Die Verteidigung der Rosenkreuzer – Viertes Buch von Summum bonum (Das höchste Gut)
Robert Fludd
Da des Fraters Marinus Mersennus Gewohnheit und Unterhaltung darin besteht, Leute aller Art durch Lästern und Verleumden zu verfolgen, so kann es uns nicht überraschen, dass er mit Verleumdung und Bosheit jene angreift, die mit der wahren Magie, Kabbala und Chemie vertraut sind, da er selbst diese Wissenschaften, die stärksten Säulen der Weisheit, und auch die Bewohner des Palastes der Weisheit verachtet, verdammt und mit Geschrei und Posaunenschall von der Schar der Christen weg in die Verbannung zu schicken sucht. Aber sehen wir zu und untersuchen wir zunächst, wer jene Männer eigentlich sind, welche die Schenkung der Weisheit bewohnen, ehe wir irgendeine Bemerkung zu dem dreisten Urteil jenes Mannes über diese machen. Bei dieser unserer Untersuchung werden wir zunächst das Zeugnis einiger neuerer Autoren und sodann dasjenige der heiligen Schriften anführen. Unter den neuzeitlichen Schriftstellern aber spricht sich Agrippa über diese Männer folgendermaßen aus:
„Ich bekenne,“ sagt er, „dass es auch heutzutage Männer gibt, schwer an Weisheit, durch Wissen ausgezeichnet, mächtig durch Tugend und Können, unbescholten in Leben und Sitten, an Klugheit unübertroffen und auch ihrer Lebenserfahrung und Kraft nach geeignet, mit Rat und Tat dem Staate aufs beste zu dienen. Sie verachten aber das Rind eures Ackers, wie sie denn weitab von der Gepflogenheit jener stehen, die an Stelle der Weisheit Bosheit, Betrug und List, an Stelle von Einsicht Schlauheit und Geriebenheit, an Stelle von Wissenschaft Betrug, an Stelle von Klugheit Treulosigkeit und an Stelle von Religion Aberglauben setzen.“ Auch Cardanus sagt über Leute dieser Art, welche seinem Meister gleicherweise verächtlich erschienen, ein kräftig Wörtlein.
Aber außer dem Zeugnis dieser weltlichen Autoren haben wir auch dasjenige der heiligen Schriften, welche nicht nur von solchen Menschen, die gewissermaßen jenes Haus der Weisheit erbauen und bewohnen, sondern auch von deren beständiger Fortexistenz bis zum Ende der Welt gehen. Sie belehren uns darüber, dass es kein Zeitalter gegeben habe, gebe oder geben werde, in dem sich nicht einzelne, in der Welt und ihren Finsternissen erfahren, die Kenntnis des heiligen Lichtes bewahrt und sich das Vorrecht erworben hätten, unter die Söhne Gottes zu zählen. So waren in jedem Jahrhundert und Zeitalter einzelne, wiewohl an Zahl sehr wenige, welche durch die enge Pforte hindurchgegangen sind, während der größere Teil der Menschen den breiteren und ansehnlichen Weg beschritt. Denn wir lesen, dass in jedem Zeitalter der Kirche irgendwelche gefunden werden, denen der „Sieg“ zugestanden wird (Apoc. 2, 7), der „Baum des Lebens, der im Paradiese Gottes ist“ (Apoc. 2, 17) oder das „verborgene Manna und der weiße Stein“ (Apoc. 2, 26) oder der „Morgenstern“ (Apoc. 1, 5) oder „weiße Kleider, mit denen sie bekleidet werden sollen, und jenes Erbe, in dem ihre Namen aus dem Buche des Lebens nicht ausgelöscht werden sollen“ (Apoc. 3, 12), oder dass sie die „Säulen des Tempels“ sein werden und „den neuen Namen des Lammes“ haben sollen usw. Auf Männer dieser Art beziehen sich auch die nachstehenden Worte des Evangelisten: „Allen, welche jenes wahre Licht empfangen, welches jeden in diese Welt Kommenden erleuchtet, verleiht es die Kraft, Söhne Gottes zu werden“ (Joh. 1, 12) und in dem oben erwähnten, sicher und stark auf dem Berge errichteten Hause der Weisheit zu wohnen, wovon der Heiland spricht: „Wer meine Worte hört und danach handelt, gleicht dem Weisen, der sein Haus auf einem Felsen baut, und kommt der Regen, überströmen die Flüsse und blasen die Winde, so werden sie jenes Haus nicht erschüttern, denn sein Grund steht auf Fels usw.“ (Matth. 7, 24 und Luk. 6, 48).
Aber ihr werdet fragen, warum diese guten Bewohner jenes bildlichen Hauses so verborgen sind, warum ihre Behausung geheim bleibt? Warum sie nicht lange vor dieser Zeit der Welt erschienen sind? Warum sie nicht (wie Mersennus will), wenn ihnen solche Tugend und Macht zu eigen ist, ihre Geheimnisse zum Wohle des Staates, in welchem sie leben, enthüllen? Auf diesen Einwand entgegne ich, dass sie zwar mit himmlischen Reichtümern begabt sind, vor der Welt jedoch arm und unbekannt dastehen. Kein Wunder, da sie, reich durch den Heiligen Geist, die Welt und ihre Pracht verachten, nach dem Wort des Evangelisten: „Liebt nicht die Welt, noch das, was in ihr ist, denn alles, was in der Welt ist, ist Fleischeslust, Augenlust und Stolz“ (Joh. 1, 2). So kommt es, dass die Welt die Söhne Gottes nicht kennt, weil „die Söhne Gottes die Welt nicht kennen“ (Joh. 1, 3), da diese „ganz auf Bosheit gestellt ist“ (Joh. 1, 5). Es ist jedoch der Wille Gottes, dass das Verborgene offenbar werde. Und Gott versprach durch seinen Propheten in den letzten Tagen vor dem Weltuntergang „seinen Heiligen Geist über alles Fleisch auszugießen“ (Joel 2). Und der königliche Psalmist weissagt, dass „Gott die Menschensöhne, welche unter dem Schutz seiner Flügel in Hoffnung verharren, aus dem Strom seiner Wonne tränken werde, denn bei ihm ist die Quelle des Lebens und in seinem Lichte werden wir das Licht sehen“ (Psalm 35).
Um jedoch zu den Bewohnern jener verständig auf einem Berge erbauten Burg der Weisheit zurückzukommen, wenn es ihnen vom Heiligen Geist gegeben ist, alles zu wissen, da es dessen Aufgabe ist, alles zu lehren (wie denn der Apostel sagt: „Durch die Gnade Gottes, welche euch geschenkt ist in Jesu Christo, seid ihr in allem reich geworden in ihm, in jedem Wort und in jeder Wissenschaft“ (I. Kor. 1, 4), so folgt daraus, dass jene Bewohner des Hauses der Weisheit, einzig und allein und niemand außer ihnen jene sind, die mit Salomon von der wahren Magie, der wahren Kabbala und der wahren Chemie Wissenschaft und Kenntnis haben. Über diese Künste haben wir schon so manches gewichtige und sachgemäße Wort gesprochen. Und so erscheint es mir lobenswürdig, dass jene Gesellschaft, die Bruderschaft der Rosenkreuzer, wie in vorübergegangenen Zeiten von der Welt verlästert, da Weltkinder nur weltliche Dinge verstehen und mehr schätzen als göttliche, auch die Diener des Herrn mit Hass und Spott in diesem Jahrhundert wie in früheren verfolgen, nicht vor der bestimmten Zeit vor die Welt treten wollen. Wie unrecht es aber in der Welt für Christen sei, die von jenen Brüdern ihnen entgegengebrachten göttlichen Geschenke zurückzuweisen, sondern auch sie selbst zu verhöhnen, sie für Zauberer und Höllenbrüderchen zu erklären und mit höchster Bosheit Übles von ihnen zu reden, das zu beurteilen überlasse ich unter meinen Lesern euch, die ihr euch mit dem menschlichen Geheimnis beschäftigt.
Aber es möge nicht geschehen, dass alle Laien jene hässlichste und teuflische Ansicht über ihre wahrhaft christlichen Brüder gewännen, und besonders den Geistlichen bleibe jenes Verbrechen fern, dass sie selbst diese Brüder in Jesu Christo mit Verleumdungen und Schmähungen verfolgen. Lesen jene doch oftmals und immer wieder aufs neue die Worte Christi: „Wer seinem Bruder zürnt, wird schuldig des Gerichts; wer da sagt: der Narr! wird des höllischen Feuers schuldig usw.“ (Matth. 5, 23 und 7, 1). Und an anderer Stelle: „Ihr sollt nicht richten, auf dass ihr nicht gerichtet werdet; ihr sollt nicht verdammen, auf dass ihr nicht verdammt werdet. Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, mit dem Maß, womit ihr messet, werdet ihr gemessen werden“ (Kol. 17, 23). Ein solcher scheint daher wenigstens der Frater M. Mersennus zu sein, wenn wir seinen Ausführungen irgendwelchen Glauben beimessen. „Sieh dich vor,“ sagt er, „dass du nicht die Brüderlichkeit verletzest usw.“ Aber ich fürchte, dass er selbst in seiner Ansicht schwankt, da er in seiner Schrift bald zustimmt, bald verneint. Denn wie oft er sich selbst gegen jenen von ihm aufgestellten Satz vergangen hat, kann keinem offenen Kopf verborgen bleiben. Und dennoch hat er jenes Wort unseres Heilandes übernommen: „O Heuchler, der du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, den Balken in deinem eigenen Auge aber nicht siehst! Ziehe erst den Balken aus deinem eigenen Auge usw.“ (Matth. 7, 3 und 5). Er selbst, sage ich, ermahnt uns, den Bruder nicht zu kränken, beleidigt seine Brüder aber durch Verleumdungen und Schmähreden, urteilt hart, greift boshaft an und geht leicht hinweg über eine unerhörte Marter. Doch hören wir, welches seine Meinung über jene göttliche und auserlesene Saat unter den Menschen ist, welche man die Bruderschaft der Rosenkreuzer nennt.
Aus der Schrift des Mersennus.
„Mit Bedacht die Richter und mit Ernst die Fürsten will ich mahnen, dass sie nicht diese Scheusale und Ungeheuer falscher Meinungen in ihren Gerichtsbarkeiten wüten lassen, sondern vielmehr jene Höllenbrüderchen vom Rosenkreuz gänzlich ausrotten, die beinahe an jedem Frankfurter Markttag nach Gottlosigkeit riechende Schriften in den Kreis der christlichen Welt einführen mit ihrem falschen, noch unbekannten Vater und seiner Höhle. Denn es sind Gotteslästerungen, die sie lehren, und sich selbst geben sie als Ketzer und Magier zu erkennen, indem sie das meiste aus den Werken der Magier abschreiben, je weniger sie selbst produzieren usw.“
Antwort.
