Ewigkeit ist, und zieht die Kreatur vor das Urteil Christi. Durch solche Bewegnis des Wortes wird das Leben in allen seinen Werken offenbar, und wird ein jeder sein Urteil und Gerichte in sich sehen und empfinden; denn das Gerichte wird in des menschlichen Leibes Absterben alsbald in der Seelen offenbar. Das Endurteil ist nur eine Wiederkunft des geistlichen Leibes und eine Scheidung der Welt, da am Wesen der Welt und am Leibe soll das Böse vom Guten geschieden werden, ein jedes Ding in seinen ewigen Eingang und Behälter. Und es gibt eine Offenbarung der Verborgenheit Gottes in allem Wesen und Leben.

1,53. Der Jünger sprach: Wie wird das Urteil gefället? Der Meister sprach: Da siehe an die Worte Christi, der wird sprechen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungerig gewesen und ihr habet mich gespeiset; ich bin durstig gewesen und ihr habet mich getränket; ich bin ein Gast gewesen und ihr habet mich beherberget; ich bin nacket gewesen und ihr habet mich bekleidet; ich bin krank und gefangen gewesen und ihr habet mich besuchet und seid zu mir kommen. Und sie werden ihm antworten: Wann haben wir dich hungerig, durstig, einen Gast, nackend, krank und gefangen gesehen und haben dir also gedienet? Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Was ihr getan habet einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habet ihr mir getan. Und zu den Gottlosen zur Linken wird er sagen: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. Ich bin hungerig, durstig, ein Gast, nacket, krank und gefangen gewesen, und ihr habet mir nicht gedienet. Und sie werden ihm auch antworten und zu ihm sprechen: Wann haben wir dich also gesehen und haben dir nicht gedienet? Dann wird er ihnen antworten: Wahrlich, ich sage euch, was ihr nicht getan habet einem unter diesen Geringsten, das habet ihr mir auch nicht getan. Und sie werden in die ewige Pein gehen, aber die Gerechten in das ewige Leben, (Matth. 25,34-46).

1,54. Der Jünger sprach: Lieber Meister, sage mir doch, warum saget Christus: Was ihr diesen Geringsten getan habet, das habet ihr mir getan, und was ihr ihnen nicht getan habet, das habet ihr mir auch nicht getan? Wie tut man Christo solches, dass es ihm selber geschehe? Der Meister sprach: Christus wohnet wesentlich im Glauben derer, die sich ihm ganz ergeben und gibt ihnen sein Fleisch zur Speise und sein Blut zum Trank, und besitzt also den Grund ihres Glaubens nach der Inwendigkeit des Menschen. Darum denn ein Christ eine Rebe an seinem Weinstocke und ein Christ genannt wird, dass Christus geistlich in ihm wohnet. Und was man nun einem solchen Christen in seinen leiblichen Nöten tut, das tut man Christo selber, welcher in ihm wohnet. Denn ein solcher Christ ist nicht sein eigen, sondern ist Christo ganz ergeben und sein Eigentum. Darum so geschieht es Christo selber. Und wer nun eine Hand von solchem notleidenden Christenmenschen abzieht und ihn nicht in Nöten dienen will, der stößet Christum von sich weg und verachtet ihn in seinen Gliedern. Wenn dich ein armer Mensch bittet, der Christum angehöret, und du versagest es ihm, in seiner Notdurft, so hast du es Christo selber versaget. Und was man einem solchen Christenmenschen zuleidet tut, das tut man Christo selber. Wenn man einen solchen Menschen spottet, verhöhnet, lästert und von sich stößet, das alles tut man Christo selber. Wer ihn aber aufnimmt, speiset, tränket, kleidet und in Nöten beispringet, der tut es Christo und seines eigenen Leibes Glieder, ja er tut es ihn selber, so er ein Christ ist; denn Christo sind wir nur einer, wie der Baum in seinen Ästen.

1,55. Wie wollen dann diese bestehen am Tage solchen Gerichts, welche den Armen, Elenden also quälen und ihm seinen Schweiß aussaugen, ihn drängen und mit Gewalt an sich ziehen und für ihren Fußhader achten, nur zu dem Ende, dass sie eigenmächtig und seinen Schweiß in Wollust mit Hoffart und Üppigkeit verzehren? Der Meister sprach: Diese alle tun es in Christo selber und gehören in sein strenges Urteil; denn sie legen ihre Hände also an Christum, verfolgen ihn in seinen Gliedern und helfen daneben dem Teufel, sein Reich mehren, und ziehen den Armen durch solch Drängen von Christo ab, dass er auch einen leichtfertigen Weg suchet, seinen Bauch zu füllen. Ja, sie tun anders nichts als der Teufel selbst tut, welcher ohne Unterlass dem Reiche Christi in der Liebe widerstehet. Denn alle, so sich nicht von ganzem Herzen zu Christo bekehren und ihm dienen, müssen in das höllische Feuer gehen, da eitel solche Eigenheit innen ist.