Zwei Beweggründe veranlassen und spornen mich an, die Sache jener glückseligen Männer an dieser Stelle gegen die falschen Anschuldigungen des Mersennus zu verteidigen; der erste ist, dass ich schon in meiner Schrift jene Bruderschaft gegen die Anwürfe eines Anonymus in Schutz genommen habe; der zweite, dass es den Feinden und Gegnern der Pfleger der Wahrheit selbst und göttlicher Weisheit entgegenzutreten und die schlimmste Unbill derselben zurückzuweisen und zu widerlegen, als höchste Pflicht eines wahren Christen und rechtschaffenen Mannes gilt; desgleichen die göttliche Weisheit und ihre Söhne mit höchster Ehrfurcht zu verehren und mit treuer und aufrichtiger Liebe zu begleiten. Damit wir aber den Gegenstand nach der gleichen Methode mit jener Fraternität und mit den vorgenannten drei Hauptsäulen der Weisheit, nämlich der Magie, der Kabbala und Chemie behandeln, sagen wir:
Was aber jenen unechten und fälschlicherweise der Bruderschaft beigelegten Namen anbetrifft, so überlassen wir die Windbeutel und höchst Strafwürdigen jener Sekte denen, deren Sache es ist, über die Listen und Betrügereien derselben zu urteilen, da es solche Betrüger überall gibt, die mit ihrer abergläubischen Magie, ihrer eingebildeten Astrologie, mit falschen und sophistischen Rezepten einer Afterchemie oder den Possen einer lügnerischen Kabbala tagtäglich die Laien täuschen, welche ihr Gold, ihre Schätze, ihre wissenschaftlichen Geheimnisse offenen Mundes anstaunen und so durch ihre Niederträchtigkeiten die wahre Weisheit und die aufrichtigen Diener derselben durch üblen Ruf schädigen und in den Augen der Welt verächtlich machen.
Wenn M. Mersennus diese meint, so erklären wir ihn freilich hierbei für unschuldig. Darin jedoch ist er zu verdammen, dass er in seinem Urteil das Wahre beständig mit dem Falschen verwechselt und den Teil für das Ganze nimmt, oder besser gesagt, den Schatten für den wirklichen Gegenstand, die Wahrheit für den Schein.
Im übrigen sind die gottergebenen Männer jener wahren Sekte viel mehr durch die höchsten Lobsprüche zu ehren, als von Unwissenden mit solcher Heftigkeit zu verurteilen. Da sie aber von dem Frater Mersennus aus einem gänzlich unbekannten Grunde gerichtet, verdammt und für Teufelsbrüder gehalten werden, so ist zuerst zu untersuchen, was denn ihr Palast oder ihre Burg, was ihr Haus sei, dessen in ihrer Fama häufig Erwähnung geschah. Sodann wer und wie die Bewohner desselben seien, warum sie neben anderen Namen besonders und beständig Brüder und warum sie Rosenkreuzer heißen. Und schließlich ist eine von ihnen selbst abgegebene Erklärung zu veröffentlichen, aus der wir schließen können, ob Männer dieser Art recht und billigerweise von M. Mersennus als Ungeheuer, als Irrlehrer und Höllengenossen öffentlich zu erklären und zu brandmarken seien oder nicht. So werde ich denn hier in Kürze dartun, was meine Meinung über diese Frage ist.
Sagen wir daher zunächst, dass der Palast oder das Kloster dieser Fraternität, was wir mit ihren eigenen Worten belegen können, jenes ist, wovon die Heilige Schrift redet: „Laßt uns hinaufsteigen zum vernunftgemäßen Berge und das Haus der Weisheit errichten.“ Als das Fundament jenes Berges aber erkennen wir den „Eckstein, der (nach dem Zeugnis der Propheten) ohne Hände vom Berge abgetrennt ein großer Berg geworden ist, die ganze Erde ausfüllend, nachdem er die Füße der Statue zertrümmerte.“ So sagt der Prophet: „Das Haus Gottes, o Israel, ist groß und gewaltig seine Besitzung“, das ist der Berg desselben, der in Wahrheit jener wahre Berg Horeb ist oder jenes geistige Zion, wovon die Heilige Schrift so oft redet. Und dieser Stein ist derselbe Fels, jenes wahre Haus, welches der Evangelist meint, wenn er sagt, dass „der Weise ein Haus erbauen, in die Tiefe graben und das Fundament desselben auf Fels stellen werde“. Jener Fels aber ist Christus, auf dem das geistige Haus und das Heiligtum der Priester ruht. So sehr uns indessen befohlen wird, ein Haus auf jenem Felsenberg zu erbauen, ist es doch klar, dass dies kein Menschenwerk sei, wie törichte Alchimisten oder sophistische Magier glauben, sondern ein göttliches. Es ist völlig gewiss, dass, wenn nicht die Weisheit selbst bei solchem Werke zugegen ist und die Leitung übernimmt, sowohl als Baumeister wie als Ausführer des Werkes, menschliche Kraft nichts vermag, was auch mit deutlichen Worten der heilige Text (Psalm 127, 1) zu bestätigen scheint: „Wenn nicht Gott das Haus baut, arbeiten die Bauleute vergebens.“ So ist es in Wirklichkeit Gott, der den Hausbau entwirft und mit weiser und erfahrener Hand ausführt und alles zur Vollendung bringt, nicht anders, als wie wir den tätigen Mann in der duldenden Frau durch Anpassung und Verteilung ein Drittes hervorbringen sehen, nämlich den Fötus, den aber nicht der kunstreiche Mensch erschafft, sondern der Geist Gottes, der sich im Samen verbirgt.
Darum spricht der Apostel: „Wir fordern von euch, ihr Brüder, dass ihr reichliche Frucht tragt und euch Mühe gebet, stille seid und euer Geschäft treibt; arbeitet mit euren Händen, wie wir euch vorgeschrieben haben usw.“ Und im folgenden führt er als Wirkung das Nachstehende an: „Damit niemand etwas entbehre.“ Im 127. Psalm 51 sagt David: „Selig, die da wandeln auf den Wegen des Herrn, denn sie werden kosten die Werke seiner Hände.“ Und dennoch schaffen die Hände des Künstlers weiter nichts (wie ich gesagt habe), als dass sie Überflüssiges verteilen und trennen, und alsdann handelt der Geist aus sich zur Vervollkommnung und himmlischen Einteilung jenes königlichen Palastes. „Eine Wohnung,“ sagt der Apostel, „nicht von Menschenhänden gemacht, oder einen geistigen Körper haben wir auf ewig in den Himmeln, das ist das Haus der Weisheit, auf dem vernunftgemäßen Berge oder dem geistigen Fels erbaut.“
Auch Paulus drückt dies aufs treffendste mit folgenden Worten aus: „Ich habe“, sagt er, I. Kor. 3, 6, „gepflanzt, Apollo hat begossen, aber Gott gab das Wachstum. Nicht auf den, der pflanzt, und nicht auf den, der begießt, kommt es an, sondern auf den, der das Gedeihen gibt, also auf Gott. Der aber pflanzt und der begießt sind eins; ein jeder aber wird seinen eigenen Lohn empfangen nach seiner Arbeit. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; Gottes Ackerland, Gottes Bau seid ihr. Nach der Gnade Gottes, die mir zuteil geworden ist, habe ich als ein weiser Baumeister den Grund gelegt, ein anderer aber baut darauf.“
Ein jeder schaue, wie er darauf baue, denn „niemand kann einen anderen Grund legen, als den, der gelegt ist, der allein Christus ist. So aber einer auf diesem Grunde bauet Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, dessen Werk wird offenbar werden, denn der Tag des Herrn wird es kundmachen, weil es im Feuer geoffenbart wird und das Feuer eines jeden Werk, so wie es ist, bewährt. Wessen Werk Bestand hat, der wird für das, was er damit baute, den Lohn empfangen, wessen Werk vergeht, der wird den Schaden haben usw.“
Hierauf bezieht sich sowohl der in vielen Schriftstellen genannte Stein des Anstoßes und Ärgernisses für die falschen Christen (Röm. 9, 33), als auch der bewährte und köstliche Eckstein, dem Bau für alle zugrunde gelegt, die an ihn glauben, auf dass er nicht verworfen werde (I. Petr. 2, 6). Wie er also ein Stein des Ärgernisses ist (Jes. 28, 16), so spricht der Prophet (Jerem. 22) von dem schlecht auf ihm begründeten Hause und in den Sprichwörtern (14) heißt es: Weh dem, der sein Haus in Ungerechtigkeit erbaut, und wehe seinem Hause beim Gericht. Und Salomon (Prov. 12) sagt: „Das Haus der Ungerechten wird zerstört werden.“ Da es aber einen köstlichen und erprobten Eckstein gibt, so erbauen über jenem Stein die rechten Baumeister das Haus der Weisheit. Das Haus der Gerechten aber, sage ich, wird nach der Weisheit Beschluss ewig währen, wie denn Matth. 7, 24 bezeugt: „Jeder nun, der irgend diese meine Worte hört und sie tut, den werde ich einem klugen Manne vergleichen, der sein Haus auf den Felsen baute. Und der Platzregen fiel hernieder, und die Ströme kamen, und die Winde wehten und stürmten wider jenes Haus; aber es fiel nicht, denn es war auf den Felsen gegründet.“
Von jenem Hause sang der königliche Psalmist (Psalm 5, 7; 26, 8; 84, 10): „Dein Haus betrete ich in der Fülle deiner Barmherzigkeit. Deines Hauses Pracht habe ich geliebt und den Wohnort deines Ruhmes. Im Hause meines Gottes will ich wohnen, lieber als in den Hütten der Sünder usw.“
Hierunter aber verstand der König nicht den von Menschenkunst erbauten Tempel, da, wie die Schrift bezeugt, Gott vom Auszug der Israeliten aus Ägypten bis zu Salomons Zeiten kein Haus bewohnte, sondern seinen Sitz in einem Zelte hatte. Ferner sagt Jehova, den David selbst anredend: „In meinem Namen wirst du kein Haus errichten, deshalb, weil du ein Krieger bist und Blut vergossen hast.“ Bei diesen Worten meint er einen materiellen Tempel, denn die Heilige Schrift bezeugt, dass David vom materiellen Tempel eine ihm geistigerweise vom Finger Gottes aufgezeichnete Beschreibung besaß. Hieraus scheint auch hervorzugehen, dass der göttliche Geist sich dies ansah und dass er war der Meister des Entwurfes des auf dem Berge der Vernunft errichteten Hauses, da gleichsam nach diesem Vorbild nicht nur die Stiftshütte und der Tempel Salomons, sondern auch der Mensch selbst gebildet war, der deshalb der Tempel des Heiligen Geistes genannt wird.
So kommen wir denn zum Schluss, dass die Erbauung jenes Hauses unter der Mitwirkung eines wahren Bruders einzig eine Offenbarung des Okkulten sei, d. h. der geistige Fels oder die Offenbarung der mystischen Weisheit vom Stein des Patriarchen (den er das Haus Gottes nennt); das ist die Errichtung des spirituellen Hauses oder Palastes auf dem Berge der Vernunft. Und diesen Fels nennen wir die mystische Burg Bethlehem, wovon der Evangelist sagt: Christus war von der Burg Bethlehem. Von dort stammet David, was aus der Etymologie leicht nachgewiesen werden kann, denn Bethlehem bezeichnet das Haus des Brotes und des Krieges. Manna aber war das verborgene Brot und das Brot oder die Speise der Engel, das Himmelsbrot und das Wort, von dem jedermann leben kann ohne gewöhnliches Brot, wie die Schriften und aus den Schriften Christus uns lehrt. Hieraus folgt, dass Bethlehem gewissermaßen dasselbe ist als . Bethel, was das Haus des Herrn bezeichnet, neben jenem Jakobs, und dieser Stein oder Fels wird Haus Gottes genannt. Von diesem Haus Gottes, diesem Tempel Christi schildert uns das obwaltende Geheimnis am allerbesten jener geduldige Mann, der da sagt: „Man bringt Feuer Salomo, macht die Menschen zu Propheten und Freunden Gottes. Getreue, Gerechte, Weise, Heilige, heiliges Haus der heiligen Christen, wahre Katholiken, erkauftes Geschlecht, wahrer Samen Abrahams, Priester, apostolische Brüder, Brüder Christi, christliche Bruderschaft“ und viele andere Benennungen und Beiworte, die hier alle anzuführen zu weitläufig und für den Leser ermüdend wäre. Was aber die letztgenannten Bezeichnungen angeht, warum sie Samen Abrahams genannt und unter den Heiden auserwählt, wie gleichsam vom Blut der Juden stammend, warum sie apostolische Bruderschaft, christliche und infolgedessen rosenkreuzerische Fraternität zu nennen sind, mich hierüber ausführlich zu verbreiten, habe ich mir wohlüberlegt vorgenommen. Zunächst muss man daher wissen, dass wie Christus vom Samen Abrahams kam, dem auf göttliches Gebot hin Segen und Heil für die Welt versprochen wurde, so auch alle wahren Christen Samen Abrahams zu nennen sind, da diese, wie der Evangelist sagt, nicht aus dem Blut und der Fleischeslust, sondern aus Gott geboren sind. „Wer“, fragt Christus, „ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Wer immer den Willen meines Vaters tut, der da im Himmel ist, der ist selbst mein Bruder, meine Schwester, meine Mutter.“ Eine Abstammung von solchem Samen erkennt der Apostel unverkennbar an, indem er sagt: „Christi sind, die des Samens Abrahams und Erben seiner Verheißungen sind.“ So lobt auch der Apostel Paulus nicht die, welche Beschnittene sind an der Vorhaut, sondern am Herzen, und er sagt, dass nicht der äußerliche Jude, sondern der innerliche von Gott auserwählt sei. So verhält es sich auch mit manchen aus den Heiden, denn er sagt, dass im Samen Abrahams nicht allein die Juden, sondern alle Völker der Erde erlöst würden, wie schon aus der Genesis hervorzugehen scheint; die Heiden seien Mitarbeiter, Mitglieder und Teilhaber an der Verheißung desselben in Christo Jesu durch das Evangelium. Denn Christus ist, wie der Apostel bezeugt, der verheißene Samen. Wer aber zweifelt, ob jene Bruderschaft aus solchem Blute stamme, dem antworte ich im Sinne des vorerwähnten Evangelisten, dass, wenn die eine derartige Verwandtschaft oder Verbrüderung fleischlich und menschlich wäre, eine andere geistig und göttlich ist. So steht geschrieben, dass die Söhne Gottes die Töchter der Menschen erkannten, d. h. jene von Gott Auserwählten vom Stamme Sem, mit dem Gott verkehrte, die Töchter vom Stamme des verfluchten Kains. Ganz allgemein aber sagt die Schrift: „Ihr seid ein göttliches Geschlecht. Der göttliche Samen ist also nicht unten aus der Erde, da doch oben Speise aufwächst. Man findet Saphir an etlichen Orten, und Erdenklöse, da Gold ist. Den Steig hat kein Vogel erkannt und kein Geiersauge gesehen usw. Ins Gestein streckt er seine Hand und kehret den Grund der Berge um usw.“ Mit diesen Worten bezeichnet er nicht nur die irdische Substanz jenes Hauses, sondern auch seine Reichtümer und das feurige Licht in ihm, dann aber auch seine Kraft und Macht. In Rücksicht der unermesslichen Stärke wird Bethlehem auch anders ausgelegt, als die Burg, von der Christus ausgegangen ist, als das Haus des Krieges. Deshalb wird auch von Hermes, einem wahrhaften und göttlichen Chymiker, jener geistige Stein (nicht der falsche der Alchimisten), „der Ruhm der ganzen Welt“ genannt; bei dessen Teilung alle Dunkelheit um dich schwindet, und „die starke Kraft aller Stärke“, weil er alle feinen Dinge besiegt und alle festen durchdringt. So ward die Welt erschaffen. — Soweit jener.
Aber wie nicht nur bei Job und gleichfalls bei Hermes die köstlichen Materialien jenes Hauses beschrieben werden, so wird dort auch die Tugend desselben hervorgehoben, denn die auf der Spitze des Berges errichtete Stadt oder Burg wird kabbalistisch bezeichnet als Bethulia, was soviel besagt als die Jungfrau des Herrn oder das den Herrn gebärende Haus. So wird Bethlehem als die gewissermaßen jungfräuliche Erde bezeichnet, welche den Erlöser hervorbringen soll. Und dieses eine Wort schließt den ganzen Anspruch des Propheten in sich: „Die Erde wird sich öffnen und den Messias gebären.“ Denn vor allen Dingen ist zu beachten, dass in der Heiligen Schrift die Namen sowohl der Männer als der Städte Geheimnisse in sich einschließen. Daher ist der Name der Stadt Luz in Bethel umgewandelt, wegen der bewundernswerten Wirkung des Steines, der das Haus Gottes genannt wird, und Bethlehem entspricht dem lebenden Brot, welches aus ihm gewissermaßen als dem Hause oder der Burg hervorgehen soll, während Bethalia metaphorisch das Haus der Weisheit, auf dem Berge der Vernunft erbaut, bedeutet. Der Name erscheint dieser Stadt typisch beigelegt, weil sie die schönste auf einer Anhöhe oder einem Berge gelegene Stadt oder Burg war. So wird sie auch Berg Horeb genannt, um den Berg Gottes zu bezeichnen, usw. Schließlich weist der Prophet auf das Mysterium des Wortes Bethlehem hin, indem er sagt: „Christus, der Herr Israels aus Bethlehem, wird sie geben usw.“
Hier habt ihr also jenes auf dem Berg der Vernunft errichtete Haus oder Palatium der Weisheit; nun aber bleibt uns noch zu untersuchen, welches jene Weisen sind, denen der Zutritt zu jenem Palast offensteht. Folgendermaßen werden diese gewiß glücklichen Menschen und ihr geistiger Aufenthalt hinlänglich vom Apostel bezeichnet: „Zu welchem kommend als zu einem lebendigen Steine, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar, seid auch ihr selbst als lebende Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, ein heiliges Priestertum, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlgefällig durch Jesum Christum“ (I. Petr. 1, 4). Und weiter unten: „Ihr aber seid ein auserwähltes königliches Geschlecht von Priestern, eine heilige Gemeinschaft, ein erkauftes Volk, auf dass ihr die Tugenden dessen rühmt, der euch aus der Finsternis zu seinem herrlichen Licht berufen hat, wie einst ,nicht das Volk Gottes’, nun aber das Volk Gottes seid.“ Mit diesen Worten beschreibt er nicht nur den überaus starken Grund und die Erbauer, sondern auch die Bewohner aufs beste. Denn diese sind jene Getreuen Christi, die nach Esdras Lehre die sterbliche Hülle ablegend und die unsterbliche erwählend und den Namen des Herrn bekennend, gekrönt werden und Palmen empfangen. So sagt denn ein von der Weisheit erleuchteter Mann: „Denn vergebens arbeiten die Sterblichen, welche einen andern Weg beschritten haben, als wie der Apostel verlangt“, nämlich durch das Errichten des Zeltes, welcher Weg nicht der des Todes ist, wie die Leute glauben, sondern der, den der Apostel Petrus meint, wenn er spricht von dem, den ihn Christus gelehrt hat, als er auf dem Berge verklärt wurde. Und dieser Anspruch sollte geheim und verborgen bleiben, sonst hätte der Apostel nicht gesagt, „wie mich Jesus gelehrt hat“ und die höchste Weisheit hätte nicht gesprochen: „Sagt dies niemand“, denn dem gewöhnlichen Leben gemäß war allen von Anbeginn der Welt an leibliches Sterben bekannt. Welche bewunderungswürdige Macht den Männern dieser Art von Christus als Gabe verliehen worden ist, scheint hieraus hervorzugehen. Ein gleiches gilt von jenem, von dem gesagt ward: „Dem treuen Priester werde ich ein treues Haus erbauen, und er wird wandeln vor meinem Gesalbten alle Tage lang.“ So sind, sage ich, jene, welche der Prophet meint, wenn er sagt (Jes. 2, 5): „Kommet, ihr vom Hause Jakobs, und laßt uns wandeln im Lichte des Herrn.“ Und anderen Orts: „Die immer jenes wahre Licht empfangen, denen wird Macht verliehen, die rechten Söhne Gottes zu werden, sie, die da glauben an seinen Namen.“ Hieraus könnt ihr den Standpunkt und die Beschaffenheit der Bewohner jenes Hauses entnehmen. Nun ist aber auch zu beachten, wie sie zu benennen sind und welche Beziehungen ihnen öfters die Heilige Schrift beilegt, nämlich: Söhne Gottes, Auserwählte Gottes, auserwähltes Geschlecht, Propheten und Freunde Gottes.
Die Weisheit, sagt jener, nicht fleischliche, sondern aus reinem Feuer und vom Geist entzündete, bewirkt, dass die Weltkinder durch Erwählung Gotteskinder werden, im Sinne Petri, die „einst nicht das Volk Gottes, nun das Volk Gottes“ (I. Petr. 2). Und dieser Samen ist jener unverwesliche Geist, den Gott in alle Dinge einschloss, was auch Christus (Matth. 3, 9; Luk. 3, 8) mit den Worten zu bestätigen scheint: „Aus diesen Steinen kann Gott dem Abraham Kinder erwecken“, d. h. neue Söhne Christi, Christen, deren Haupt nach dem Zeugnis des Apostels Jesus Christus ist. Denn er sagt I. Kor. 11, 2: „Ich lasse euch aber wissen, dass Christus ist eines jeglichen Mannes Haupt… Gott aber ist Christi Haupt.“ Und ähnlich spricht er (Kor. 1, 23): „Ihr seid Christi, Christus aber ist Gottes.“ Und ferner: „Christus, der (laut dem Propheten) das Licht Israels aus Bethlehem (d. h. dem Brothause) ist, spricht in mir, und nimmt er auch nicht in euch Gestalt an, so ist er doch mächtig in euch.“ Christus aber (Ephes. 2, 20) ist der Eckstein, dem wir gleichsam als lebendige Steine — sowie er der Führer Israels, der Hauptfels ist, der aus seinem nie versiegenden Brunnen die Wasser des Lebens entsendet — (I. Petr. 1, 5) dazu dienen sollen, ein Haus zu erbauen.
Hieraus folgt, dass wir wie lebendige Steine, so Samen Abrahams und wie Samen Abrahams so in Wahrheit Brüder Christi und echte Israeliten, und wie echte Israeliten so Tempel Gottes sind. Und da, wie wir göttlicher Same so auch lebendige Steine und wie lebende Steine aus einem einzigen Fels, das ist aus Christus, herausgeschnitten sind, so durch diesen Glauben mit Christus eins geworden, gewissermaßen seine Glieder geworden, nach dem Worte des Apostels (I. Kor. 1, 12): „Ein Leib, der viele Glieder hat“ und folglich seine Miterben am Himmelreich, so ist es gewiss, dass jenes Eine in uns, wonach wir lebendige Steine genannt werden, einzig in uns eine Wahrheit ist. So dürfen wir glauben, Söhne Gottes zu sein, und was darüber hinaus an der Nachtseite des Menschen Lug und Trugbild ist, kann wahrhaftig weder Tugend noch Wahrheit genannt werden, welche doch allein am Tage des Gerichts die Feuerprobe bestehen.