1,56. Der Jünger sprach: Wie werden dann diese bestehen, welche in dieser Zeit also um das Reich Christi streiten und einander darum verfolgen, schänden, schmähen und lästern? Der Meister sprach: Diese alle haben Christum noch nie erkannt und stehen auch nur in der Figur, wie Himmel und Hölle miteinander um die Überwindung streitet. Alles Aufsteigen der Hoffart, da man nur um Meinungen streitet, ist ein Bild des Eigentums. Welcher nicht den Glauben und die Demut hat und in Christi Geist stehet, der ist nur mit dem Zorne Gottes gewappnet und dienet der Überwindung der bildlichen Eigenheit, als dem Reiche der Finsternis und dem Zorne Gottes. Denn alle Eigenheit wird am Gerichtstage der Finsternis gegeben werden. Also auch ihr unnützes Gezänke, dadurch sie keine Liebe suchen, sondern nur bildliche Eigenheit, sich in Meinungen sehen zu lassen und dadurch die Fürsten um solche bildliche Meinungen zu Kriegen verursachen und mit ihren Bildern Land und Leute stürmen und verwüsten. Diese alle gehören in das Gerichte zum Scheiden, das Falsche vom Rechten. Da werden alle Bilder und Meinungen aufhören und werden alle Kinder Gottes in der Liebe Christi wandeln und er in uns. Alles was in dieser Zeit des Streits nicht im Geiste Christi eifert und allein die Liebe begehret zu fördern, sondern Eigennutz im Streit suchet, das ist vom Teufel und gehöret in die Finsternis und wird von Christo geschieden werden. Denn im Himmel dienet alles in Demut Gott, seinem Schöpfer.

1,57. Der Jünger sprach: Warum lässet es dann Gott in dieser Zeit geschehen, dass solcher Streit ist? Der Meister sprach: Das Leben stehet im Streite, auf dass es offenbar, empfindlich, endlich und die Weisheit schiedlich und erkannt werde, und dienet zur ewigen Freude der Überwindung. Denn in den Heiligen in Christo wird ein großes Lob daraus entstehen, dass Christus in ihnen die Finsternis und alle Eigenheit der Natur überwunden hat und sie vom Streite erlöset sind. Dessen werden sie sich ewig erfreuen, wenn sie erkennen werden, wie es den Gottlosen vergolten wird. So lässet nun Gott alle Dinge im freien Willen stehen, auf dass die ewige Herrschaft nach Liebe und Zorn, nach Licht und Finsternis offenbar und erkannt werde und ein jedes Leben sein Urteil in sich selber Ursache und erwecke. Denn was jetzo den Heiligen in ihrem Elende ein Streit und Pein ist, das wird ihnen in große Freude verwandelt werden. Und was den Gottlosen eine Lust und Freude in dieser Welt ist, das wird ihnen in ewige Pein und Schande verkehret werden. Und darum muss den Heiligen ihre Freude aus dem Tode entstehen, gleichwie das Licht aus der Kerzen durch das Sterben und Verzehren im Feuer entstehet, auf dass das Leben also der Peinlichkeit der Natur los werde und eine andere Welt besitze. Gleichwie das Licht gar andere Eigenschaft hat als das Feuer und sich selber gibt, und das Feuer aber sich selber nimmt und frisset, also auch grünet das heilige Leben der Sanftmut durch den Tod aus, da der eigene Wille erstirbet und alleine Gottes Liebe-Wille alles in allem regieret und tut. Denn also hat das Ewige eine Empfindlichkeit und Schiedlichkeit In der Vorlage steht Irrtümlichkeit angenommen und sich wieder durch den Tod mit der Empfindlichkeit in großem Freudenreich ausgeführet, auf dass ein ewiges Spiel in der unendlichen Einheit sei und eine ewige Ursache zum Freudenreich. So muss nun die Peinlichkeit ein Grund und Ursache sein zu solcher Bewegnis. Und in diesem liebet das Mysterium der verborgenen Weisheit Gottes.
Wer da bittet, der empfänget; wer da suchet, der findet; und wer da anklopfet, dem wird aufgetan. (Matth. 7,7)
Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit uns allen. Amen.