Wie wir als Chymiker nach jenem Golde Gottes trachten, das von Christus ausgeht, so ist dort allein die vollkommene Wahrheit, welche jede Feuerprobe besteht, in der die wahre und glühende Tugend gereinigt, verherrlicht und strahlender gemacht wird, wie solches deutlich aus den Worten des Apostels hervorgeht (I. Kor. 3, 13). Hier ist jedoch vorzüglich zu bemerken, dass jene zwar Söhne Abrahams und Israeliten, jedoch nur geistig, nicht fleischlich sind, so auch lebendige Steine, die der Evangelist nicht durch fleischlichen Verkehr, sondern aus Gott geboren nennt, weshalb er denn auch sagt, dass es möglich sei, Abraham aus Steinen Söhne zu erwecken. Die solcher Art aus Steinen hervorgegangenen Söhne sind selbst innere und folglich geistige Steine, und da sie den Steinen und allen irdischen Dingen, welche ihrer Dichte halber Erde und Steine genannt werden, Leben und Sein geben, so können sie lebende Steine genannt werden; und als besondere lebende Steine aus dem allgemeinen und katholischen Felsen entnommen, schließen sie, alles sei eins und eins sei alles und folglich nach dem Wort des Apostels Christus selbst, der nach ihm alles und in allem ist, weil er die Wahrheit selber und außer ihr alles eitel Lug und Trug ist, ein Ding was zu sein scheint, aber nicht ist. Deshalb ist es auch die Aufgabe des wahren gottseligen Chymikers, das Blendwerk von der Wahrheit, d. h. das Gute vom Bösen zu unterscheiden und entgegen der gottlosen Judennatur den Barrabas, den Sohn der finsteren Verwirrung, in die alten Fesseln zu legen und Christus in der Schöpfung, vom jüdischen Unglauben besiegt und gewissermaßen gefangengenommen, zu befreien.
So werden wir die Schöpfer des wahren Wortes, und jene Weisheit, die aus der Finsternis hervorstrahlt, macht uns zu Freunden Gottes und macht uns reich an jeglicher Gabe. Dies alles geschieht durch Öffnung der Erde nach den Worten des Jesaias: „Dass sie den Heiland gebäre“, was zwar nicht nach Art der falschen Chymiker vor sich geht, sondern auf göttliche und mystische Weise, die gesetzlich und den wahren Chymisten enthüllt ist, welche Paulus (2. Tim. 2, 5 und 6) die wahren Ackersleute zu nennen scheint und von denen er sagt: „Und so jemand auch kämpfet, wird er doch nicht gekrönet, er kämpfe denn recht.“ Dem ringenden Landmann aber kommt es an erster Stelle zu, die Früchte zu ernten. Andere Philosophen und Theologen aber, die das göttliche Werk nicht kennen, tadelt er mit den Worten: „Also widerstehen diese der Wahrheit; es sind Menschen verderbt in der Gesinnung, unbewährt hinsichtlich des Glaubens und jedes guten Werkes“ (II. Tim. 3, 8). An diesen beiden Stellen werden sowohl die guten Werkleute, d. h. die Erbauer des Hauses der Weisheit als auch die bösen oder falschen Architekten geschildert. Dies also ist die Art, das Haus der Weisheit auf dem Berg oder Felsen der Vernunft zu erbauen, dies die rechte Weise eines jeden Menschen, die Bruderschaft Christi und den Samen Abrahams zu erwählen, und der echten Landleute oder Architekten Art, zu arbeiten.
Auch apostolische Brüder werden sie genannt, weil sie vertraut sind mit jenem Geheimnis, welches die Apostel sowohl kannten als auch tapfer der Welt verkündigten, d. h. mit der mystischen Weisheit und Verborgenheit, von der sie erkannten, dass sie aller Wunder Urheber, wie von jenem des Ecksteines, sei. Denn die Apostel pflegten diejenigen Brüder zu nennen, die sich mit ihnen demselben Geheimnis Gottes widmeten. Daher die apostolische Bruderschaft, wie denn der Apostel Paulus sagt: „Die brüderliche Liebe bleibe in euch.“ Und Petrus: „Liebet die Bruderschaft“, und an einer andern Stelle: „Gut und angenehm wohnen die Brüder beieinander.“ Eine solche gemeinsame Wohnung nun hat die Bruderschaft inne; und das feste Band der Liebe und Freude liegt nur in der Erkenntnis des einzigen Christus und des alleinigen geistigen Felsens, auf welcher Grundlage alles auferbaut ist, wie oben mit den Worten des Apostels hinlänglich belegt. Jeder verständige Leser, der sie recht versteht, wird selber gewahr werden, dass Marinus Mersennus nicht zu jener Bruderschaft gehört, weder als Genosse noch als Mitglied, obwohl er sich auf dem Titelblatt seines Werkes die Bezeichnung als Bruder Marinus Mersennus beilegt und die Welt daran glauben machen möchte.
Ist er aber kein Bruder dieses Ordens, so ist er ein falscher und unechter Bruder, da in jener Bruderschaft die höchste und alleinige Wahrheit, das größte Wohlwollen und Bruderliebe zu Hause ist, bei ihm aber nichts als List, Bosheit und Verleumdung herrscht, die durchaus vom Lehrsaal der wahren Bruderschaft ausgeschlossen und verbannt sind, wie dies auch Petrus in nachstehender Fassung bezeugt: „So leget nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alles Afterreden; und seid begierig nach der vernünftigen lautern Milch, als die jetzt geborenen Kindlein, auf dass ihr durch dieselbe zunehmet. So ihr anders geschmeckt habt, dass der Herr gütig ist, zu welchem ihr gekommen seid, als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen; aber bei Gott ist er auserwählt und köstlich usw.“ (I. Petr. 1, 2). Wenn daher Mersennus in weltlicher Verblendung derart kindisch geworden sein sollte, so möge er sich in anderer Angelegenheiten nicht einmischen als dreister Richter und seine Brüder, die mit ihm selbst das Christentum teilen, nicht heimlich Atheisten, Gottesschänder, Ketzer, Hexenmeister, Erzzauberer, Toren, Schamlose, Nebelgeister, Unwissende und Lasterhafte nennen, geschweige denn sie öffentlich als solche fälschlicherweise brandmarken.
Ohne Frage muss er daher den falschen Brüdern zugezählt werden, von denen der Apostel sagt (Gal. 2, 4): „Denn da etliche falsche Brüder sich mit eingedrängt und eingeschlichen haben, auszukundschaften unsere Freiheit, die wir haben in Christo Jesu, dass sie uns gefangen nähmen usw.“ Aber, schon höre ich jenen Feind der Wahrheit vor sich hin reden: „Ich bin nur ein Bruder für meine Brüder, die Römisch-Katholischen, keineswegs aber für die Ketzer, wie es die Brüder Lutheraner, Calvinisten und jene Rosenkreuzer sind; denn ich bin ein Bruder himmlischen Ordens, jene aber der Hölle.“ Ihm aber erwidere ich, dass ihm solche Ausrede nichts helfen wird. Obwohl sie den christlichen Namen für sich in Anspruch nehmen, sollten sie doch nicht seine Brüder sein, da sie eine andere Religion bekennen würden als er selbst? Wenn er mit etwas schärferem Geistesblick die Apostelgeschichte betrachtete, würde er wohl selbst finden, dass diese, die von der wahren Bruderschaft Christi waren, die Juden, die ärgsten Feinde des Christentums, ihre Brüder nannten. So sagt Stephanus: „Menschenbrüder und Väter, höret!“ und Paulus und Barnabas nennen sowohl die Heiden als auch die Juden Menschenbrüder und Söhne vom Stamme Abrahams.
Er aber wird gewiss antworten, dass er an dieser Stelle unter Brüdern die Nachfolgerschaft der Juden von Abraham verstehe, da die Israeliten alle Brüder genannt werden. Aber hiermit kann er sich nicht herausreden, da jener an vielen Stellen, sowohl in seinen Predigten als auch in seinen Briefen auch die ungläubigsten Heiden seine Brüder nennt, selbst die Götzendiener, wie dies viele Stellen unzweifelhaft beweisen. Schon beim Propheten lesen wir vom Heiland aus Bethlehem, dem Herrn Israels (Micha 5, 2): „Indes läßt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, so gebären soll, geboren habe; da werden dann die übrigen seiner Brüder wiederkommen zu den Kindern Israels.“
Indem hier von einer zerstreuten Schar gesprochen wird, ist Christus deutlich als Welten Heiland charakterisiert, wie es denn bei Matth. 23, 8 heißt: „Einer ist euer Meister, alle aber seid ihr Brüder“; und dies begründend fährt er fort: „da einer euer Vater ist, der in den Himmeln wohnt.“ Hiermit dürfte Christus nicht fleischliche Brüder, sondern Brüder in Gott bezeichnen, und nicht die Apostel allein redet er so an, sondern auch die gemischte Schar der Zuhörer, in der sich ungläubige Juden und Heiden befanden. Und der Prophet endlich sagt dies klar und deutlich, des Heilandes Wort bestätigend: „Was wollt ihr euren Bruder verachten, da doch einer euer Vater und Schöpfer ist!“ Hieraus folgt, dass er damit alle Menschen insgesamt gemeint hat, die aus dem einen und demselben Felsen herausgelöst sind. Da dies so ist, wie kann es nun jener Mönch wagen, gegen der Apostel, ja gegen des Höchsten Ausspruch zu behaupten, irgendwer sei nicht sein Bruder, trotzdem mit deutlichen Worten gesagt ist, dass alle Menschen Brüder seien, unterrichtet von einem Lehrer und abstammend von einem Vater.
Warum wartet Mersennus auf des königlichen Psalmisten Worte: „Dein Mund träuft von Bosheit und deine Zunge bringt Listen hervor. Im Rate sitzend sprichst du gegen deinen Bruder und gegen ihn schaffst du Ärgernis. Darum bist du im Dunkel, weil du deinen Bruder hassest; im Finstern wandelst du und weißt nicht, wo du bist.“ In seinem Hass aber tötet er seinen Bruder, nach Joh. 1, 3. 15: „Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder, ein Mörder aber hat das ewige Leben nicht in sich; die dagegen ihre Brüder lieben, werden nach ihrem Tode zum Leben gelangen.“ Wie Johannes von jenem Mönch gedacht haben möchte, wage ich nicht zu beurteilen, da das Urteil Sache dessen ist, der auch den Kain nach dem Rechte richtete, denn der Apostel gebraucht gleichfalls dieses Beispiel.
Nunmehr können wir den Grund erörtern, warum jene Bruderschaft sich den Beinamen Rosenkreuzer geben darf, nachdem wir im vorstehenden hinlänglich aus dem klaren Wortlaut des Heiligen Testamentes dargelegt haben, warum der Bruderschaft der Auserwählten der Beinamen Apostolisch und Christlich zukommt. Warum denn nicht der Beiname Rosenkreuzer? Haben wir doch in der römischen Kirche einen dem heiligen Kreuze geweihten Orden? Ist es denn ein Gegenstand so großen Anstoßes, der apostolischen Fraternität und den wahren Auserwählten und Brüdern Gottes das Beiwort „Rosenkreuzer“ zuzugestehen? Oder sollte jemand glauben, die Beilegung der Bezeichnung des Rosenkreuzers in solch wichtiger Sache sollte nichts bedeuten? Ich werde aber zeigen, dass das Wort Rosenkreuz das ganze Geheimnis der Bruderschaft der Eingeweihten offenbart, obwohl es den Unkundigen nichts oder wenig über das Ziel zu verraten scheint. Nicht ohne Absicht führten die englischen Segel und die christlichen Helden im Kriege gegen die Sarazenen und Türken auf ihrer Brust das Zeichen des rosenfarbigen oder rubinfarbigen Kreuzes. Je mehr ich es der Mühe wert erachte, an dieser Stelle vor allem das Mysterium des Kreuzes zu enthüllen, um so besser werden wir die sichere Berechtigung für den Beinamen der Bruderschaft herausschälen. Man muß wohl wissen, dass uns die Heilslehre ein doppeltes Kreuz vorgesetzt hat, nicht anders als ein doppeltes Gesetz, einen doppelten Sinn in der Heiligen Schrift, eine doppelte Weisheit, nämlich eine äußere und eine innere, wobei die äußere die Hülle der inneren ist.
So ist unter dem äußeren Gesetz das innere wie die Nuß in der Schale verborgen, so versteckt sich in der Heiligen Schrift der Geist unter dem Buchstaben und die göttliche und mystische Weisheit in jener verwirrt scheinenden weltlichen. Denn nachdem Adam vom Baume des Guten und Bösen gekostet hatte, entstand Verwirrung; die klare Wahrheit wurde durch die Finsternisse der Täuschung verschleiert und Irrtum in die Welt gebracht, so dass an Stelle der reinen und einfachen Einheit der Einheiten Verwirrung, nämlich jene Zweiheit entstand, jenes zweiköpfige Ungeheuer, welches zugleich nach dem Guten wie nach dem Bösen hinschaut. So entwickelt sich der Zusammenhang zwischen dem Innern und dem Äußern, die Mischung von Tugend und Laster, die Verunreinigung der mystischen Weisheit durch die menschliche, die Verdunkelung des Lichts durch die Finsternis und, alles mit einem Wort gesagt, die Verschleierung des Geistes durch den Buchstaben. Doch wozu weitere Worte? Es genügt, zu sagen, dass dasselbe Verhältnis, wie es zwischen der weltlichen bzw. menschlichen Weisheit und jener göttlichen bestand, auch zwischen dem körperlichen und äußeren und jenem inneren, geistigen Kreuze herrscht. „Denn“, sagt der Apostel, „die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott“, und an einer andern Stelle: „Gott hat sie zur Torheit gemacht“ (I. Kor. 1, 18).
Und Jakobus (1, 22) sagt: „Deine Weisheit und dein Wissen betrügt dich.“ Die göttliche und mystische Weisheit aber ist jene „geistige und verborgene, welche Gott vor Jahrhunderten zum Ruhme seiner Auserwählten bestimmt hat“ (I. Kor. 2, 7), wie der Apostel Paulus bezeugt. Von der einen wie der andern Weisheit redet Jakobus (3, 15): „Denn das ist nicht die Weisheit, die von oben herabkommt, sondern irdisch, menschlich und teuflisch. — Die Weisheit aber von oben her ist aufs erste keusch, darnach friedsam, gelinde, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ohne Heuchelei.“ Dies ist gleichermaßen vom Kreuze zu sagen, denn jenes wirkliche und wahre Wesen der mystischen Weisheit ist ein inneres, während das äußere nur ein Trugbild und falsches Abbild von jenem echter Art ist, worauf der Apostel Paulus anzuspielen scheint, wenn er sagt (Hebr. 9, 24): „Denn Christus ist nicht eingegangen in das Heilige, so mit Händen gemacht ist, welches ist ein Gegenbild des Wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, neu zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für uns. Auch nicht, dass er sich oftmals opfere, wie der Hohepriester eingehet alle Jahre in das Heiligtum mit fremdem Blut.“
Durch das ganze Kapitel hindurch scheint der Apostel zu beweisen, dass alle jene Handlungen mit der Besprengung durch fremdes Blut in der Stiftshütte, mit dem Kreuze, in welchem die eherne Schlange aufsitzend oder schwebend angebracht war, Gleichnisse und Andeutungen darstellten, während sich die ihnen entsprechende Wirklichkeit erst einem zukünftigen Jahrhundert kundtun sollte, wie dies deutlich aus seinen Worten (Hebr. 9, 8) folgt: „Womit der heilige Geist anzeigt, dass noch nicht offenbaret wäre der Weg zum Heiligtum, solange die erste Hülle stände, welche zur selbigen Zeit ein Vorbild sein sollte usw.“ Ferner finden wir andernorts geschrieben, dass der Allerhöchste nicht in Wohnungen verweile, die ein Werk der Hände seien (Act. 7, 48), woraus hervorgeht, dass das offenbare und vom Menschengeist geschaffene Kreuz wenig bedeutet. So verhält es sich in der Tat mit der weltlichen Weisheit gegenüber jener göttlichen und mystischen, welche die Kraft Gottes ist; jene andere jedoch ist eine reine Torheit, was auch der Apostel ausdrücken will, wenn er sagt: „Das Kreuz Christi, den Juden ein Ärgernis, den Heiden eine Torheit, den Auserwählten Gottes Heil und Weisheit“ (I. Kor. 1, 24). Unter Ärgernis versteht er den Hass, den sie gegen das Kreuz Christi hegten, da sie von ihm allein Zeichen erwartet hatten; unter Torheit meint er nicht nur diejenigen, welche das Kreuz verspotteten, sondern auch jene, welche das weltliche und offenbare Kreuz statt des geistigen, der „Kraft Gottes“, annahmen, das äußere statt des inneren.
Also sehen wir in der Welt zwei heftige Gegensätze, woraus im Leben soviel Widerstreit, solch ungeheure Zwietracht in weltlichen Dingen hervorgeht, nämlich Licht und Finsternis, welch ersterer Christus und welch letzterer Fürst der Teufel ist. Gleicherweise sehen wir von den beiden Kreuzen das eine als die Kraft Gottes und die echte Weisheit, die da ist das reine und lautere Licht, das andere aber teuflisch, da ihm die Gottheit nicht innewohnt und da es äußerlich ist, so dass es infolgedessen nach der Torheit der Heiden das Volk zum Götzendienst verführt, d. h. zur Verehrung eines Dinges, dem nichts Göttliches zukommt; und so gelangt durch Unwissenheit das Kreuz des Schächers zur Anbetung statt jenes lebendigen. In diesem Sinne schreibt ein verehrter Kirchenvater, dass das Kreuz Christi aus einem Zwillingsholz bestehe, an dem zugleich der Teufel und unser Heiland Jesus Christus gekreuzigt worden sei. Hätte er aber gesagt, Christus sei an totem Holze gekreuzigt worden, jener dagegen an lebendigem, so schiene er nicht im Sinne des Apostels zu reden, der da sagt: „Es sei aber fern von mir, mich zu rühmen, denn allein des Kreuzes unseres Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“ (Gal. 6, 14).
Was er aber darunter versteht, dass ihm die Welt gekreuzigt sei, erklärt er mit den Worten (Gal. 6, 17): „Ich trage die Wundmale des Kreuzes an meinem Körper“, wie wenn er gesagt hätte: „Christi wahres und geistiges Kreuz trage ich in mir“, gegenüber welchem die Welt und die weltlichen Dinge gekreuzigt und tot sind und ich daher für die Welt. So an anderer Stelle (Gal. 2, 19): „Ich bin Christo gekreuzigt, auf dass Gott lebe.“ Wir dürfen also den teuflischen und jenen weltlichen Teil des äußeren Kreuzes nicht verehren und mit mancherlei abergläubischen Ehrenbezeugungen umgeben, da es des Todes und nicht des Lebens Kreuz ist, aus irdischem Holz oder einem andern verweslichen Material geschnitzt, sondern nur jenes echte, wahre und lebendige Kreuz Christi, d. h. die mystische Weisheit, welche die Heilige Schrift das Holz und den Baum des Lebens nennt, dessen Quelle oder Wurzel das erleuchtende Wort ist. Hierauf bezieht sich der Vers: „Die heilige Form des Kreuzes leuchtet aus der verehrungswürdigen Hülle.“ Das aber ist jenes wahre innerliche und zentrale Kreuz Christi, wovon die Bruderschaft, welche weltlich gesinnte Phantasten übel berufen und verleumden, ihren Beinamen herleitet.
Um so mehr aber verdienen jene „Kreuzesbrüder“ genannt zu werden, als zu diesem Orden nicht nur die heiligen Propheten gehörten, sondern auch alle Aposteln und treuen Schüler derselben, wie denn der Erlöser sagte (Matth. 16, 24): „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“ Hierdurch scheint er anzudeuten, dass der wahre Christ vor allem das geistige Kreuz suchen müsse, wovon der Apostel, wie oben angegeben, spricht, und dass er durch Selbstverleugnung sich für die Welt kreuzige und die Welt für sich, oder wie Petrus verlangt (I. Pet. 2, 1): „Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch, gleichwie die kaum geborenen Kindlein, auf dass ihr durch dieselbige zunehmet; so ihr anders geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist, zu welchem ihr gekommen seid als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ward; aber bei Gott ist er auserwählt und köstlich. Und auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause usw.“ Und ähnlich heißt es an anderer Stelle (Matth. 10, 38): „Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nicht nachfolgt, ist meiner nicht wert.“ Und ferner: „Wer sein Kreuz nicht trägt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.“
In diesem Worten liegt also das größte Mysterium verborgen und es geht aus ihnen hervor, dass wer nicht bittet und klopft und so jenes geheime Kreuz in sich findet und erkennt, wer es nicht bewusst tragend Christo Jesu, der Menschen Haupt und Israels Führer aus Bethlehem, als ein Würdiger nachfolgt, ein wahrer Jünger Christi nicht sein kann. Aus alledem folgt auf das deutlichste, dass ein wahrer Jünger Christi ein Bruder der Kreuzesbruderschaft sein muss. Nun aber will ich erklären, warum der Rosenkreuzbruderschaft dieser Name gebührt. Aus dem vorher Gesagten ist aufs leichteste zu entnehmen, dass alle guten und wahren Christen mit größter Anstrengung bemüht sein müssen, jenes mystische Kreuz zu erkennen, zu finden und mit sich zu tragen, ohne welches sie rechtermaßen nicht als Schüler und Jünger Christi angesehen werden können. Aber schon ist zu fragen, unter welchem Bilde oder unter welcher Farbe und Hülle jenes den Auserwählten zu erscheinen und von ihnen erkannt zu werden pflegt.
Jenes Kreuz, dem alle guten Christen sich widmen sollen, ist nicht nach Art des gewöhnlichen und vergänglichen Kreuzes von wechselnder Farbe und Form je nach der verwendeten Materie und vom menschlichen Geiste ersonnen und hergestellt, sondern es ist blutfarbig und dem rotesten Rosenrot ähnlich, mit Lilien untersteckt, worüber der Prophet in mystischer Weise redet (Jes. 63, 2): „Gesalbter, warum ist dein Gewand so rot und dein Kleid wie eines Keltertreters?“ „Ihr Blut ist über meine Kleider gesprengt usw.“, lautet die Antwort. Mit welchen Worten der Prophet anzudeuten scheint, dass das Blut oder die Röte des Kreuzes, dass der rosige Kreuzessaft daher stammt, dass das Kreuz Christi in das Blut aller Sünder eingetaucht erscheint und dass jeder durch dessen Tugend vom Sündenmakel gereinigt wird. So sagt Johannes (I. 1, 7): „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, wäscht uns von jeder Sünde rein.“ Das Blut des Gottessohnes, sagt er, und damit meint er nicht Menschenblut, sondern ein göttliches und mystisches Blut, da er ja vom Blute des Sohnes Gottes, von Jesus Christus, spricht und nicht von Menschenblut. Denn wie es eine Zeugung gibt aus menschlichem Blut und sinnlichem Beischlaf, so gibt es eine andere göttliche aus dem Geiste Gottes, nach dem Worte des Evangelisten: „Nicht die aus dem Blut und der Lust des Fleisches, sondern die aus Gott geboren sind. Blut und Fleisch kann nicht in das Himmelreich eingehen.“ Und an anderer Stelle (I. Petr. 1): „Durch das kostbare Blut, gleichsam das Blut des unbefleckten und makellosen Lammes, seid ihr erlöst.“
So heißt es an einem ferneren Ort (Hebr. 12, 24), dass das Vergießen des Blutes Christi besser rede als das Abels. Denn jener war geistig, mystisch, dieser materiell und typisch. Und weiter: „Der Gott des Friedens führte von den Toten zurück den großen Hirten aller durch das ewige Blut des Bundes usw.“ Dabei meint er unter dem Blut des Testamentes jenes lebendige und geistliche, durch dessen Vermittlung und allein durch diese nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift die Wiederherstellung vom Tode zum ewigen Leben bewirkt worden ist. Und anderen Orts (Hebr. 9, 20): „Jenes Blut des Bundes, welches Gott euch anvertraut hat.“
Noch klarer spricht der Apostel an dieser Stelle, indem er darauf hinweist, dass die Zeremonien des alten Bundes nur Gleichnisse und Typen zur Erklärung jenes verborgenen geistlichen Geheimnisses seien: „Wenn das Blut der Ziegen und Stiere und die Asche des Kalbes auf die Unreinen gesprengt zur Reinigung des Fleisches heiligt, wie viel mehr reinigt Christi Blut, der durch den Heiligen Geist sich selbst schuldlos Gott zum Opfer brachte, euer Gewissen von den Werken des Todes, zum Dienste des lebendigen Gottes usw.“ Womit er anzudeuten scheint, dass jenes Blut geistiger Art sei: zuvörderst, weil, wie der Buchstabe den darin eingeschlossenen Geist verdeckt, so jener alte Bund, jenes äußerliche oder mosaische Gesetz, das neue innerliche oder dasjenige Christi verhüllt in sich trägt. Daher ist die Grundlage dieses neuen Gesetzes eine geistliche, d. h. der geistige Felsen und sein Blut, von dem gleichsam lebendige und feurige Wässer ausfließen, und der daher mit Recht und Wahrheit Kreuzesblut genannt wird. Denn da das lebendige, von Christo ausgehende Gold bei jeder Feuerprobe fest und beständig verbleibt, so wird er gewissermaßen und vergleichsweise gekreuzigt und Kreuzesblut genannt, indem durch seine Vermittlung Sabbat, Ruhe und Friede den Geschöpfen wiedergegeben wird (Hebr. 2, 8). Was auch deutlich aus folgenden Worten der Heiligen Schrift hervorgeht: „Friedenbringend durch das Blut seines Kreuzes, auf Erden und im Himmel“ (Apoc.). Hier wird auch gesagt, dass selig zu preisen sind, die ihre Gewänder gewaschen haben, dass sie Macht hätten durch das Holz oder den Baum des Lebens. Dieses Kreuzesblut, sage ich, war jenes geistige Blut des Bundes, in den Gott uns eingesetzt hat. Denn er ist ein Geschenk des Heiligen Geistes, von dem die Mitteilung ausgeht, dass jener Kelch, den wir segnen, und dass das mystische Blut im wahren Sakramente nach dem Worte des Apostels zu verstehen ist: „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi?“ (Kor. 10, 16)
Das also ist das wahre Rosenkreuz mit Lilien geschmückt, welches Esdra oder vielmehr Gott durch Esdras Zeugnis, auf das bildliche, auf sieben Säulen erbaute Haus der Weisheit anspielend, also schilderte: „Ich habe“, spricht der Herr, „sieben Berge voll Rosen und Lilien zubereitet, auf denen ich deine Söhne mit Freude erfüllen werde“ (IV. Esd. 2, 19). Und ebendort erwähnt er das Haus oder jene himmlische Burg Zion, wobei er auch die Lage der Bewohner folgendermaßen beschreibt: „Empfange, Zion, deine Zahl und bringe zum Abschluss deine Diener, welche das Gesetz des Herrn erfüllt haben, und forsche nach dem Reiche des Herrn, damit dein Volk geheiligt werde, welches berufen war von Anbeginn usw. Es sind welche, die das sterbliche Kleid abgelegt, das unsterbliche angelegt und den Namen Gottes bekannt haben usw.“ Über die geheime Einrichtung dieses Tabernakels habe ich früher ausführlich geredet, als ich darüber Aufklärung gab, was ich unter dem verstände, was man gewöhnlich „sterben“ nenne, da doch jeder wisse, dass dies auch eine geheime und verborgene Bedeutung habe.
So bezieht sich endlich auf den Gegenstand unseres Kreuzes die ganze Parabel des Hohenliedes Salomons, in dem wir lesen (die Person der Braut und des Bräutigams redend angeführt): „Ich bin die Rose Sarons und die Lilie des Feldes usw. — Mein Geliebter gleicht dem Geißbock auf dem Berge Bethel“, d. h. dem Hause des Herrn usw. „Meine Schwester, Braut, verschlossener Garten, gezeichnete Quelle, Brüste gleich purpurroten Äpfeln des Paradieses, Quell der Gärten, Teich der lebendigen Wässer usw.“ Schließlich lehrt uns die Heilige Schrift, wie wir zur Erlangung einer Perle von solcher Unvergleichlichkeit zu verfahren haben, im allgemeinen und im besonderen. Im allgemeinen belehrt uns der Apostel so: „Wir ermahnen euch, ihr Brüder, dass ihr euch Mühe gebet reichlicher zuzunehmen, und ringt danach, dass ihr stille seid und das eurige schaffet und arbeitet mit euren eigenen Händen, wie wir euch geboten haben, auf dass ihr ehrbarlich wandelt gegen die, die draußen sind und ihrer keines bedürfen“ (I. Tessal. 4, 10). Im besonderen lehrt er uns durch seine Unterweisung in verwandter Weise zur Vervollkommnung des Mysteriums zu gelangen unter dem Bilde des Säemannes oder des Baumeisters. Unter dem Bilde des Säemanns sagt er I. Kor. 3, 6: „Ich habe gepflanzt, Apoll begoß, aber Gott gab das Gedeihen usw. Denn wir sind Gottes Helfer und Arbeiter usw.“ Dort heißt es auch: „Ihr seid die Saat Gottes.“ Und Jakobus, solche Säemänner ins Auge fassend, sagt (Jak. 5, 7): „Harret geduldig, liebe Brüder, auf die Ankunft des Herrn. Sehet, der Landmann wartet auf die kostbare Frucht der Erde, geduldig ausharrend, bis sie den Früh- und Spätregen empfange.
So seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen, da die Ankunft des Herrn herannaht usw.“ Dass aber der Herr Jesus Christus den Auserwählten in diesem Leben erscheinen wird, lehrt uns Paulus, indem er sagt (I. Kor. 1, 7): „Also dass ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gnadengabe und wartet auf die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi, welcher euch befestigen wird bis ans Ende, dass ihr unsträflich seid auf den Tag unseres Herrn Jesu Christi.“ Mit diesen Worten zeigt er an, dass sich der Herr den wahren Brüdern in diesem Leben offenbare, da das folgende Leben ohne Ende ist. In diesem Sinne sagt auch der Prophet Jesaias: „Die Erde wird sich öffnen und den Heiland gebären.“ Und der Evangelist spricht: „Gott ist imstande, aus diesen Steinen den Samen oder die Söhne Abrahams zu erwecken.“ Und Job sagt (Job 28, 6): „Man bringt auch Feuer unten aus der Erde, da doch oben Speise aufwächst. Man findet Saphir an etlichen Orten, und Erdenklöße, da Gold ist.“ Und der Patriarch kennt den Stein sehr wohl, den er sinnbildlich aufgerichtet hat, und der das Haus Gottes sein soll. Das Wort und die Weisheit aber ist das vollkommenste Licht, welche das Sichtbare durch Verdunkelung, das Verborgene durch Aufhellung den Augen der Sterblichen kenntlich zu machen vermögen.
Und bereiten Ackersleute dieser Art auch das rechte Erdreich in gesetzmäßiger Weise, pflegen sie es und tun sie das Nötige, bepflanzen sie es mit Paulus und bewässern sie es mit Apollo, so können sie doch nicht eher ernten, als bis die Frucht von Gott gesegnet wird, als bis sie in Geduld die Offenbarung des Herrn erwartet haben. Den Grund aber gibt der Apostel mit den Worten an, „nicht dem Wollenden und Eilenden, sondern durch Gottes Erbarmung werde sie zuteil“. Sodann läßt er den Bruder an der Vollendung dieses Werkes unter dem Bilde eines Baumeisters arbeiten, wie denn der Apostel an einer oben schon angeführten Stelle auch von sich selber sagt, dass er durch die Gnade Gottes, die ihm zuteil geworden sei, dem weisen Architekten gleich, den Grund gelegt habe, ein anderer aber baue weiter darauf, denn niemand könne einen anderen Grund legen als den, der gelegt sei; das aber sei allein Jesus Christus. Solche Baukunst meint Paulus, wenn er sagt (I. Kor. 3, 9): „Wir sind Gottes Mitarbeiter; Gottes Ackerfeld, Gottes Bau seid ihr.“ Auch David (Psalm 127) scheint hierauf anzuspielen, wenn er sagt: „Wo der Herr nicht das Haus bauet, da arbeiten umsonst, die daran bauen.“ Das ist ganz dasselbe, was Paulus (I. Kor. 3, 7) unter dem Bilde des Säemannes ausdrückt. „Nicht der da pflanzt, ist einer, auch nicht der da begießt, sondern der das Gedeihen gibt, Gott; wir aber sind Gottes Hilfsarbeiter.“
Wenn nun auch der unzerstörbare Geist Gottes dem Weizenkorn innewohnt, so kann aus diesem doch nichts werden ohne des Landmannes Bemühen und Ausstreuung; dessen Sache es ist, die Erde vorzurichten und den Samen in diese zum Zweck der Zersetzung einzubetten, sonst geht aus dem lebendigen Keim in dessen Innerem nichts hervor. Unter dem Bilde eines solchen Baumeisters fordert uns der Prophet auf, „dass wir auf den Berg der Vernunft steigen und das Haus der Weisheit erbauen sollen“. Behufs der rechten Verfahrensweise, wie wir zum rosenroten Kreuzesblut gelangen möchten, welches sich im Zentrum des Kreuzes ausgegossen verbirgt, ist zu bedenken, welche Mühe und welche nicht geringe Arbeit wir an diese Aufgabe wenden müssen, da es sich hier nicht um ein oberflächliches Werk handelt; man muss vielmehr bis ins Innere der Erde graben, klopfen und suchen, oder es ist um unsere Mühe getan. Denn es sagt ein wahrer und in der echten Chymie erfahrener Philosoph, dass alle Körper von drei Dimensionen begrenzt sind, und zwar von der vor Augen liegenden Höhe, der verborgenen Tiefe und der in der Mitte liegenden Breite. Es bestehe nämlich kein Übergang vom Extrem zum Extrem als durch ein Mittelding, d. h. aus der äußeren Form irgendeines Dinges können wir nicht die innere verborgene für uns erschließen, wenn wir nicht durch die Zerstörung der offenbaren zur Enthüllung der verborgenen gelangen. Die Wahrheit dieses Satzes aber wird durch den Inhalt des geometrischen Würfels veranschaulicht, denn dessen Höhe, mit sich selbst multipliziert, zeigt die Breite an, welche wiederum mit der Höhe multipliziert deren Inhalt ergibt.
In eben dieser Weise pflegen die Alchimisten die offenbaren Formen in okkulte umzuwandeln, indem sie durch Zerstörung der spezifischen Form die allgemeine finden. Das ist das Werk der wahren und göttlichen Alchimie, durch deren Vermittlung den Irdischen der Zutritt zu den Freuden des Paradieses offensteht, auf dass sie jene rote Rose mit den Lilien des Feldes pflücken und vom Baume des Lebens kosten. Solch ein Leben lehrt uns auch der Apostel mit den Worten (Ephes. 3, 18): „Auf dass ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe; auch erkennen, dass Christus lieb haben viel besser ist denn alles Wissen, auf dass ihr erfüllet werdet mit allerlei Gottesfülle.“ Mit diesen Worten scheint er auszusprechen, dass ein wissender Künstler und wahrer Gottesgelehrter tief in die Erde graben und nach allen drei Richtungen hin sorgfältig arbeiten müsse, um den echten Eckstein, den Gott als den Grundstein oder das Fundament in die Erde gesenkt hat, aufzufinden; durch den er die alles überragende Liebe zur Wissenschaft Christi kennenlernen soll, auf dass er erfüllet werde mit allerlei Gottesfülle.
Wir kommen also zum Schlusse, dass jenes Rosenkreuz oder jenes mystische Kreuzesblut (wovon ein göttlicher Sänger sprach: „dessen geheiligte Form aus dem verehrungswürdigen Gewand hervorleuchtet“) durch wackeres Klopfen, geduldiges Erwarten des göttlichen Segens und durch Bitten und Flehen bis aufs Blut zu erstreben sei nach dem Zeugnis des Apostels (Hebr. 12, 4): „Denn ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden über dem Kämpfen wider die Sünde.“ Hierdurch wird in okkulter Weise gelehrt, die Sünde sei alles jenes Fremdartige, welches nicht der reinen Wahrheit entspricht, die Jesus Christus ist. Alle Sorgfalt ist anzuwenden und man muß sich immer wieder aufs neue Mühe geben, dass sowohl aus dem menschlichen oder animalischen Felsen als auch aus dem andern, dem Künstler und echten Bruder die Wahrheit in ihrem rosenfarbigen und blutfarbigen Schein hervorleuchtet, damit er in diesem göttlichen Glanze das Licht sehe und endlich die Frucht seiner Arbeit glücklich ernte nach des Apostels Wort von solchem verständigen Ackersmann: dem arbeitenden Landmann kommt es in erster Reihe zu, die Früchte seiner Arbeit zu empfangen.
Dies alles wohl erwogen, wird es klar, was sowohl jenes mystische Kreuzesblut als auch das Kreuz Christi bedeute, welches jeder wahre Christ mit allen Kräften zu erstreben hat, bis er jene allerroteste Rose oder jenes allerkostbarste dort festgelegte und immerwährende Kreuzesblut findet und endlich mit Recht ein Bruder vom Rosenkreuz genannt werden und durch die Zugehörigkeit zur wahren Bruderschaft belohnt werden kann, so jenes Wahrwort des königlichen Psalmisten bestätigend (Psalm 133, 1): „Die Brüder werden in einem guten und angenehmen Hause wohnen.“
Nun könnte ohne Zweifel jemand sagen: Wie kommt es, dass du den Geist jener Bruderschaft so gut zu kennen beanspruchst oder auf welche Art bist du über ihre Geheimnisse so wohl unterrichtet, dass du nicht allein ihre Religion und ihre Umstände, sondern auch den wahren Grund kundmachst, warum sie Rosenkreuzbrüder genannt werden? Was? Bist du auch einer von den Brüderchen vom Rosenkreuz? Bei peinlicher Befragung antworte ich, dass ich am allerwenigsten von Gott je eine solch hohe Gnade verdient habe, indem ich mit dem Apostel anerkenne, dass jene Gabe nicht den Begehrenden und Ungeduldigen, sondern durch Gottes Erbarmung verliehen werde. Wenn es Gott so gefallen hätte, dann wäre Gewollthaben genug. Damit ich jedoch einem Frager, wer es auch sei, und auch euch, gütigen Lesern, in euren obigen Zweifeln genug tue, will ich euch einen Brief vor Augen führen, den von Rosenkreuzbrüdern verfasst und an einen deutschen Kandidaten geschickt, ich getreu wiedergebe. Hiervon habe ich durch meinen Freund Dantiskanus eine Abschrift erhalten, so dass ihr nach ernsthaftem Durchlesen und Wiederdurchlesen später selbst beurteilen könnt, ob die von mir vorstehend ausgesprochenen Worte über den Geist und über die geistliche Gabe Gottes oder den Eckstein, über die lebendigen Wässer, über die Religion dieser Brüder und den Anhang der Fraternität von mir, sei es absichtlich, sei es irrtümlich, zu Unrecht vorgebracht sind. Über diesen, von gelehrten und auf die Säulen der Gerechtigkeit sich stützenden Männern beurteilten, Gegenstand können jene auf das beste, und zwar frei und ohne alle Parteilichkeit ein Zeugnis abgeben, ob Leute der Art wie die sogenannten Rosenkreuzer mit solcher Schmach zu verfolgen sind, ob sie solchen Hass und solche Nachstellung verdienen, ob sie aus der christlichen Welt mit solchem Eifer auszuschließen und in ewige Verbannung zu schicken sind, wie jener höllenrichterliche Mönch, der zu solchem Amt am allerwenigsten berufen ist, im Ernst behaupten zu wollen scheint.
Verehrter Mann und geehrter Herr!
Da dieses Jahr das vornehmste Deiner Nativität sein wird, so erflehe ich vom höchsten Gott einen glücklichsten Eingang und Ausgang Deines Lebens; und weil Du bisher mit gutem Sinne ein standhafter Erforscher der heiligen Philosophie gewesen bist, so fahre wacker fort und fürchte Gott. So bereitest Du Dich vor auf den Himmel und so auf die allerwahrste Wissenschaft. Denn Gott ist es, von dem alles Leben herkommt, und Gott ist es, der allein den Umfang und den Mittelpunkt bildet. Aber tritt hinzu, höre und nimm diese Lehre an. †. Wer die Wissenschaft wählt, wählt auch den Schmerz; dass in vielem Wissen viel Nachteil liege, das sagen wir als Erfahrene. Alle unsere Weltkinder und glorreichen Bramarbasse, prahlerisch, ruhmredig, geschwätzig und hohl, lästern unverdientermaßen und reden, ohne die Sache zu kennen, übel von uns.
Wir aber wundern uns nicht, dass eine undankbare Welt die Lehrer der wahren Künste nebst der Wahrheit selbst verfolgt; was jedoch sollen wir in Deinem Falle und Deinen Fragen gegenüber tun? Was können wir tun? Aber wenigstens was wir sind, soll Dir in Kürze beantwortet werden. Bei Johannes lesen wir, dass Gott das höchste Licht sei und im Lichte wandeln wir und das Licht, wenn auch in eine Leuchte eingeschlossen, bieten wir der Welt an. Aber, Weltkind, der Du dies leugnest, Du weißt nicht oder Du siehst nicht, wie es zu wissen not tut, dass Jesus Deinem vergänglichen Leibe innewohnt. Das lehrt Dich der Apostel. Jesus kannte die Gedanken aller. Wenn Du Dich nun an ihn hältst, ein Geist mit ihm selber wirst, und eine solche Beschaffenheit gewinnst, was wird Dich hindern, mit Salomo der Menschen Neigungen, die bösen und die guten zu kennen? Dies schicke ich voraus. Und daher kommt es, dass wir nicht jedem antworten, weil manche Gemüter in Wahrheit falsch sind. Denn alle, die Gott fremd sind, sind unsere Widersacher, und wer wäre so töricht, dass er einem fremden Wandersmann erlaubte, sein Hausheiligtum zu betreten? Solltest Du aber entgegnen, dass eine Gemeinschaft wie die gedachte wohl erst in einem zukünftigen Jahrhundert zu erwarten sei, so würdest Du Dich derart als ein Laie erweisen, dass Du durch Deine Unwissenheit das Licht verlöschtest und den Apostel Lügen zu strafen nicht errötest, der auf das deutlichste dies mit den Worten ausspricht, dass wir keinen Mangel haben sollen an irgendeiner Gabe, die wir die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus erwarten. Von diesem Leben aber, sagst
Du hierauf, sei dies am allerwenigsten zu verstehen. Was bedeutet indessen der folgende Vers: „Der euch stärken wird bis zum Ende?“ Denn im Reiche Gottes ist kein Ende, daher wird die Glorie des Herrn in dieser Zeitlichkeit gesehen werden und der glorreiche Jesus. Wenn nun ferner jemand nach unserem Beruf fragt? Die verirrten Schafe suchen wir in den rechten Schafstall zurückzuführen. Vergebens müht ihr euch daher ab, arme Sterbliche, wenn ihr ein anderes Leben führt, als der Apostel es will, indem er sein Zelt abbrach, ein Weg, der nicht durch den Tod hindurchführt, wie es der allgemeine Glauben ist, sondern wie es Petrus meint, wenn er sagt: „Wie mich Christus gelehrt hat, als er einst auf dem Berge verklärt wurde.“ Wäre diese Lehre nicht eine geheime und verborgene gewesen, so hätte der Apostel nicht gesagt: „Wie mich Jesus gelehrt hat.“ Und die höchste Wahrheit hätte nicht gesagt: „Saget dies niemanden.“ Denn auf dem gewöhnlichen Wege war allen vom Anfang der Welt an das Sterben als gesetzmäßig bewußt. Wandeln wir uns also um, wandeln wir uns um aus toten Steinen in lebendige philosophische Steine. Den Weg zeigt der Apostel, wenn er sagt: „Dasselbe oder derselbe Geist sei in euch, der in Jesus ist.“
Den Sinn aber erläutert er im folgenden: wenn er tatsächlich in der Gestalt Gottes wäre, erachte er es für keinen Raub, Gott gleich zu sein. Dies seht ihr alles durch die Natur, Erforscher verborgener Geheimnisse, dies hört ihr, dies glaubt ihr nicht, arme Sterbliche, die ihr so ängstlich auf euren Untergang lossteuert; aber willst Du, Allerärmster, nicht beglückt werden, willst Du Dich nicht stolz über die Zirkel der Welt erheben, willst Du nicht bis zum Himmel über diese Erde und Deinen niedrigen Leib ehrgeizig den Herrscher spielen, oder wollt Ihr, Unwürdige, nicht alle Wunder wirken? Erkennt doch den verworfenen Stein, welcher das sei, ehe gefragt wird. Du aber, Bruder, höre; mit dem heiligen Johannes spreche ich, damit Du mit uns Gesellschaft habest und unsere Gesellschaft gehöre zum Vater und zu Jesu, und wir schreiben Euch, auf dass Ihr froh seid, da Gott das Licht ist und in ihm keinerlei Finsternis besteht. Damit Du aber mit uns übereinstimmst, nimm dieses Licht wahr. Unmöglich ist es, mit einem andern Licht, es sei denn, dass wir dies wollten, uns zu sehen. So folge uns denn in diesem Lichte, auf dass Du mit uns glücklich werdest, denn der Kernpunkt aller Dinge ist unser allerfestester Palast, zwar sehr von Dunkel umgeben, da durch viele Namen verschleiert; doch tritt ein, tritt ein zum Ruhme Gottes und Deinem Heil durch die Tore der Liebe zur Philosophie in die Pflegeschule, in welcher die ewige Liebe und brüderliche Eintracht gelehrt wird.
Jene leuchtende und uneinnehmbare Burg aber ist auf des Herrn Berg erbaut, aus dessen Wurzel die Quelle der lebendigen Wasser und der Liebesstrom entspringt. Trinke, trinke und trinke immer wieder, damit Du alles Verborgene schauest und mit uns zusammenkommest. Inzwischen sei vorsichtig. Aber wie? Am besten weißt Du wohl selber, dass nichts von der Natur als Nahrung angenommen wird als das, was feinerer Art ist. Das Grobe und Trübe wird als Ausscheidung abgeführt. Sehr wohl auch wurde von Dir bemerkt, dass mit dem Geiste und nicht mit dem Munde diejenigen Nahrung zu sich nehmen, welche mehr mit dem Geist als dem Körper leben wollen und dass deren Körper feinerer Art seien, zum Himmel durch den Himmel und nicht durch die Erde. Aber die Tugenden dieser sollen wir durch die jenes erkennen, und wenn Du mich recht verstehst, so kann niemand zum Himmel aufsteigen, was Du verlangst, als wer vom Himmel herabgestiegen ist, was Du nicht verlangst, und so von jenem erleuchtet ist. Denn alles, was nicht vom Himmel stammt, ist nur falsches Blendwerk und kann durchaus nicht Tugend genannt werden. Besser kann daher nicht ein Bruder gekräftigt werden als durch die Tugend selbst, welche die höchste Wahrheit ist.
Wenn Du dieser in allen Deinen Handlungen und Worten nach besten Kräften weise und fromm nachzustreben gesucht haben wirst, wird sie selbst Dich von Tag zu Tag mehr stärken. Das ist unser Feuergeist, unser glühender Funken, unser unvergängliches, unsterbliches Samenkorn, der eigentliche sublimierende Körper, der aller Schöpfung innewohnt, sie erhaltend und regierend, das feurige von Christo ausgehende Gold, rein im Feuer, immer glorreich und reiner, ohne Verminderung triumphierend. Dich wird es, sage ich, von Tag zu Tag mehr stärken, bis Du, wie ein gelehrter Mann sagt, im Kampf einem Löwen gleich geworden sein wirst, alle Kräfte der Welt an Dich zu reißen imstande bist, den Tod nicht scheust und nichts fürchtest, was auch an Gewalttätigkeit eine teuflische Tyrannei ersinnen könnte, — wenn Du nämlich ein solcher bist, wie Du es wünschest, ein lebendiger Stein und ein vollendetes Bauwerk.
Und dass Gott Deine Arbeiten segne und das, was von den bewährtesten Autoren unter dem Schatten von derer Lesung Du so empfängst, denn anders liest, anders versteht der Weise. Bist Du unvollkommen? Die gebührende Vervollkommnung strebe mit allen Kräften an. Trübe und unrein bist Du, reinige dich mit Tränen, sublimiere Dich in Sitte und Tugend, ziere und schmücke Dich mit den Gnaden der Sakramente, mache Deine Seele erhaben, zur Betrachtung des Himmlischen geschickt, den engelhaften Geistern gemäß, auf dass Dein verweslicher Leib und Deine nichtige Asche wiederbelebt, überweißt und unvergänglich und leidenschaftslos werde durch Jesu Christi unseres Herrn Auferstehung. Tue also und Du wirst bekennen, dass kein Sterblicher lauterer an Dich geschrieben habe als ich. Was Dir hier zu sagen war, hat Dir die Herrin Tugend anvertraut, von der Du Deinen Verdiensten entsprechend später noch des weiteren belehrt werden wirst, nach dem Gesetze, welches der Apostel meint, wenn Du das Dir Anvertraute bewahrest. Lebe wohl!
F. T. F. in luce usw.
Nachschrift
Ich weiß wohl, dass es viele Leute geben wird, welche, da sie nur im historischen oder tropologischen Sinne der Heiligen Schrift bewandert sind, unsere vorstehende Abhandlung über die Theosophie als etwas Befremdliches, Unbekanntes und außer der gewöhnlichen Ordnung der herkömmlichen Theologie Stehendes anmuten wird, indem sie nicht verstehen, dass die Schriften des hochheiligen Evangeliums auch dem tieferen Sinne nach und allegorisch, und zwar in Übereinstimmung mit den Kirchenvätern ausgelegt werden können. Denn wie jede historische und moralische oder tropologische und wörtliche Erklärung derselben lehrt, wie die Menschen zunächst vor Gott dem Schöpfer und sodann miteinander, gleichsam als Brüder und nächste Angehörige, in der christlichen Gesellschaft nach den Gesetzen der Eintracht und unter passenden Sitten in dieser Welt leben sollen, so ist andererseits unter ihrer typischen Lehre eine mystische oder allegorische und auch tiefsinnige verborgen. Diese wird vorzüglich bei der Erklärung der göttlichen Mysterien wahrgenommen. Denn wie der Mensch das Abbild des göttlichen Geistes ist, so ist es seines Geistes allerwichtigste Aufgabe, durch Überschreitung des Irdischen zur Quelle des Lichtes, zum Vater, emporzusteigen und in dasselbe Abbild mit Christus und durch Christus verwandelt zu werden.
Daher kam es, dass jener mosaische Dekalog von unserem Heiland in zwei Teile abgeteilt worden ist, von denen sich der eine auf Gott bezieht, dahinlautend, dass wir ihn mit Furcht und Verehrung suchen und die Geheimnisse der mystischen Weisheit aufspüren sollen, nach jenem Wort: die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit, welche alles Verborgene offenbar macht und Gottesfreunde und Propheten erweckt. Der andere Teil bezieht sich auf den Nächsten oder den Menschen bezüglich der Tropologie oder Moralität, d. h. der Ethik des einzelnen Menschen gegenüber der ordentlichen Einrichtung und planmäßigen Verteilung, von welch beiden der erstere Teil am wenigsten zu verbreiten ist, denn der Heiland der Welt lehrt uns, das Heilige dem Profanen nicht zu vermischen. Darauf hin zielen seine Worte: „Werfet die Perlen nicht den Säuen vor und das Brot der Menschensöhne nicht den Hunden; sondern sprechet zu ihnen in Gleichnissen.“
Und Paulus sagt, er sei in den dritten Himmel versetzt worden, wo er Dinge gesehen zu haben zugesteht, die durch Mitteilung durchaus nicht verbreitet werden sollten. Gleicherweise lesen wir, dass von den Schriften Esdras die ersteren auf seinen Befehl öffentlich verbreitet wurden, dass Würdige und Unwürdige aus dem Volk sie lesen sollten, die späteren aber, 70 an der Zahl, ermahnt er, aufzubewahren und geheimzuhalten, dass sie den Weisen aus dem Volke überliefert würden. Hieraus scheint hervorzugehen, dass sowohl die Mysterien der heiligen Schriften als auch die Moralwerke hoch zu schätzen, erstere aber nur wenigen, und zwar Würdigen und Weisen zugänglich zu machen seien, die imstande sind, sie zu entschleiern, letztere jedoch sowohl Würdigen wie Unwürdigen bekanntzugeben seien, damit ein jeder die rechte Moral für sein eigenes Leben und Handeln durch die Lesung sich aneigne.
Hierdurch wird es klar, dass der Text der Heiligen Schrift und folglich die Theologie, obwohl sie durch Lesen sowohl als Predigen einen moralischen Sinn gewinnen kann, doch in tropologischer und historischer Weise mitgeteilt wird. Hieraus aber folgt nicht, dass der mystische Sinn derselben, unter dem Buchstaben versteckt, nicht zum metaphysischen und physischen Heile der Menschen ans Licht gezogen werden solle. Diese Art von Theologie erscheint im ersten Augenblick unbestimmt und verschieden von jener tropologischen und macht aus diesem Grunde einen mehr fremden und gewissermaßen neuen Eindruck, dennoch ist es die Aufgabe der Weisen (nach der Absicht des Heilandes), die beiden Glieder in Ehren zu halten, d. h. sowohl jenes, welches in moralischer Form buchstabengemäß den Weisen wie den Toren, den Würdigen wie den Unwürdigen dargestellt wird, als auch das andere, welches hinter dem Buchstaben steht, d. h. das Allegorische, Mystische und Geistliche, was nur wenigen, und zwar Weisen eröffnet werden soll.
Daher kommt es, dass, wenn gefragt werden sollte, welche Religion haben jene weisen Männer, die sich der mystischen Auslegung der heiligen Schriften bedienen, sind es Römische, Lutheraner, Calvinisten usw. oder haben sie eine eigene Religion für sich, verschieden von den anderen, es ihnen, wie ich glaube, sehr leicht ist zu antworten: Alle Christen irgendwelchen Bekenntnisses streben nach demselben Ziele, nämlich nach Jesus Christus, der allein die Weisheit ist, und in diesem übereinstimmenden Sinne treffen alle miteinander zusammen.
Aber wie jene Religionen sowohl durch Moralformeln als auch äußere Kirchenzeremonien (menschlichen Erfindungen also), durch die verschiedenen Trachten der Mönche und Priester, durch die Anbetung des Kreuzes, die Gestaltung oder Verwerfung von Bildwerken, voneinander abweichende Meinungen über die wirkliche Gegenwart Christi im Sakrament, durch das Aufsteigen des Lichts aus der Finsternis und unzählige andere Punkte voneinander sich zu unterscheiden scheinen (Unterschiede, die außerhalb der wesentlichen Gesetze der mystischen Weisheit stehen), so glauben wir, dass in der einen wie in der andern Religion Männer geringer wie höchster Lebensstellung zerstreut leben, die so in der mystischen Theologie bewandert sind, dass sie nach errungenem Sieg oder Erreichung des Zieles mit Recht wahre Rosenkreuzer genannt werden dürfen, die die Schärfe ihres Geistes zur Erkennung der Wahrheit und zur Einheit ernstlich anwenden und über äußerliche zum Wohle des Volkes angewendete Dinge in tropologischer Weise denkend, sich ihnen neben den Gesetzen der Moral freiwillig unterwerfen.
Nichtsdestoweniger behalten sie wohl die Worte des Apostels im Sinne (Kor. 8, 3): „So aber jemand Gott liebet, derselbige ist von ihm erkannt. So wissen wir nun von der Speise des Götzenopfers, dass ein Götze nichts in der Welt sei, und dass kein anderer Gott sei als der alleinige (,als der allein die Wahrheit ist’, heißt es im Fluddschen Text).“ Daher verhalten sie sich dem Ansehen der äußeren Zeremonien gegenüber so, wie Paulus dies von seinem Benehmen bei Juden und Heiden erzählt (Kor. 9, 19), entgegenkommend jedem Versuch, den einigen Gott zu fürchten, und angenehm stille, um nicht bei ihren Brüdern anzustoßen. Deshalb sagt der Apostel (Kor. 1, 8 und 13): „Darum so die Speise meinen Bruder ärgert, wollte ich nimmermehr Fleisch essen, auf dass ich meinen Bruder nicht ärgerte.“
Ich schließe also, dass diese tiefangelegten Männer, sowohl die moralischen Gesetze der Heiligen Schrift, wie ich glaube, als auch die mystischen, deren sich jede christliche Sekte mit Eifer bedient, ehren und sich die allergrößte Mühe geben sowohl darin, dass sie nach des Weltenheilandes Vorschrift Gott fürchten und verehren, als auch darin, dass sie ihren Nächsten lieben und mit aller moralischen Hochachtung werthalten.